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verschiedene: Die Gartenlaube (1881)


     Und er verliert sich zweifelnd in den Wald;
Was um ihn vorgeht, hört und sieht er nicht; –
Erst wie die fromme Vesperglocke schallt,
Gemahnt es ihn der ernsten Klosterpflicht.

     Im Lauf erreichet er den Garten schnell;
Ein Unbekannter öffnet ihm das Thor.
Er stutzt, – doch sieh, schon glänzt die Kirche hell,
Und draus ertönt der Brüder heil’ger Chor.

     Nach seinem Stuhle eilend, tritt er ein, –
Doch wunderbar – ein Andrer sitzet dort;
Er überblickt der Mönche lange Reih’n –,
Nur Unbekannte findet er am Ort.

     Der Staunende wird angestaunt ringsum;
Man fragt nach Namen, fragt nach dem Begehr;
Er sagt’s – dann murmelt man durch’s Heiligthum:
Dreihundert Jahre hieß so Niemand mehr.“

     „Der Letzte dieses Namens,“ tönt es dann,
„Er war ein Zweifler und verschwand im Wald;
Man gab den Namen Keinem mehr fortan!“
Er hört das Wort; es überläuft ihn kalt.

     Er nennet nun den Abt und nennt das Jahr;
Man nimmt das alte Klosterbuch zur Hand;
Da wird ein großes Gotteswunder klar:
Er ist’s, der drei Jahrhunderte verschwand.

     Ha, welche Lösung! Plötzlich graut sein Haar;
Er sinkt dahin und ist dem Tod geweiht,
Und sterbend mahnt er seiner Brüder Schaar:
„Gott ist erhaben über Ort und Zeit.

     Was er verhüllt, macht nur ein Wunder klar –
Drum grübelt nicht, denkt meinem Schicksal nach!
Ich weiß: ihm ist ein Tag wie tausend Jahr,
Und tausend Jahre sind ihm wie ein Tag.“

Wolfgang Müller von Königswinter.




Blätter und Blüthen.

„Die kaiserliche Wachtparade in der Michaels-Manège zu St. Petersburg“ – unter diesem Titel ging uns wenige Tage vor dem verabscheuungswürdigen Attentate, dem Kaiser Alexander der Zweite von Rußland zum Opfer fiel, die nachfolgende Mittheilung unseres St. Petersburger Correspondenten zu. Diese authentische Schilderung des farbenprächtigen soldatischen Schauspiels, das sich vor dem Kaiser so oft – und noch in seiner letzten Lebensstunde, unmittelbar vor dem verhängnißvollen Attentate vom 13. März – entfaltete, dürfte unseren Lesern heute von besonderem Interesse sein.

„Wer in Petersburger Officierskreisen bekannt ist,“ schreibt unser Berichterstatter unter dem 9. März d. J., „dem kann durch besondere Vergünstigung Gelegenheit werden, einem so eigenartigen militärischen Acte beizuwohnen, wie er sich in keiner anderen europäischen Armee wiederfindet. Es ist dies die große Wachtparade vor dem Kaiser. Dieselbe findet nur bei Anwesenheit des Monarchen in Petersburg statt und zwar in einem geschlossenen Raume, dem größten Exercirhause der Welt, der sogenannten Michaels-Manège. Die ungeheure Halle, welche so groß ist, daß ein kriegsstarkes Bataillon bequem jederlei Exercitien in ihr vornehmen kann, wird zum Zwecke der Parade durch sechszehn riesige Oefen behaglich geheizt.

Um die zahlreichen Wachen Petersburgs, das heißt nur der inneren Stadt, zu besetzen, bedarf es täglich fast zweier Bataillone, und die hiesigen Garderegimenter rechnen es sich zur höchsten Ehre, wenn der Kaiser persönlich das Aufziehen der Wache leitet.

Sonntags um elf Uhr Vormittags nehmen die Truppen in vollem Parade-Anzuge in der Manège Aufstellung und werden durch ihre entsprechenden Vorgesetzten, zu welchen auch die beiden ältesten Söhne des Kaisers, der Thronfolger Alexander und Großfürst Wladimir gehören, auf das Genaueste besichtigt. Wehe dem unglücklichen Soldaten, an dessen Kleidung etwas nicht in Ordnung ist! Er zieht nicht nur sich selbst, sondern meistens auch seinem Compagniechef und oft sogar dem Bataillonscommandeur mehr oder minder kürzeren Arrest zu.

Gegenüber den auf Wache ziehenden Truppen nimmt die gesammte Generalität und das Officiercorps der Garde Aufstellung. Man sieht hier einen Reichthum von Uniformen, wie er sich wohl so leicht nicht anderswo dem Auge darbietet: da sind die Garde-Infanterie-Officiere mit ihren fast überladen in Gold gestickten Kragen und Aufschlägen, auf dem grünen Rocke die sehr in’s Auge fallende rothe Rabatte; da sind die Chevaliers-Garde und Garde à Cheval, ähnlich den preußischen Gardes du Corps; da sind die Garde-Husaren in ihrer prachtvollen rothen, reich in Gold gestickten Uniform mit weißem Dolman – jenem Dolman, den mit dem kostbarsten Pelzwerke zu besetzen in diesem wohl vornehmsten Cavallerieregimente der Welt als besondere Ehrensache gilt. Man findet hier das kostbarste Pelzwerk Sibiriens vertreten und Dolmans zum Preise von drei- bis viertausend Rubel.

Ganz besonders aber fesseln die Trachten des kaiserlichen Leib-Convois, der kaukasischen Bergvölker, die oftmals an längst vergangene Jahrhunderte erinnern. Da zeigen sich uns die Gorzen in ihren langen, fast schlafrockähnlichen Röcken aus carmoisinrothem Sammet, reich mit Pelz besetzt, in dem bunten Gürtel ein wahres Waffenarsenal von kostbaren Pistolen und Dolchen; ferner die Lesghier, eines der wildesten Völker des Kaukasus, die sich damit rühmen, im Gefechte niemals Pardon zu geben, in ihrer fast an die Zeit der Kreuzritter erinnernden Kleidung, einem stählernen Schuppenpanzer, welcher Unterleib, Brust, Hals und Kopf völlig bedeckt und nur Augen und Nase erkennen läßt; endlich die Mohammedaner in ihren weißen mit Gold gestickten Sammetröcken etc. Die Anführer dieser Truppe sind zum größten Theil tscherkessische Fürsten, von denen so mancher noch unter Schamyl gegen dasselbe Rußland gefochten, dessen Kaiser sie heute als nächster Schutz dienen.

Punkt ein Uhr öffnen sich die großen Flügelthüren des Exercirhauses, und ein Kosakenofficier verkündet laut die Ankunft des Kaisers. Derselbe erscheint denn auch sogleich, gefolgt von einer glänzenden Suite, zu welcher in erster Linie sämmtliche Botschafter in ihren Parade-Uniformen sowie die Militärbevollmächtigten sämmtlicher Länder gehören. Die Musik spielt die Nationalhymne; die Truppen präsentiren, und der Kaiser begrüßt dieselben mit einem lauten ‚Guten Morgen, Kinder!‘, dem einstimmig die vorgeschriebene Antwort ‚Gesundheit wünschen wir Euer Majestät,‘ folgt. Darauf reitet er die Front der Truppen ab, redet wohl ab und zu einen ihm bekannten Officier an, bemerkt aber auch den geringsten Fehler in der Kleidung oder Haltung der Soldaten. Darauf begiebt er sich in die Mitte der Manège, und die Musik beginnt einen ganz eigenthümlichen, halb traurigen, nur zu diesem Zweck bestimmten Marsch zu spielen, unter dessen Klängen sich die zahlreichen Officiere und Unterchargen nahen, deren Meldung der Kaiser entgegennimmt. Den Anfang machen sämmtliche Regimentsadjutanten der Petersburger Garde, welche den Reiterrapport ihres Truppentheils überreichen; dann folgen die Feldwebel und Wachtmeister sämmtlicher Leibcompagnien und Leibschwadronen, deren Chef der Kaiser ist, sechszehn an der Zahl, meist alte ergraute Krieger mit unzähligen Medaillen auf der Brust. Der Kaiser kennt jeden persönlich und begrüßt ihn unter Nennung seines Namens. Demnächst melden sich die dreißig täglich im Nachtdienst befindlichen Officiere, und endlich begiebt sich der Kaiser an das äußerste Ende der Manège.

Dies ist das Zeichen für die zum Ordonnanzdienst bestimmten Officiere und Mannschaften der Gardecavallerie. Auf einen Wink des Herrschers brausen sie in voller Carrière auf ihn zu und müssen dabei ihre Pferde so in der Gewalt haben, daß sie dieselben dicht vor ihm pariren können, um ihre Meldung abzustatten. Eine Ungeschicklichkeit, gar ein Anreiten des Kaisers würde schwere Strafe zur Folge haben.

Hierauf findet der Parademarsch der wachegebenden Truppen und sämmtlicher hiesiger militärischer Lehranstalten statt. Ist der Kaiser mit diesem zufrieden, so dankt er mit einem ‚Gut, Kinder!‘ dem sofort das einstimmige ‚Wir sind froh uns bemüht zu haben‘ folgt.

Sowie der Parademarsch vorbei, sprengen die zum Ordonnanzdienst bestimmten tscherkessischen Reiter in die Manège und führen nun allerlei Kunststücke zu Pferde aus, wie sie diesen wilden Bergvölkern angeboren sind. So schießen sie z. B. in voller Carrière mit ihren Pistolen nach kleinen auf der Erde befindlichen Scheiben und verfehlen fast niemals ihr Ziel; andere werfen sich, wenn sie bei diesen Scheiben vorbeikommen, fast vom Pferde, versetzen dem Papier einen Dolchstich und schwingen sich dann wieder in den Sattel. Bei den fremden Zuschauern erregen diese charakteristischen Leistungen immer die meiste Bewunderung.

Nach Beendigung derselben versammelt der Kaiser die Botschafter um sich und spricht mit jedem einige Worte in der entsprechenden Landessprache, mit Ausnahme des türkischen, den er französisch anredet.

Nach dieser Unterhaltung verläßt der Kaiser das Exercirhaus, und die Wachtparade hat ihr Ende erreicht.

Leon Alexandrowitsch.“ 




Das ehemalige Cistercienserkloster Heisterbach, an welches sich die in unserem heutigen „Album der Poesien“ mitgetheilte Sage knüpft, liegt im Siebengebirge, nahe bei Königswinter in einer Thalmulde, dem sogenannten Heisterbacher Mantel. Das Kloster wurde 1202 bis 1233 erbaut; von der Abtei sind nur die Oekonomiegebäude noch übrig. Die Ruine (Chorabside) der ehemaligen romanischen Kirche, welche wir den Lesern in unserem heutigen Bilde (Seite 239) vorführen, zeigt nur spärliche Reste des ehedem prachtvollen Gotteshauses, die indessen malerisch von bedeutsamstem Eindruck sind.



Kleiner Briefkasten.

J. B. in Deutz. Wir bedauern, von Ihrer freundlichen Offerte keinen Gebrauch machen zu können. Besten Dank!

N. W. Smith in New-York. Derlei Familiennachrichten gehören nicht in den Briefkasten der „Gartenlaube“; geben Sie Ihre Adresse an!

Alte Leserinnen in Colberg. Die von Ihnen Verehrte lebt noch und schafft rüstig weiter.

E. L. in Berlin. Unbrauchbar und deshalb vernichtet.

Alter Abonnent in Frankfurt am Main. Im Jahrg. 1872, S. 667 unserer Zeitschrift finden Sie die bildliche Darstellung und ausführliche Beschreibung Ihres „Lutherringes“.

Abonnent T. in Oppeln. Das betreffende Blatt, ein Ersatz für die „Gartenlaube“ während ihres Verbotes in Preußen, ist 1866 eingegangen, nachdem das Verbot von der Regierung aufgehoben worden.

E. Th. in Wien. Der Name des Autors ist Redactionsgeheimniß.

H. von J. in Tammerfors. Wenn wir Ihnen gefällig sein können, mit dem größten Vergnügen!

Eine niederländische Abonnentin. Sie finden das Gesuchte in Nr. 52 des Jahrgangs 1880.

M. D. in Berlin. Zuerst „Goldelse“.

F. Sch. in Neuhaldensleben. Nein, nur in deutscher Sprache!



Verantwortlicher Redacteur Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1881, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_240.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)