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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

genauer man die Sache prüfte, desto geringer wurde auch die Zahl der Projekte, welche Aussicht auf Erfolg hatten, und nunmehr ist nur noch die Frage: Nicaragua oder Panamacanal? Für jeden einzelnen agitiren die Vereinigten Staaten, England und Frankreich aus verschiedenen Sonderinteressen.

Ein Blick auf das nachstehende Kartenbildchen, auf welchem die Dampferlinien um das Cap Horn in vollen, die nach dem Durchstich der Landenge von Panama dagegen voraussichtlich einzuschlagenden Routen über den interoceanischen Canal mit punktirten Linien angegeben sind, giebt eine Vergleichung der Wegelängen um das Cap Horn und durch den Panamacanal und eine augenfällige Anschauung von den verheißenen Vortheilen des projectirten gigantischen Werkes. Der Weg von den europäischen und ostamerikanischen Häfen nach den Häfen an der Westküste von Mexico und Columbien, sowie theilweise nach Australien und Ostasien wird um die Hälfte oder gar um nahezu zwei Drittel abgekürzt. Während z. B. jetzt die Entfernung von Cap Lizard, am westlichen Ausgange des englischen Canals, welches im Allgemeinen als Anfangs- und Endpunkt für oceanische Fahrten der deutschen, holländischen und englischen Schiffe angesehen wird, nach San Francisco um das Cap Horn etwa 15,000 Seemeilen beträgt, wird nach der Eröffnung des Canals San Francisco von Lizard nur 7800 Seemeilen entfernt sein.

Die Handelswege und der Panama-Canal.

Am wichtigsten sind allerdings für uns die Entfernungen von den deutschen Häfen, die wir auf der Karte nicht angedeutet haben, um die Dampferlinien nicht zu verwischen. Wir bemerken aber dabei, daß zwischen Bremen und Hamburg einerseits und London andererseits in Bezug auf die Entfernungen im Panamacanalverkehr kein nennenswerther Unterschied besteht.

Während bis jetzt die Reisedauer von Hamburg aus um das Cap Horn oder durch die Magellansstraße nach San Francisco, je nach der Schnelligkeit der Dampfer, 50 bis 60 Tage beträgt, wird sie nunmehr durch den Panamacanal auf 20 bis 22 Tage abgekürzt werden.

Die Vereinigten Staaten sind bei dem Riesenwerke zunächst und am meisten interessirt, da es in erster Linie der Westküste Amerikas, namentlich Californien zu Gute kommen würde, an zweiter Stelle der Inselwelt des Stillen Meeres und dem Festland von Australien. Californien ist gegenwärtig kein Goldland mehr, sondern ein Kornland, aber zur vollen Entwickelung und Verwerthung seines Bodenreichthums fehlt ihm die Verbindung mit dem Außenlande. In reichen Jahren muß der Farmer sein Vieh mit Weizen füttern, weil er für denselben keinen Absatz hat. Die Länder im Osten der Pacificbahn sind selber an Körnerfrüchten überreich; der weite Umweg um das Cap Horn, obwohl auf ihm schon jetzt Ladungen nach Europa gehen, vertheuert dagegen die Erzeugnisse der Westküste unverhältnismäßig gegenüber der billigen Fracht der Prairiestaaten, welchen bequeme Wasserstraßen und billige Eisenbahnwege nach der östlichen Hälfte zu Gebote stehen. Nur die Eröffnung eines Conciles von Meer zu Meer kann Californien die Mittel gewähren, seinen Reichthum bestens zu verwerthen.

Aber auch der atlantischen Küste des Landes wird für die Manufakturen der gewerbreichen östlichen Staaten ein Gebiet erschlossen, von welchem sie zur Zeit noch durch europäische Concurrenz fast völlig fern gehalten werden, und Aehnliches ist auch für den Verkehr mit Polynesien und Australien der Fall; denn der Suezcanal bietet Europa hinsichtlich dieser Länder nur einen theilweisen Vorschub, weil Segelschiffe auf demselben fast ausgeschlossen sind und das Verlangen nach billiger Fracht stets den Weg über Amerika vorziehen wird.

In Europa ist es in erster Linie England, welches für die Ausführung des Canals sich interessiren muß. In Wirklichkeit hat es auch bereits im Jahre 1850 sich mit den Vereinigten Staaten durch einen Vertrag dahin verständigt, daß ein Canal durch Centralamerika, wo und wie er auch immer ausgeführt werden sollte, nicht einer Nation allein ausschließlich angehören dürfe. England rückt durch einen Isthmuscanal seiner Colonie Neuseeland und einigen Häfen an der Westküste Amerikas um mehrere hundert Meilen näher. Freilich bleibt es zweifelhaft, ob die Dampfer nach Neuseeland den Weg durch den Isthmuscanal nehmen werden; denn Neuseeland ist heute noch nicht bevölkert genug, um eine directe Dampferverbindung mit England erhalten zu können, und alle Dampfer, welche heute nach Australien und Neuseeland fahren, legen in Aegypten und Indien an und machen sich nur hierdurch bezahlt. Man sieht also zur Zeit keine Vortheile, um deren willen England seine Millionen an ein Unternehmen wenden sollte, das nur seinem Rivalen von Nutzen sein könnte. Es ist sogar wahrscheinlich, daß England den Canalbau zu erschweren suchen wird. Schon jetzt concurriren amerikanische Waaren in China, Indien, Neuseeland sehr erfolgreich mit den englischen und drohen dieselben zu verdrängen. England hat also kein Interesse daran, Amerika den Weg nach seinen Märkten zu öffnen. Hierzu kommt noch: England besitzt den Löwenantheil am Suezcanal, dem mächtigsten Rivalen des amerikanischen Canals, den es schwerlich mit seinem Gelde wird unterstützen wollen.

Deutschland hat zur Zeit ziemlich wesentliche Interessen im Großen Ocean, wird sich jedoch kaum mit besonderer Vorliebe

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_145.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)