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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Clausewitz benutzte die unfreiwillige Muße, welche sein Aufenthalt in Frankreich ihm gewährte, um einige militärische Aufsätze zu schreiben, die von dem tiefblickenden Geiste des Verfassers Zeugniß gaben. Seine Briefe an die Geliebte athmen das volle Glück, welches die Verbindung mit ihr ihm gegeben, aber in jedem derselben ist auch der Gedanke an das bedrängte Vaterland, der heiße Wunsch, für dasselbe zu kämpfen, ja selbst unterzugehen, ausgesprochen.

Was seine äußere Lage und seine künftige Verwendung im Militärdienste betrifft, so schreibt Clausewitz darüber an die Geliebte: „Woran ich zuweilen mit Vergnügen denke, ist, daß Scharnhorst in der Folge Kriegsminister werden wird; alsdann glaube ich gewiß zu sein, daß er mich zu sich nehmen und mir einen bedeutenden Wirkungskreis verschaffen wird. Denn so viel ich ihn kenne, traut er mir eine Art Talent zu, die dem seinigen zum Supplemente dienen könnte; er glaubt, daß ich Sprache und Darstellungsgabe besitze, die ihm fehlen und in großen Verhältnissen gebraucht werden. Ich habe in dem Briefe an ihn von allem diesem gar nichts erwähnen mögen und meinen Wunsch so leise als möglich berührt; denn da ich seine Lage und Stimmung gar nicht kenne, so könnte es ihm leicht eitel und egoistisch vorkommen, wenn ich ihm viel von meinem Schicksale sprechen wollte in einem Augenblicke, da vielleicht das Schicksal der Nation seine edle Seele ganz erfüllt.“

Clausewitz hatte Recht: das Schicksal der Nation erfüllte ganz die Seele Scharnhorst’s. Er schrieb dem jüngeren Freunde am 27. November 1807 einen Brief, der ein helles, schönes Licht auf das Verhältniß und die Seelenharmonie der beiden Männer wirft. Es heißt in demselben:

„So empfangen Sie denn nun hier meinen innigsten und herzlichsten Dank für die Liebe, Freundschaft und Güte, die Sie mir durch Ihre Briefe erzeigt haben! Ihre Urtheile sind die meinigen, oder werden es durch Ihre Briefe; Ihre Ansichten geben mir Muth, die meinigen nicht zu verleugnen; nichts könnte mich jetzt glücklicher machen, als mit Ihnen an einem Orte zu sein. Aber recht traurig würden wir dennoch sein, denn unglücklich, ganz unbeschreiblich unglücklich sind wir. –

Wäre es möglich, nach einer Reihe von Drangsalen, nach Leiden ohne Grenzen, aus den Ruinen sich wieder zu erheben, wer würde nicht gern Alles daran setzen, um den Samen einer neuen Frucht zu pflegen, und wer würde nicht gern sterben, wenn er hoffen könnte, daß er mit neuer Kraft und Leben hervorginge! – Aber nur auf Einem Wege, mein lieber Clausewitz, ist dies möglich. Man muß der Nation das Gefühl der Selbstständigkeit einflößen; man muß ihr Gelegenheit geben, daß sie mit sich selbst bekannt wird, daß sie sich ihrer selbst annimmt; nur erst dann wird sie sich selbst achten und von Andern Achtung zu erzwingen wissen. Darauf hinzuarbeiten, dies ist Alles, was wir können. Die Bande des Vorurtheils lösen, die Wiedergeburt leiten, pflegen und so in ihrem freien Wachsthume nicht hemmen, weiter reicht unser hoher Wirkungskreis nicht. So sehe ich die Sache, so sehe ich unsere Lage an.“

Im November 1807 kehrte Clausewitz nach Berlin zurück, verließ es jedoch schon im April 1808, um dem Prinzen August nach Königsberg zu folgen. Jetzt war der eine seiner Wünsche erfüllt: er befand sich mit Scharnhorst an einem Orte, und dieser weihete ihn in alle seine Pläne ein.

Clausewitz wurde nun seiner dienstlichen Stellung als Adjutant des Prinzen August enthoben, und am 23. Februar 1809 erschien die Cabinetsordre, welche ihn zur Arbeit beim Kriegsministerium, das ist zur Disposition des Generals von Scharnhorst berief. Zugleich wurde er zum wirklichen Capitain ernannt.

An dem Kriege Oesterreichs gegen Frankreich hätte er, den es, wie alle Patrioten, zum Bruch mit Frankreich drängte, gern Theil genommen, und er trug sich kurze Zeit mit dem Gedanken, in österreichische Dienste zu treten. Seine feurige Seele dürstete nach Thaten des Ruhmes und der Ehre – aber er blieb Preußen und Gneisenau getreu, der nun der Dritte im Bunde wurde.

In stetem Verkehre mit dem ritterlichen Gneisenau und all den trefflichen Männern, welche an der Wiedergeburt Preußens arbeiteten, verging ihm der Aufenthalt in Königsberg, bis gegen Ende 1809 der Hof nach Berlin zurückkehrte. Clausewitz wurde zum Major befördert, in den Generalstab versetzt und erhielt das Amt eines Lehrers an der Kriegsschule. Auch ward er dazu ausersehen, dem Kronprinzen (später Friedrich Wilhelm dem Vierten) Vortrage über Kriegswissenschaft zu halten.

Die Liebenden befanden sich nun in der glücklichen Lage, an eine öffentliche Verlobung und eine eheliche Verbindung denken zu können. Im Juni 1810 theilt Clausewitz seine Verlobung Gneisenau mit und sagt über seine Braut: „Ueber meine Wahl brauche ich mich nicht zu rechtfertigen; denn meine künftige Frau ist sehr viel mehr und sehr viel besser als ich.“

Am 17. December 1810 fand die eheliche Verbindung von Clausewitz und der Gräfin Marie von Brühl in der Marienkirche zu Berlin durch den Consistorialrath Ribbeck statt, der gleich Schleiermacher, Fichte und anderen edel gesinnten Männern zu dem patriotischen Kreise gehörte, der in naher Beziehung zu Clausewitz stand. Gneisenau schrieb an seine Gattin, nachdem er Frau von Clausewitz kennen gelernt: „Mit dem cultivirtesten Geiste verbindet sie die größte Herzensgüte und die angenehmsten, feinsten Formen des Umgangs. Sie ist hier in Berlin eine von unseren Musenfrauen.“

Clausewitz lebte jetzt in so glücklichen häuslichen und amtlichen Verhältnissen, daß ihm kaum ein Wunsch übrig bleiben konnte. Nur die traurige Lage des Vaterlandes lastete auf seiner Seele, doch gaben er und die Freunde nicht die Hoffnung auf, es endlich von dem Drucke der Fremdherrschaft befreit zu sehen. Im August 1811 verweilte er zum Curgebrauche im Bade Cudowa; selbst hier gab der unermüdlich thätige Mann seine Arbeiten für das Wohl des Vaterlandes nicht auf. Er machte Terrainstudien, entwarf einen Vertheidigungsplan für Schlesien und übersandte ihn Gneisenau. Dieser müßte – das war seine Ansicht – bei einem Kriege mit Frankreich das preußische Heer in Schlesien führen, eine Aufgabe, welcher er allein gewachsen sei.

Als im Jahre 1812 der Bundesvertrag zwischen Preußen und Frankreich abgeschlossen wurde, nahm Clausewitz mit zahlreichen Freunden seinen Abschied, da es ihm unmöglich war, für Frankreich zu kämpfen. Er trat in russische Dienste, und Gneisenau empfahl ihn dem Kaiser Alexander mit den Worten: „Herr von Clausewitz, einer der besten Köpfe und voll tiefer Kenntnisse in der Kriegskunst.“

Clausewitz wurde in Rußland nicht zu hervorragenden Aufgaben verwendet, wohl aber gelang es ihm, am Ende des Jahres seinem Vaterlande Preußen einen großen Dienst zu leisten, indem er – von Diebitsch an York gesendet – diesen zu der Convention von Tauroggen zu bewegen wußte. Von Tauroggen, wo er seine Brüder „wohl an Seele und Leib“ gesehen, schreibt er beglückt an seine Frau.

Diese aber feierte den Schluß des Jahres, indem sie einen Aufsatz über ihr Verhältniß zu ihrem Gatten verfaßte, der sich dem Schönsten anreiht, das über einen Herzensbund gesagt werden kann.

„Wie glücklich ist es doch,“ heißt es da, „im Gegenstände seiner höchsten Liebe auch den seiner höchsten Achtung zu finden und ebenso sehr durch den Verstand zur Bewunderung als durch das Herz zur Liebe hingerissen zu werden! – - Um das Höchste zu erreichen, muß nach meiner Meinung die Frau nicht weniger reif und gebildet sein als der Mann; sie muß so weit gekommen sein, als sie allein kommen kann; es muß ihr nur das fehlen, was sie allein durch den Mann erhalten kann; dann wird sie bald, auch bei der vollkommensten Freiheit und Gleichheit und ohne daß einer von beiden Theilen die Absicht habe, den andern nach sich zu bilden oder ihm ähnlich zu werden, den Einfluß empfinden, den der Mann durch das bloße Zusammenleben auf sie hat, und je freier und absichtsloser dieser Einfluß ist, desto lieber wird sie ihn anerkennen und sich ihm hingeben, – – Ich bin täglich und stündlich von dem durchdrungen, was ich Clausewitz schuldig bin, und glaube, daß jede Frau, die das Glück hätte, einen solchen Mann zu haben, das Nämliche empfinden müßte. Wie Vieles, was sonst dunkel und verworren in mir war, hat er in Klarheit verwandelt, wie viele Mißtöne in Harmonie aufgelöst! Ja, es ist nicht zu viel gesagt, es ist buchstäblich wahr, daß ich durch ihn erst wirklich lebe. Denn wie wenige Augenblicke meines vorigen Lebens verdienten den Namen eines solchen! Ein Mann von weniger Verstand hätte ebenso wenig auf mich gewirkt als einer, der Verstand gehabt hätte und kein so schönes, zartes Gemüth; gerade diese seltene Vereinigung, die

ich in ihm bewundere, gehörte zu meinem Glück. Aber wie

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