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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)


für den Canalbau erwärmen. Aber es wird Pflicht unseres Kaufmannsstandes sein, die alten Posten zu erhalten und neue rechtzeitig aufzustellen, ehe der gesammte Panamahandel in die Hände anderer Nationen übergeht. Auch Spanien, das außer England und Portugal mit Südamerika verkehrt, wird den Amerikanern nicht Canäle bauen helfen, da es sich selbst nicht helfen kann, und die Staaten Centralamerikas sind finanziell zu zerrüttet, als daß sie an materielle Förderung denken könnten.

Unter diesen Umständen agitirt Herr Lesseps in Europa und in Amerika für die Beschaffung des erforderlichen Capitals, was ihm auch glücklich gelungen, weil die in Paris aufgelegte Zeichnung von 590,000 Actien à 500 Franken um 200,000 Actien überzeichnet ist. Die Unternehmer Couvreux und Hersent verlangen für Herstellung 512 Millionen Franken, während die Baukosten vom internationalen geographischen Congreß in Paris (1879) auf 1070 Millionen berechnet wurden. Der Canalbau ist auf sieben Jahre veranschlagt, und soll das Werk im Jahre 1887 vollendet sein. Der technische und politische Theil des Unternehmens scheint im Großen und Ganzen ziemlich festgestellt zu sein; die Verhandlungen sind im Flusse; die Zeichnungslisten für die Panama-Actien liegen auch in Deutschland aus. Es sind auch bereits achtundvierzig französische Ingenieure aus Paris zur Aufnahme der Arbeit nach Panama abgegangen, und der Panamacanal soll der neueste Wunderbau des Weltverkehrs werden!

Und trotz alledem, trotz dem so entschiedenen und zuversichtlichen Vorgehen Lesseps’ beschäftigen doch noch mehrere Concurrenzpläne die volle Aufmerksamkeit der Fachmänner wie der Geldmänner Nordamerikas. So hält bekanntlich der berühmte amerikanische Ingenieur Eads eine Schiffseisenbahn für leichter ausführbar, als einen Canal. Er will nichts Geringeres, als eine Eisenbahn bauen, auf der die größten Seeschiffe über den ganzen Isthmus von Locomotiven gezogen werden sollen und welche er mit dem vierten Theile des Zeit- und Kostenaufwandes herstellen will, den die Anlage eines schiffbaren Canals nach dem Plane Lesseps’ erfordert. – Wie dem aber auch sei und welche Projecte sonst noch geplant werden mögen, hier genügt es, auf das gigantische Unternehmen als ein charakteristisches Werk unseres Jahrhunderts hingewiesen zu haben.






Vernünftige Gedanken einer Hausmutter.
Von C. Michael.
13. Wie und wo soll man sparen?

„Mein liebes Kind, wir werden uns etwas einschränken müssen.“ Wie viele Hausväter haben wohl im Verlauf der letzten Jahre diesen Satz in den verschiedensten Variationen zu ihren Frauen gesprochen! Alles will sich „einschränken“; die ganze Welt findet es plötzlich nothwendig zu „sparen“.

Der Finanzminister stellt diese Nothwendigkeit seinem Herrscher vor, der Güterdirector seinem fürstlichen Chef; regierende Fürsten geben ihre Hoftheater auf; vornehme Herrschaften verkaufen ihre reizenden Landsitze, um zu sparen, und englische Lords gehen zu demselben Zweck nach dem Continent „auf Reisen“; hier entläßt man einen zweiten Diener und dort das einzige „Mädchen für Alles“; nur zwei große Diners, statt der üblichen fünf, will der Minister in diesem Monate geben, und die Bürgersfrau streicht, in gleicher Absicht, ihren Kindern die Butter etwas dünner auf’s Brod – sie Alle, Hoch und Niedrig, Vornehm und Gering, versuchen zu sparen. Man sollte meinen, wenn das so fort ginge, müßte die Welt binnen Kurzem unermeßlich reich werden.

Die feuerfesten Schränke müssen ja bersten von dem aufgespeicherten Reichthum, und die Sparbanken werden bald überfüllt sein. Dem ist leider aber nicht so. Bei all der Sparsamkeit nimmt die Zahl der Armen nur zu, und das aus dem einfachen Grunde, weil die Mehrzahl der Sparenden den „Versuch“ falsch angreift oder nur kurze Zeit mit Energie durchführt.

„Wie und wo soll man sparen?“

Die Beantwortung dieser Frage hat schon viel Thränen und schlaflose Nächte gekostet. Wir wollen es heute einmal versuchen, der schwierigen Lösung derselben um einen kleinen Schritt näher zu kommen; denn auch wir haben über diese Frage gewacht und geweint, gesorgt und gegrübelt. Die „obersten Zehntausend“ unserer Sparenden lassen wir vorläufig aus dem Spiel; es gelüstet uns nicht, uns mit Finanzoperationen und Nationalökonomie zu befassen. Wie immer, wollen wir uns nur streng auf unser eigenes Reich, auf das Reich der Hausmutter, beschränken.

Dieser vielgeplagten Hausmutter also hat ihr Gatte gesagt: „Wir müssen uns einschränken,“ und gehorsam seinem Wunsche, nimmt sie am folgenden Morgen nur die Hälfte der gewohnten Bohnenquantität zum Kaffee oder bringt, an Stelle des erwarteten Bratens, zu Mittag eine Milchspeise auf den Tisch.

„Nein Kind,“ ruft da der Hausherr entrüstet, „ein ordentliches Stück Fleisch muß ich haben. Am Essen darfst Du mir nicht mit dem Sparen anfangen, schon um der Kinder willen nicht, die bei ihrem raschen Wachsthum gut genährt werden müssen.“

„Ich werde lieber versuchen, in der Garderobe zu sparen,“ denkt die Frau und kämpft heroisch den längst gehegten Wunsch nach einem neuen Mantel nieder.

Man wird ausgebeten. Der Mann, in tadellosem Salonanzug, tritt in die Wohnstube und meldet sich bereit zum Aufbruch. Die Frau greift nach Hut und Mantel.

„Ist denn Dein neuer Mantel noch nicht fertig?“ fragt ärgerlich der Gatte.

„Aber – der Mantel ist wirklich noch recht gut, und – ich wollte sparen,“ stammelt die Frau.

„In der Kleidung darfst Du es nicht,“ lautet die energische Antwort, „was müßte man denn von uns denken, wenn Du in diesem abgetragenen, unmodernen Mantel zu einer Hochzeit kämst!“

Die Folge des verunglückten Sparversuches ist, daß man – statt zu Fuß zu gehen – an der nächsten Ecke einen Wagen nimmt und im ersten besten Magazin eiligst einen theuren Mantel kauft, der nicht einmal dem Geschmacke der Käufer entspricht. – Und wie viele „Loth Kaffee“ konnte man mehr verbrauchen für die überflüssig bezahlte Droschke!

Unsere Hausmutter ist eine der guten, geduldigen Frauen, die nicht raisonniren. Sie sagt kein Wort; sie rechnet sich blos ganz heimlich das Exempel aus. Mit einem Vorschlage, den Musikunterricht der Töchter zu streichen, die Knaben in die Bürgerschule zu schicken, statt auf das theure Gymnasium, kommt sie aber auch nicht besser an.

„An Allem gespart, nur nicht am Unterricht!“ erwidert der Gatte, „das ist ja ohnedem das Einzige, was wir unseren Kindern mitgeben können, ihr bestes Capital für’s ganze Leben.“

Sie will das Dienstmädchen entlassen, aber: „Das fehlte noch,“ heißt es da. „Bist Du nicht geplagt genug?“

So geht es fort und fort, und doch muß sie dabei alle Tage wieder das alte Lied hören: „Wir müssen uns einschränken.“

Ist das nicht zum Verzweifeln? Nein, mein armes Hausmütterchen, es ist nicht zum Verzweifeln; denn merkwürdiger Weise findet sich gerade in dem Widerspruche, der Dich so tief niedergeschmettert, zugleich die einzig richtige Lösung der Aufgabe.

Man darf nicht nach einer Richtung hin sparen wollen, sondern man muß es nach allen Seiten hin thun, nach jeder aber so wenig, daß es nur im Allgemeinen, nicht im Besonderen fühlbar wird. Um bei dem ersten Bespiele stehen zu bleiben, so mußte unsere Hausfrau nicht gleich die Hälfte des Kaffees weniger nehmen, auch nicht das Fleisch ganz fortlassen. Nur etwas knapperes Maß des ersteren und etwas kleinere Portion des letzteren! Das wäre kaum bemerkt worden. Täglich ein halbes Pfund Fleisch weniger macht im Jahre 120 bis 130 Mark aus. Der neue Mantel konnnte davon gekauft werden, und ein Hut noch obendrein, wenn die Ansprüche nicht allzu hoch waren.

Also, ein klein Bischen sparen an allem, wo es sich ohne Schaden thun läßt – das ist schon eine bedeutende Hülfe, eine noch viel größere aber ist es: nichts Ueberflüssiges anschaffen, das Nöthige zur richtigen Zeit und an den richtigsten Bezugsquellen entnehmen, und drittens: peinlich darauf halten, daß nichts verdirbt oder verloren geht. Durch diese drei Mittel kann man viel, viel mehr sparen, als durch größere Einschränkung nach einer Seite hin.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_146.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)