Seite:Die Gartenlaube (1881) 121.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

No. 8.   1881.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.


Wöchentlich  bis 2 Bogen. Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.



Amtmanns Magd.

Von E. Marlitt.
(Fortsetzung.)

In stummer Qual ballte das Mädchen die Hände und drückte sie gegen die Brust, und doch sagte sie gleich darauf gefaßt, mit großer Bestimmtheit: „Die Frau wird mir diese Härte später abbitten. Sie ist übrigens nicht die Gebietende auf dem Gute; die Entscheidung hängt von Ihnen ab, und Sie werden mir die Thür nicht verschließen –“

„So – meinen Sie?“ unterbrach er sie mit zornigem Lächeln. „Wofür halten Sie mich denn?“

„Wofür ich Sie halte?“ wiederholte sie und schlug die Augen langsam zu ihm auf. „Ich halte Sie für einen edlen Mann, für die Großmuth selbst. Wenn Sie können, so vergessen Sie die bösen Worte, die ich Ihnen in meiner Verblendung zu sagen gewagt habe! Wie mußte ich mich schämen, als ich erfuhr, in welcher Absicht Sie auf das Vorwerk gekommen waren! Sie haben die alten Leute aus Noth und Sorgen errettet. Sie sollten sehen wie die arme Kranke neu auflebt, seit sie sich unter Ihrem Schutze weiß; schon dafür allein möchte ich Ihnen danken –“ sie brach ab und streckte ihm schüchtern die Hand hin.

Aber sein verdüstertes Gesicht hellte sich nicht auf.

„Lassen Sie das!“ ließ er sie hart an und wies mit einer heftig schüttelnden Handbewegung ihre Rechte zurück. „Wofür danken denn Sie? Ich frage, was geht es die Magd an, wenn ich mit meinem Pächter eine Vereinbarung treffe? Davon verstehen Sie nichts und sollten sich doch ja nicht hineinmischen.“ – Groll und Verdruß preßten ihm hörbar die Kehle zusammen. – „Und Ihre Beschuldigungen halten Sie nur immerhin aufrecht! Ich bin nicht gut, ganz und gar nicht, und in diesem Augenblicke am allerwenigsten – alles Böse ist lebendig in mir, alle Bosheit und Schadenfreude. Wenn ich Ihnen einen Schmerz zufügen könnte, ich thät’ es mit Genuß –“

Das Mädchen streifte ihn mit einem scheuen Seitenblick – er sprach so laut und heftig.

„Und dann, bleiben Sie doch bei der Wahrheit!“ fuhr er beherrschter, aber um so anzüglicher fort. „Für die alte Frau danken Sie, und die verwöhnte Prinzessin in der Mansarde ist gemeint. Ach ja, Sie denken, die Beletage im Gutshause sei immerhin ein Aequivalent für die Guseck’schen Salons, eine Art Erholungs- und Verschönerungsstation, in welcher dem Vogel die verschnittenen Flügel wieder wachsen sollen. Fräulein Gouvernante ist selbstverständlich wieder einmal die Hauptperson; wir werden wohl das Gutshaus feierlich bekränzen müssen, wenn sie einzieht.“

Sie sah niedergeschlagen aus und schüttelte den Kopf.

„Die armen Gouvernanten! Wenn es auf Sie ankäme, thäten sie jedenfalls besser, ihre Lehrbücher zuzuschlagen und für Andere zu scheuern und zu waschen.“ – Sie seufzte leise auf. „Nach Ihrer vorgefaßten Meinung ist Agnes Franz eine eitle, arbeitsscheue Zierpuppe“ – ein melancholisches Lächeln flog um ihren Mund, als er spöttisch eifrig mit einer ironischen Verbeugung bejahte – „aber wäre sie es auch je gewesen, die Ziererei hätte ihr vergehen müssen bei ihrer Heimkehr. … Ich will ja nicht leugnen, daß sie anfangs nahe daran gewesen ist, die Flinte in’s Korn zu werfen und ihren schweren Pflichten in voller Verzweiflung davonzulaufen. Bis ein zwanzigjähriger Mädchenkopf dem strengen Schicksal gegenüber mit sich selber fertig wird, dazu gehört viel, unaussprechlich viel. Aber sie hat sich ja doch hineingefunden.“ Einen Moment schwieg sie, als überwältige sie die Erinnerung an das Elend, in welches auch sie von fernher mit hineingerathen war – dann athmete sie erleichtert auf. „Und nun wird ja Alles gut. Die lieben, alten Leute sind wohl versorgt für ihren Lebensrest; nun kann sie getrost ihren Beruf wieder aufnehmen. Sie wird freilich so lange Ihre Gastfreundschaft annehmen müssen, als die Kranke ihre Pflege braucht –“

„Mein Gott, was kümmert mich das? Wir werden uns nicht in den Weg kommen. Ich reise in den nächsten Tagen ab. Mag sie so lange im Gutshause bleiben, wie sie Lust hat! Aber Sie?!“

„Ich?“ Sie legte die Hände auf die Brust und sah vor sich nieder. Er war empört über den Anflug eines reizenden Lächelns, das ihr Antlitz unbeschreiblich verschönte – in diesem Augenblicke zu lächeln! Sie war doch genau so frivol und weltverdorben wie ihre Dame. „Nun, ich werde auch bleiben,“ sagte sie, ohne aufzublicken. „Wenn Sie das Eine wollen, werden Sie das Andere müssen.“

„Ei, was Sie da sagen! Darin irren Sie sich aber gründlich; denn ich werde nicht müssen, es sei denn“ – er hielt inne und fixirte ihr Gesicht in athemloser Spannung – „es sei denn, daß Sie die Scrupel meiner braven Griebel beseitigen, indem Sie mir versprechen, das Haus dort von dieser Stunde an nicht mehr betreten zu wollen.“

„Nein – das kann ich nicht,“ entgegnete sie ohne Zögern, ernst und bestimmt.

Er trat von ihr weg, die Augen voll Haß und Grimm.

„So gehen Sie Ihres Weges! Ich verliere kein Wort mehr,“ rief er. „Nur Eines sollen Sie noch wissen,“ – er bog sich wieder hinüber und sagte verbissen: „Sie sollen erfahren, daß ich Sie vom Grunde meines Herzens verachte.“

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_121.jpg&oldid=- (Version vom 25.1.2021)