Seite:Die Gartenlaube (1881) 152.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)


„Mutter, sprich, wo ist der Vater blieben?“
„Weit von uns er weilet, drüben
Ueber’m Strome, mein geliebtes Kind.“
„Sage, Mutter, kommt er nicht herüber?“
„Liebes Herz, wir ziehen bald hinüber,
Wenn wir erst zur Reise fertig sind.“

Auch Berlin sollte indessen nicht der dauernde Wohnsitz von Clausewitz werden, denn im August 1830 wurde er zum Artillerie- Inspecteur in Breslau ernannt und siedelte dahin mit seiner Frau über. Als bald darauf durch die polnische Revolution die Aufstellung eines Observationscorps nöthig wurde, ward Gneisenau zum Oberbefehlshaber der vier mobilen Armeecorps berufen und wählte Clausewitz zum Chef seines Generalstabes, und so waren die beiden ausgezeichneten Männer, welche sich so völlig verstanden, wiederum zu gleicher Wirksamkeit vereint.

Nachdem Paskiewitsch Warschau erstürmt und die Revolution niedergeschlagen hatte, war die Mission des Observationscorps beendet, und Clausewitz kehrte zurück nach Breslau – jedoch in tiefster Seele leidend, denn am 24. August 1831 war Gneisenau zu Posen an der Cholera gestorben. Am 23. August hatte Clausewitz der Gattin geschrieben. „Der Feldmarschall ist lebensgefährlich krank – ich bedarf aller Fassung, um Dir diese Zeilen zu schreiben.“ Wenige Stunden später, als jede Hoffnung auf Erhaltung des edlen Mannes geschwunden war, fügte er hinzu. „Ich bin wohl und suche Halt zu finden in dem Gedanken und Gefühle an mein theures, geliebtes Weib.“

Nur wenige Tage war Clausewitz in Breslau, als auch er an der Cholera erkrankte und nach kurzem Todeskampfe verschied (16. November). Die Aerzte erklärten, sein Tod sei mehr eine Folge des durch tiefen Seelenschmerz erschütterten Zustandes seiner Nerven gewesen, als der Krankheit, von welcher er einen verhältnißmäßig leichten Anfall gehabt.

Sobald Frau von Clausewitz ihren Schmerz um den unersetzlichen Verlust soweit überwunden hatte, daß sie anhaltenden Beschäftigungen sich widmen konnte, ging sie an die Herausgabe der Werke ihres Gatten. Graf Karl von der Gröben und Major O'Etzel standen ihr dabei zur Seite. Am 30. Juni 1832 schrieb sie im Marmorpalais zu Potsdam – wohin sie als Gouvernante des Prinzen Friedrich Wilhelm, des jetzigen Kronprinzen, berufen war – eine Vorrede zu dem damals erscheinenden berühmten Clausewitz’schen Werke „Vom Kriege“, und später war es ihr vergönnt, acht Bände der hinterlassenen Werke ihres Gatten zu veröffentlichen – sie durfte sich der allgemeinen Anerkennung und Bewunderung, welche dieselben erregten, aus voller Seele erfreuen Im Jahre 1835 begann ihre Gesundheit zu schwanken, und am 28 Januar 1836 erlag sie einem heftigen Nervenfieber. Auf dem alten Militärkirchhofe zu Breslau ruht sie neben dem geliebten Gatten.

Die beiden letzten Bände der nachgelassenen Werke von Clausewitz wurden von dem Grafen Karl von der Gröben herausgegeben, und berufene Fachmänner erklärten namentlich das Werk „Vom Kriege“ als epochemachend in der Kriegswissenschaft.

„Clausewitz erlebte nicht die späte Erfüllung alles dessen, was er und seine Freunde von der Zeit der Fremdherrschaft an vorbereitet hatten,“ so schloß Oberst von Meerheimb seinen in der militärischen Gesellschaft zu Berlin am 23. October 1874 gehaltenen Vortrag über Clausewitz. „Ebenso hatten Heer und Volk in weiteren Kreisen erst lange nach seinem Tode, in Folge der späten Wirkung seiner Schriften, die Größe seines Wesens erkannt – heute wird die höhere wissenschaftliche Anschauung im deutschen Heere durch ihn bestimmt, die Feldzüge von 1866 und 1870 bis 1871 sind in seinem Sinne gedacht und geführt worden.“




Blätter und Blüthen.

Frauenwirken in den Gefängnissen. Das aufopfernde und segensreiche Wirken ausgezeichneter Engländerinnen in den Gefängnissen ihres Landes, namentlich Londons, ist allbekannt. Nach den aus diesem Wirten gewonnenen Erfahrungen schlug 1872 bei Gelegenheit des Gefängniß- Congresses in London der Gouverneur des West-Hiding-Gefängnisses in Wakefield vor, diesen wohlthätigen Einfluß der Frauen dauernd zu gewinnen. Es ward bald darnach öffentlich aufgefordert, daß gebildete Frauen die gesonnen wären, diesen schweren und einflußreichen Beruf zu ergreifen sich melden möchten, um sich einige Zeit durch Aufenthalt in den Gefängnissen daraus vorzubereiten. Seitdem sind überall für die Frauenabtheilungen je eine Oberaufseherin und zwei bis drei Wärterinnen angestellt worden. Ueberall zeigte sich der gute sittlichende Einfluß, als die gefangenen Frauen nicht mehr genöthigt waren, nur von Männern beaufsichtigt und beobachtet zu werden, wobei naturgemäß oft noch der letzte Rest von Scham, der den gesunkenen Frauen übrig geblieben, verloren gehen mußte. Die Aufseherin, die einen milden, mitleidigen und Vertrauen erweckenden Ton anschlug, wußte meistens wohltuend, im Guten und Nützlichen fördernd für die Haftzeit, wie für das ganze Leben zu wirken.

In Deutschland, zunächst in Sachsen, folgte man bald diesem Beispiele. Es wurden in den Gefängnißhäusern ebenfalls Frauen als Aufseherinnen und Handarbeitslehrerinnen für die weiblichen Abtheilungen angestellt. Auch hier war der Erfolg ein sehr guter, es fanden sich viele zur Uebernahme dieser schweren Stellung bereit, die, entsprechend den deutschen Verhältnissen, bevor diese Aufforderung an sie erging, nicht gewagt hatten, sich in einen solchen Wirkungskreis einzudrängen, da man das, was man in England bei der Lady als einen Zug weiblicher Milde und Großherzigkeit hochachtete, der deutschen Frau als Unweiblichkeit anrechnete.

Man ist aber in Betracht der durch den weiblichen Einfluß erzielten guten Erfolge noch einen Schritt weiter gegangen und hat z. B. in Sachsen schon vom 1. December 1877 an nicht nur in den Straf- und Correctionshäusern, sondern auch in den Arresthäusern Frauen angestellt.

Gerade in den Arresthäusern ist es von Wichtigkeit, daß die vielleicht zum ersten Male „eingebrachten“ Delinquenten von Frauen und Mädchen, nicht nur von Männern beaufsichtigt werden. Zuweilen sind unter Jenen doch Solche, die ein geringes Vergehen gegen das Eigenthum aus momentanem Leichtsinn, aus unüberlegten, auf Veranlagung Anderer oder um Anderer willen, aus Liebe oder Noth, oft auch in trauriger Begriffsverwirrung aus beiden Motiven zugleich begingen, solche beklagenswerthe Geschöpfe werden zu einer gebildeten Frau Vertrauen fassen und ihr Herz ihren Ermahnungen öffnen, ihr Vergehen einsehen und gestehen.

Schon sind uns sehr erfreuliche Resultate dieser neuen Einrichtung bekannt. Aber um sie überall zu erzielen ist es höchst wünschenswerth, daß sich gebildete, von der Höhe ihrer Aufgabe durchdrungene Frauen zur Uebernahme solcher Posten entschließen, die ihnen ja auch außerdem die Mittel zum Lebensunterhalt und für die Jahre des Alters und der Krankheit Pension gleich andern Staatsdienern gewähren - zwei Ziele. nach denen ja so viele alleinstehende gebildete Frauen vergeblich streben.

In Sachsen haben Frauen, die solche Anstellungen wünschen, sich an das Ministerium des Innern, wenn sie an Strafanstalten, und an das der Justiz, wenn sie an Arresthäusern angestellt werden wollen, zu wenden. Sie haben dann eine Vorbereitungszeit zu bestehen von ein paar Monaten, während der sie eine tägliche Vergütung von zwei Mark erhalten. In ersteren Anstalten bekommt dann eine Aufseherin meist 900 Mark, eine Oberaufseherin 1800 Mark Jahresgehalt mit freier Station. In den Arresthäusern fällt letztere meist weg, dann ist der Monatsgehalt 50 bis 100 Mark. Pensionsberechtigung tritt nach zehnjähriger Dienstzeit ein.

Aber nicht nur für die gefangenen, auch für die aus den Gefängnissen entlassenen Mädchen ist weibliche Fürsorge nötig, denn es wird solchen noch viel schwerer in der bürgerlichen Gesellschaft Erwerbsstellungen zu finden, die sie vor Rückfällen und Versuchungen schützen, als den männlichen entlassenen Sträflingen. Man bereitet darum jetzt in Berlin die Gründung einer „Haus- und landwirtschaftlichen Industrieschule für aus dem Gefängniß entlassene minorenne Mädchen“ vor. Die Kaiserin und die Spitzen der betreffenden Behörden in Berlin sind für diesen Zweck gewonnen worden, und dem Unternehmen gingen bereits namhafte Geldbeträge zu. Man will mit der verwahrlosen Jugend beginnen wo es am ehesten möglich ist rettenden Einfluß zu gewinnen, indem man die Mädchen lehrt, wie sie sich selbst ihr Brod verdienen können, und ihnen dann Gelegenheit zu passenden Stellungen verschafft. Auch hierbei wird den Frauen obliegen, an ihren hilfsbedürftigen Schwestern das Meiste und Beste zu thun,

Louise Otto.






„Geck, los Geck elan!“ („Geck, laß den Geck vorbei!“) (Mit Abbildung S. 149.) Ein Blick in das Kölner Carnevalstreiben frei und frisch, wie das Narrenfest dort noch immer sich erhalten hat! – Es geschieht dem alten Herrn mit der langen Hauspfeife ganz recht, daß er von einem flotten Straßenbesuch überrascht wird. Warum lachten seine beiden Damen auch so fröhlich zum Fenster hinaus auf den unten wogenden Narrenzug? Ein Trüpplein der lustigen Leute befolgte sofort Goethe’s Faust-Spruch: „Das ewig Weibliche zieht uns hinan,“ und da sind sie, bunt und keck, wie es das Fest gebietet.

Edle Sitte weiß auch der Handwerksbursche zu ehren: wie er da vor uns steht mit dem urwüchsigen Wanderstab, dem Wachstuchhut und Tabaksbeutel aus der guten alten Wanderschaftszeit, galant den Strauß in der Hand und der Schönheit huldigend, während der Hanswurst mit dem Weinglas ein Hoch ausbringt, das sein Hintermann, auf der Kohlenschaufel schmetternd, begleitet! Wie aber der flügelfrackgeschmückte Herr im Vordergrunde mit dem Handkuß, an dessen Ausführung ihn seine stattliche Nase hindert, fertig werden will, müssen wir ihm überlassen, einstweilen lachen wir so herzlich, wie die von ihm verehrte ältere Dame – und freuen uns insgemein, daß dem guten alten deutschen Humor wenigstens am Rhein noch eine glückliche öffentliche Heimstätte vergönnt ist.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_152.jpg&oldid=- (Version vom 5.3.2022)