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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

„Nu“, die Sclavinnen „Pi“, und alle Sclaven werden als Familienmitglieder betrachtet. In früheren Zeilen nahmen sie sogar die Familiennamen ihrer Herren an diese Sitte ist aber längst abgekommen. Obgleich Familienmitglieder, werden die Sclaven nicht als Mitglieder des Gemeinwesens anerkannt und infolge dessen können sie z. B. bei Gericht keine Klage anhängig machen. Kurz, sie haben keine Bürgerrechte und sind der Habsucht, dem Hasse und den gemeinen Begierden ihrer Herren ausgesetzt. Es kommt zuweilen vor, daß der Besitzer einer Sclavin diese heirathet, aber die Ehe wird der Sclavin in solchen Fällen nicht von ihrem Herrn, sondern von dessen Gattin angetragen, und es ist nichts Seltenes, daß eine kinderlose Frau ihren Mann auffordert, eine Sclavin zur zweiten Frau zu nehmen. Diese Sitte erinnert an die biblische Episode von Sarah, die Abraham bewog, Hagar zu ehelichen.

Die Hauptbeschäftigung der Sclavinnen besteht in der Bedienung der Frauen und Töchter ihres Herrn. Die chinesischen Sclavinnen sind vortreffliche Kammerzofen und daher in der Kunst des Frisirens und Schminkens sehr geschickt. Hat eine Dame so kleine Füße, daß ihr das Gehen schwer fällt, so läßt sie sich von einer Sclavin auf dem Rücken tragen, und es ist erstaunlich, welch große Entfernungen die Sclavinnen mit solchen Lasten im Schaukeltrab zurücklegen können. Als Kindermädchen sind sie in der Regel sehr sorgsam und liebevoll.

Die Familienhäupter haben ihre Sclaven ebenso vollständig in ihrer Gewalt, wie ihre Kinder, und daher rührt es, daß sie nicht zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie durch übermäßige Mißhandlung den Tod ihrer Sclaven herbeiführen. Im Allgemeinen jedoch werden die Sclaven und Sclavinnen in den besseren Häusern sehr rücksichtsvoll behandelt. Leider läßt sich dies nicht auch von den Sclavinnen sagen, die von ärmeren Leuten rücksichtslos als „Mädchen für Alles“ verwendet werden. Daher suchen namentlich die Sclavinnen nicht selten das Weite. Sofort nach einem solchen Durchbrennen pflegt der um seine Sclaven gekommene Besitzer den Weg der Oeffentlichkeit zur Wiedererlangung seines Eigenthums zu beschreiten, da es nun aber in China außer der amtlichen „Pekinger Zeitung“, genau genommen, keine öffentlichen chinesischen Blätter giebt, bedient man sich zu Bekanntmachungen der Placate. Die das Entweichen eines Sclaven anzeigenden Ausrufe enthalten eine eingehende Schilderung des Aeußeren des Betreffenden und die Angabe der Belohnung, die dem Zustandebringer zugesichert wird. Auch werden oft Ausrufer in den Straßen der Städte umhergesandt, um den Steckbrief und die Höhe der Belohnung schreiend und einen Gongong (beckenartiges Instrument aus Metall) schlagend zur allgemeinen Kenntniß zu bringen.

Der Gongong hängt an einer Stange, die auf den Schultern des Ausrufers und eines Gehülfen ruht. An dem Instrumente flattert eine kleine Papierfahne, auf welcher die Einzelheiten des Falles mit deutlicher Schrift verzeichnet sind. Die Herrinnen entflohener Sclavinnen pflegen ein der Flüchtigen gehöriges Kleid an einen Handmühlstein zu binden und diesen zu drehen, wobei sie den Namen der Sclavin laut nennen. Sollte diese Zauberei, wie begreiflich, nicht zu dem erwünschten Ergebniß führen - das heißt die Flüchtige wiederbringen - so begiebt sich die Herrin in einen Tempel des Gottes Sin-Fung („Anführer der Armee“), fleht um seine Hülfe und bindet an ein Bein des Pferdes, auf dem der Götze reitet, ein Stück Bindfaden, um anzudeuten, daß die Sclavin eingefangen werden möge.

Ein schöner Zug im chinesischen Familienleben ist es, daß in fast allen besseren Häusern die Herren mit ihren Dienern und Sclaven, die Damen mit ihren Dienerinnen und Sclavinnen auf vertrautem Fuße stehen. Das Gesinde ertheilt daher nicht selten Rathschläge und Winke hinsichtlich des Wohles der Familie, und sehr häufig wird es zur Besprechung der wichtigsten Angelegenheiten beigezogen.

L. Katscher.




Man hüte sich vor einer Vergiftung mit verfälschtem Stern-Anis![1] Neuerdings kommt eine Waare in den Handel, die neben den echten Früchten von Illicium anisatum die schädlichen von Illicium religiosum, dem „heiligen Stern-Anis“, enthält.

Der letztgenannte Baum hat seinen Namen vermuthlich daher, weil die Rinde desselben dazu benutzt wird, in den Tempeln Japans Wohlgerüche zu verbreiten. Man füllt die gepulverte Substanz in Röhren, die in Grade eingetheilt sind, und läßt sie darin verglimmen. Nach der Menge, die von der Binde des heiligen Baumes nach und nach verbrennt, wird dann von den Wächtern des Tempels die Zeit bestimmt. Die gefüllten Röhren bilden hiernach eine höchst eigentümliche Uhr. Um das Heiligthum herum aber prangt der Baum als Zierpflanze, und er schmückt auch die Gräber der Heimgegangenen. In Japan ist es schon seit langer Zeit bekannt, daß die Blätter von Illicium religiosum giftig sind, und die Früchte desselben sind früher nicht in den Handel gebracht worden.

Da die Letzteren indessen eine große Aehnlichkeit mit dem echten Stern-Anis haben und zu einem geringeren Preise jetzt angeboten werden, so hat man schließlich der Versuchung nicht widerstehen können, sie als Fälschungsmittel zu benutzen, unbekümmert darum, ob sie dem menschlichen Organismus auch zuträglich find. Die ersten Folgen dieser gewissenlosen Handlung zeigten sich im vorigen Jahre in dem holländischen Orte Leeuwarden, wo Vergiftungen mit einer derartig verfälschten Waare vorkamen. Nun erzählt man, daß augenblicklich ein großer Posten von Früchten des heiligen Stern-Anisbaumes in London lagern soll und zu einem mäßigen Preise in den Handel gebracht werde. Man darf mit Sicherheit annehmen, daß von diesem auch ein Theil nach Deutschland gelangt.

Ich halte es daher für meine Pflicht, das Publicum auf diesen wichtigen Umstand aufmerksam zu machen. Der Stern-Anis findet sowohl als Gewürz wie als Medicament eine vielfältige Anwendung, und es kann daher manches Unheil durch den Verkauf der giftigen Waare entstehen.

In Deutschland hat sich vorzugsweise der bekannte Toxikologe Th. Husemann in Göttingen mit Ermittelungen über die Giftigkeit der Früchte von Illicium religiosum beschäftigt, und hat darüber sowohl im vorigen Jahre, wie auch im Beginn dieses Jahres sehr beachtenswerthe Thatsachen veröffentlicht. Der genannte Gelehrte theilte mir kürzlich mit, daß er in nächster Zeit neue Versuche über die giftige Wirkung der Früchte vom heiligen Stern-Anis anstellen werde, da ihm hinreichendes Material gefälschter Waare zu Gebote stehe.

Tüchtige Pharmakognosten wie die meisten unserer deutschen Apotheker, sind allerdings leicht im Stande, bei einiger Aufmerksamkeit sich vor Ankauf der giftigen Waare zu schützen, anders sieht es dagegen mit manchen Detaildroguisten die nicht Apotheker gewesen sind, und mit den Kaufleuten aus. Von diesen kann man unmöglich die Kenntniß verlangen, die einander sehr ähnlichen Früchte der beiden Illicumarten auf den ersten Blick zu unterscheiden, zumal, wenn der Händler völlig arglos seine Waare, die sich bisher stets als unschuldig erwiesen hat, einkauft.

Daher will ich hier einige Merkmale anführen an welchen auch das größere Publicum die falschen Früchte zu erkennen vermag. Die symmetrisch sternförmig geordneten Fruchtblätter des falschen Stern-Anises, an deren Enden sich ein aufwärts gebogener Schnabel befindet, sind meist weit geöffnet, und man sieht in dem Fruchtgehäuse deutlich die hellbraungelben Samen liegen. Die Fruchtblätter des echten Stern-Anises sind dagegen nur wenig geöffnet oder ganz geschlossen, und die Samen desselben haben eine kastanienbraune Farbe.

Findet man nun solche verdächtige Früchte in der eingekauften Waare, so kann man sich noch durch den folgenden Versuch die Gewißheit verschaffen, daß man es mit giftigem Stern-Anis zu thun hat. Man stoßt das Fruchtgehäuse in einem Mörser zu Pulver und prüft den Geruch. Der unechte Stern-Anis läßt nämlich in diesem Zustande einen deutlichen Geruch nach Kampher und Terpentin erkennen, während der echte den bekannten süß aromatischen besitzt. Der Geschmack des ersteren ist außerdem anfangs scharf und dann bitter. Von weiteren Unterscheidungsmerkmalen will ich hier nicht reden, da ich nur die Absicht hatte, den Consumenten ein Mittel an die Hand zu geben, sich vor einer etwaigen Vergiftung zu schützen.

Dr. Julius Erdmann.




Die Gerte unterm Spiegel. Dramatische Scene zu Abbildung „Reflexionen“ (Seite 201). Fritz spricht zu Caro. „Weißt Du, Caro, warum diese Gerte unter dem Spiegel liegt? Du weißt es gewiß; denn warum ziehst Du den Schwanz so ein und winselst schon? Siehst Du, Caro, so geht’s, wenn man nicht artig ist. Es war so schön, wie ich Ella’s neue Puppe auf Dir reiten ließ, aber weil Du plötzlich nach der Fliege schnapptest und den Sprung machtest, da fiel die arme Puppe herab – und nun liegt sie da und hat den Hals gebrochen. Und ich habe sie ja gar nicht anrühren sollen. Ach, Caro, wie wird es uns ergehen! Komm, Caro, wir wollen die Gerte liegen lassen – wir kriegen sie ja doch!“ (Beide betrübt ab.)




Kleiner Briefkasten.

L. v. M. in Kairo. Das nächste Quartal (Nr. 14) werden wir mit einer gehaltvollen Erzählung unseres allbeliebten Levin Schücking eröffnen. Hermann Lingg’s Novelle – die erste Prosa-Erzählung, die der berühmte Dichter überhaupt veröffentlicht – wird dann bald nachfolgen.

Ein Sammler. Die Liszt-Medaille (vergleiche „ Gartenlaube“ Nr. 7) ist in Bronze, Silber und Gold zu civilen Preisen käuflich und vorläufig beim Medailleur selbst: Signore Herm. Wittig, scultore, Roma Palazzo Venezia (Italien) zu haben.

B. A. in Augsburg. Von den Söhnen des vor einigen Monaten verstorbenen thüringischen Dichters Ludwig Storch hat nur einer den Vater überlebt, der Ingenieur Ernst Storch in Orsowa an der rumänischen Grenze.

Dr. Sch. in H. Sie haben Recht! Das architektonische Motiv zu dem vorzüglichen Bilde von Ed. Schulz-Briesen. (Nr. 5 unseres Blattes) ist dem Hofe des Rathhauses zu Rothenburg ob der Tauber entnommen. Den Lesern der „Gartenlaube“ haben wir bereits im Jahrg. 1868, Nr. 47 diese interessante und besuchenswerthe Stadt in dem reich illustrirten Artikel „Ein Kleinod aus deutscher Vergangenheit“ vorgeführt.



Nicht zu übersehen!

Mit nächster Nummer schließt das erste Quartal dieses Jahrgangs. Wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das zweite Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.


Die Postabonnenten machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen General-Postamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahres aufgegeben werden, sich pro Quartal um 10 Pfennig erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle 1 Mark 70 Pfennig statt 1 Mark 60 Pfennig). Auch wird bei derartigen verspäteten Bestellungen die Nachlieferung der bereits erschienenen Nummern eine unsichere.

Die Verlagshandlung.
  1. Um Nachdruck wird gebeten.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_204.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)