Seite:Die Gartenlaube (1881) 063.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

wäre Rom zurecht zu bringen: durch der Fürsten Ernst, des Volkes Ungeduld und ein Türkenheer vor seinen Thoren.“

Daß diese Hiebe saßen, zeigte sich sehr bald. Dr. Eck denuncirte den Verfasser in Rom, und das Nächste war, daß der Erzbischof Albrecht von Mainz ihn aus seinem Dienste entlassen mußte. Hutten ließ sich aber dadurch nicht beirren; er trat nun vielmehr um so eifriger in den Kampf ein und folgte Luther’s Beispiel, indem er fortan nicht mehr lateinisch, sondern deutsch schrieb, „in der Sprache des Vaterlandes um Rache schrie“. Selbst in dem Allen verständlichen Volksliedtone suchte er für die lutherische Sache zu begeistern. So sang er:

„Ich hab’s gewagt mit Sinnen,
Und trag’ es noch kein Reu’;
Mag ich mit d’ran gewinnen,
Noch muß man spüren Treu’,

5
Darmit ich’s mein:

Nit Ein allein
(Wenn man es wollt’ erkennen),
Dem Land zu gut,
Wie wohl man thut

10
Ein Pfaffenfeind mich nennen“ etc.

Die Reformation nahm jedoch bekanntlich nicht den günstigen Verlauf, den ihre Förderer erhofft hatten, eine Erhebung der reformatorischen Partei mit dem intimsten Freunde Ulrich’s, Franz von Sickingen, an der Spitze, mißglückte, und nun floh Ulrich von Hutten, mit grimmigem Hasse von den Römlingen verfolgt, von Erasmus, bei dem er in Basel ein Unterkommen suchen wollte, schmachvoll verleugnet, nach Zürich in der Schweiz und später auf die Insel Ufnau im Zürchersee, wo er, verzweifelnd an seiner Sache, der er sein ganzes Leben gewidmet, nach langen Körperleiden am 29. August 1523, völlig verarmt – er hinterließ nur eine Feder und ein Bündel Briefe von berühmten Gesinnungsgenossen – erst fünfunddreißig Jahre alt, verschied.

Das Alles zog mir durch die Gedanken, als ich zwischen den Trümmern der Burg Steckelberg dahinschritt, und mit Wehmuth erfüllte es mich, daß diese geweihte Stätte, von der einer der edelsten Helden der Nation ausgegangen, von der aus in der Zeit der Reformation so gewaltige Schlachtrufe in alle Lande ertönt waren, jetzt so vollständig vergessen und so pietätlos dem gänzlichen Verfalle preisgegeben ist. Möchten daher diese Zeilen veranlassen, daß sich aus freiwilligen Beiträgen ein kleiner Fonds bilde, aus dem die Ruine erhalten wird, damit auch künftige Geschlechter die Stätte finden, wo Ulrich von Hütten geboren wurde.

Ludwig Salomon.





Die Erziehung zur Sparsamkeit.

Auch eine Forderung des Lebens an die Schule.

Arbeit und Sparsamkeit, sie sind zwei Schwestertugenden, welche stets das Elend bezwangen und den Wohlstand einzelner Familien und ganzer Völker begründeten. Im Verlauf der Entwickelung der menschlichen Gesellschaft haben sie von ihrem Werthe nichts eingebüßt; sie sind mit jedem wirthschaftlichen Fortschritte noch unentbehrlicher geworden. Früher war der Arbeiter durch Zünfte, Zölle und ähnliche Einrichtungen vor den Gefahren der industriellen Krisen, welche wie plötzliche Stürme über unser wirthschaftliches Leben hereinbrachen, mehr oder weniger geschützt. Heute ist er frei und selbstständig geworden. Der Schutz des Staates wird seiner Arbeit nicht mehr im früheren Maße gewährt. Aber im Kampfe des Lebens braucht er nicht zu verzweifeln. Siegen wird er unbedingt, wenn er täglich zwei Tugenden übt: die Arbeit und die Sparsamkeit.

In der That kennen wir keinen mächtigeren Hebel zur Beseitigung des socialen Elends als die Arbeit und Sparsamkeit der Massen. Und wie auf der Uebergangsstufe der Menschheit von niedriger zu höherer Cultur die christliche Kirche, um das irdische Elend zu lindern, die Tugend der Barmherzigkeit unter den Heiden zu predigen begann, so müssen wir in der Morgendämmerung der ökonomischen Freiheit die auf Arbeit und Sparsamkeit begründete Selbsthülfe lehren – und wie die Kirche um der Seligkeit der anderen Welt willen auf dem Religionsunterricht in der Schule beharrte, so müssen wir, um das friedliche Glück dieser Welt zu erobern, in der Schule unsere Kinder in den Tugenden der Arbeit und Sparsamkeit erziehen.

Zu dem, was über die Erziehung zur Arbeit hier bereits gesagt worden ist (vergl. „Gartenlaube“, Jahrgang 1880, Nr. 4, Seite 64 u. ff.), haben wir nur noch hinzuzufügen, daß der Erfolg der Arbeit dann allein dauerhaft sein kann, wenn ihre Früchte mit weiser Sparsamkeit verwaltet werden. Arbeit und Sparsamkeit ergänzen sich im Leben; sie müssen sich daher auch in der Schule gegenseitig fördern und unterstützen. Um das Wissen der Menschen zu erweitern, dazu reicht schon der Vortrag hin, aber die Tugend lernt man nicht durch Anhören und Memoriren; wer tugendhaft sein will, der muß die Tugend ausüben.

Es mußten daher, wenn die Erziehung zur Sparsamkeit Früchte tragen sollte, Mittel gesucht werden, welche den Schulkindern die Gelegenheit zum Sparen geben – und ein solches Mittel ist in der Errichtung der Schulsparcassen gefunden worden.

Der erste geregelte Versuch, eine Sparcasse für Schüler einzurichten, ist am 4. Mai 1834 in der Stadtschule zu Le Mans (Sarthe) gemacht worden. In einer kleinen Schrift, die 1834 unter dem Titel: „Lesestücke und gesammelte Gebete und Lieder zum Gebrauch im gegenseitigen Unterricht in der Stadtschule zu Le Mans“, erschien, spricht sich der Autor, Herr Dulac, folgendermaßen aus:

„Unter den verschiedenen Mitteln, welche wir angewendet haben, um bei den uns anvertrauten Schülern zum Ziele der sittlichen Erziehung zu gelangen, ist eines, das wir besonders in Erinnerung bringen möchten: die Niederlegung der kleinen Ersparnisse unserer Pflegekinder bei der Sparcasse. Um die Einzahlungen zu erleichtern, haben wir am 4. Mai 1834 in unserer Schule unter der Aufsicht der städtischen Behörde eine Privatcasse eingerichtet, in der sie ihre Ersparnisse Pfennig für Pfennig niederlegen, bis diese, zur Summe eines Franken angewachsen, in der Departementssparcasse angenommen werden.“

Im Jahre 1838 drückte der Verwaltungsrath der Sparcasse von Le Mans Herrn Dulac seine Befriedigung aus über die gemachten Einlagen der Schüler der Stadtschule und selbst der Kleinkinderschule. Der Ruf der Schulsparcassen verbreitete sich bald, und in Amiens, Grenoble, Lyon, Perigueux, Paris, Verona, Weimar (1844), in Württemberg (1846), in Preußen und in der Schweiz (1851), in Ungarn (1860) wurden Schulsparcassen errichtet. Man hat aber dabei unterlassen, die Organisation solcher Cassen genau zu prüfen; man beging Fehler auf Fehler, und entmuthigt ließ man die neugegründeten Cassen wieder eingehen.

Herr Dulac setzte indessen seine Bemühungen unverdrossen fort, und schon im Jahre 1839 gelangte er zu den letzten Verbesserungen.

Inzwischen gewann die Idee der Schulsparcassen einen mächtigen Bundesgenossen. Die internationalen Congresse begannen ihren Einfluß zu entfalten, und bald wurde auch die von Dulac angeregte Frage in den Bereich ihres Wirkungskreises hineingezogen. Auf dem internationalen Congresse für Wohlthätigkeit in Brüssel wurde die Nothwendigkeit kleiner Sparkassen für die geringen Ersparnisse der Kinder in den Schulen anerkannt.

Diese Anregung wußte zuerst Professor M. F. Laurent in Gent in größerem Maßstabe praktisch zu verwerthen. Der Anfang wurde mit zwei Schulsparcassen im October 1866 gemacht, und dank der Initiative durch den Stadt- und Schulrath und zwei freie Gesellschaften für öffentliche Wohlthätigkeit verbreitete sich die neue Einrichtung bald in allen Schulen der Stadt. Nach sieben Jahren waren von den 15,000 Schülern mehr als 13,000 durch die Schulsparcassen zu Büchern der Stadtsparcasse gelangt. Dem Vorgehen Gents folgten bald andere Städte, wie Brüssel, Namur und Lüttich.

Zu verschiedenen Zeiten erklärte die belgische Regierung in öffentlichen Berichten, in denen sie sich anerkennend über die Verdienste M. Laurent’s äußerte, daß man den Schulsparcassen einen großen Theil der in die Nationalsparcasse eingezahlten Gelder verdanke, und zwar besonders durch den Einfluß der Schulkinder auf die Familien. Die Sparbücher der Kinder, so hieß es, seien ein mächtiges Mittel zur Einweihung der Eltern in die Vortheile und den Mechanismus der Sparcasse.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_063.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)