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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Ein Wintergarten im Freien.

Vorschläge und Anregungen von Carus Sterne.

Johannes von Beka, ein Schriftsteller des vierzehnten Jahrhunderts, erzählt in seiner „Chronik der Bischöfe von Utrecht und Grafen von Holland“, der Kölner Dominikaner Albertus Magnus habe dem zum deutschen Könige gekrönten Grafen Wilhelm von Holland, als er am 6. Januar 1249 das Fest der heiligen drei Könige, seiner Schutzpatrone, in der heiligen Drei-König-Stadt beging, trotz der Winterkälte in seinem Klostergarten ein prächtiges Gastmahl gegeben, während dessen sich der froststarre Boden mit grünem Rasen, die Bäume mit Laub, Blüthen und singenden Vögeln geschmückt hätten. Sobald das Mahl beendet gewesen sei, wäre wieder die vorige Winterkälte zurückgekehrt und der Zauber verschwunden gewesen.

Man hat diese Sage vielfach besprochen und auf große Gewächshäuser zurückzuführen gesucht, in denen das Fest mitten im Winter unter grünenden und blühenden Gewächsen stattgefunden haben könnte, wobei man daran erinnerte, daß ja schon die Römer in den Tagen Seneca’s und Martial’s Glashäuser gehabt, in denen sie Rosen und Lilien im Winter getrieben hätten. Allein genauere Untersuchungen scheinen zu ergeben, daß diese altitalienischen Glashäuser nur Ueberwinterungshäuser gewesen sind, während Warmhäuser und Wintergärten erst im fünfzehnten Jahrhundert und zwar zuerst in Deutschland und den Niederlanden erbaut worden sind. Sie wurden allerdings bald für Festlichkeiten verwendet, und bereits aus dem fünfzehnten Jahrhundert besitzt man einen Kupferstich, der ein solches Hoffest in einem ansehnlichen Wintergarten darstellt.

Allein noch lange Zeit hindurch blieben sie eine große Seltenheit, und der französische Arzt und Gartenschriftsteller Liebault beschrieb 1574 das Orangeriehaus des Kurfürsten von von der Pfalz in Heidelberg wie ein achtes Weltwunder. Ja Olivier de Serres, der sein berühmtes Werk über Land- und Gartenbau zuerst um’s Jahr 1600 veröffentlichte, pries diesen Wintergarten mit Ausdrücken, welche deutlich zeigen, daß man damals in Frankreich derartige Glashäuser noch nicht kannte.

„Mit vielem Staunen,“ berichtet er, „erblickt man den mit kostbaren Pflanzen gefüllten Garten beim Hause des Kurfürsten, der während der schlechten Jahreszeit mit einer großen Holzwandung umgeben und bedeckt ist. Während derselben werden die Bäume durch Oefen, welche man heizt, warm gehalten; durch große Fenster, welche man nach Belieben öffnet und schließt, wird der Raum erleuchtet, an schönen Tagen aber scheint die Sonne herein, um die Bäume zu erfreuen. Wenn schließlich die schöne Jahreszeit gekommen und die Furcht vor Frösten verschwunden ist, werden alle diese Bäume von Wandung und Decke befreit und der Macht des Sommers überlassen; so regiert, vermöge dieses kostbaren Aufwandes, in diesem Aufenthalt beständig die Milde des Frühlings und des Sommers, und nie wird die Strenge des Winters daselbst empfunden.“

Diese und ähnliche Schilderungen machen es, wie gesagt, keineswegs wahrscheinlich, daß schon im dreizehnten Jahrhundert ein ähnlicher Wintergarten bei einem kölnischen Kloster existirt haben könnte; das Gartenfest des Albertus Magnus sollte eben nicht mehr und nicht weniger als ein Zauberstück des berühmten der Magie verdächtigten Gelehrten vorstellen und gehört überdies zu dem Sagenkreise, der sich erst Jahrhunderte nach seinem Tode um seinen Namen gewoben hat und von welchem seine Zeitgenossen selbst nichts wußten.

Wie aber, wenn dieses Wunder dennoch in einer bescheideneren Form möglich wäre, wenn wir uns wirklich draußen im schneebedeckten Garten ein Plätzchen herrichten könnten, auf welchem wir vom October bis zum März bei günstiger Witterung fortdauernd unsere Augen an frischem Grün und blühenden Ziergewächsen erfreuen könnten? Da wir in Europa mehrere mitten im Winter blühende und frostharte Zierpflanzen besitzen, so bin ich sehr erstaunt, noch nirgends einem derartigen, mit geringen Kosten ausführbaren Vorschlage begegnet zu sein. Zumal im milden Rheinthale, in Frankreich, Belgien, Holland und England, woselbst eine Reihe der herrlichsten immergrünen Schmuckgewächse, wie Alpenrosen, Kirschlorbeer, Aucuben, breitblätterige Coniferen und viele andere unbedeckt im Winter aushalten, würde bei zweckmäßiger Anlage in einem geschützten Hofe ein Januargartenfest in üppigster grüner Umrahmung durchaus keine Zauberkräfte erfordern. Aber auch abgesehen vom Rheinthale ließe sich in den meisten Gegenden Deutschlands bis in die Breiten von Dresden und Berlin ohne große Schwierigkeiten ein Wintergarten im Freien einrichten, der dem Naturfreunde zu jeder Zeit im Winter neue Freuden und Ueberraschungen bieten würde. Man müßte dazu eine abseits gelegene, durch die Gartenmauer oder noch besser durch hohe Gebäude gegen den Nordost geschützte, der Mittagssonne aber offene Ecke des Gartens auswählen und könnte die hereinschauenden kahlen Mauerwände mit Epheu bekleiden, wenn man demselben durch davorgepflanzte Bäume Schutz gegen die allzu grelle Sommersonne gewährte. In dieser Ecke könnte man dann den gesammten Bezirk des Wintergartens durch eine dichte, im Kreise oder Vieleck angelegte immergrüne Wand abgrenzen.

Man kann dazu den baumartigen Buchsbaum (Buxus arboreus), „den grünen Getreuen, der uns in aller Freude und allem Leide getreu bleibt,“ wie ihn Bettina nennt, oder die noch schönere Christpalme (Ilex aquifolius) mit ihren breiten, stahlglänzenden immergrünen Blättern und ihren bis in den Winter prangenden korallenrothen Beeren auswählen. Diese winterfrischen Gesträuche würden im Vereine mit Immergrün (Vinca), welches zu allen Jahreszeiten ein willkommenes Kranzmaterial liefert, gleichsam die Tapete oder innere Wandbekleidung des unverwelklichen Zufluchtsortes gegen die allgemeine Verödung der Flur darstellen, und das würde so recht ein Plätzchen geben, wo man mit Krummacher sprechen könnte:

„Epheu, Buchsbaum, Wintergrün
Trotzen allen Wettern;
Mag des Lenzes Schmuck verblüh’n,
Nichts wird euch entblättern;
Ruht erstarrt das Saatgefild,
Bleibt ihr treuer Hoffnung Bild.“

Nach diesem Allerheiligsten des Wintergartens könnte dann ein immergrüner Laubgang hinführen, der, wenn man eine chronologische Eintheilung des Gartens belieben sollte, von einem „Herbstplätzchen“ ausgehen könnte. Außer den bekannten Herbstblumen müßte man daselbst die Zeitlose und den echten Saffran (Crocus sativus), die beide bis in den October hinein blühen, und die schöne, reichblüthige Winteraster (Chrysanthemum indicum), welche in günstigen Jahren bis in den November unsere Augen mit bunten Farben erfreut, anpflanzen. Vor Allem aber gehört hierher die wenig bekannte, aber desto mehr die Aufmerksamkeit der Gartenfreunde verdienende Zauberhasel (Hamamelis virginica), ein nach Wuchs und Blattform unserer Haselnuß vergleichbarer, aber schönerer Zierstrauch, dessen Aeste sich im October, wenn ringsherum die andern Sträucher und Bäume ihr Laub verlieren, dicht mit citronengelben Blüthen, wie mit feinen vierzipfligen Seidenschleifen schmücken, ein um diese Jahreszeit wahrhaft herzerfreuender Anblick. In der That mag es für den beschaulichen Naturfreund kaum ein poesievolleres Gewächs geben, als diesen Strauch, der seinen Frühling ganz für sich allein feiert, wenn rings das Laub des Gartens in allen Nüancen von gelb und rothbraun hinabsinkt. Die Samen dieses schönen Herbstblüthenstrauches, der sehr gut in unserem Klima ausdauert, reifen, wie die der Herbstzeitlosen, erst im nächsten Jahre, und wenn sie gut gediehen sind, eröffnen sie, von elastischen Schleudern fortgeschnellt, ein Kleingewehrfeuer auf Jeden, der in die Büsche einzudringen sucht. Das einzige unserer einheimischen Gewächse, welches ihm bei dieser späten Blüthe Gesellschaft leistet, ist unser Epheu, der aber bekanntlich erst zum Blühen kommt, wenn er ein gewisses Alter erreicht hat und seine mit umgeformten Blättern versehenen Blüthenzweige über das Gemäuer oder aus einem Baumwipfel zum Lichte hervorstrecken kann. Uebrigens schmücken die schwarzen Beeren den Epheu mehr, als die grünlichen Blüthendolden.

Gehen wir aber von dieser Einleitung zum Wintergarten auf diesen selbst über, so würden wir vorschlagen, die niedere innere Laubwand zunächst überragen zu lassen von einem äußern Kranze dichtwachsender, immergrüner Coniferen, die, wie Humboldt so

schön sagt, „den Polarvölkern verkünden, daß, wenn Schnee und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_142.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)