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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

und in kurzer Zeit war, unter furchtbaren Kämpfen und Flügelschlägen, das Opfer zerrissen. Doch lange noch dauerte der Kampf um die einzelnen Theile, bis ein scharfer Schuß die gierigen Geier aus einander scheuchte.

Der nahende Abend mahnte uns zur Rückkehr nach der tief unter uns sich ausbreitenden, sanft nach Osten sich neigenden Ebene. Eine großartig erhabene Umgehung: hinter uns die immer höher ansteigenden kahlen Bergmassen mit ihren zerklüfteten Wohnungen der Bergviscachas und den spärlich bewachsenen Weiden der vom Puma und Jaguar verfolgten Guanacos und vor uns in der Tiefe die scheinbar unendliche meerähnliche Fläche von Mendoza, welche, wie andere argentinische Provinzen, eine große Zukunft haben mag, wenn durch einwandernde Europäer der Ackerbau noch zu höherer Blüthe gebracht wird.

Wenn die Natur auch dort bei Weitem weniger bietet als in den nördlich liegenden Tropenländern, so tritt dem Wanderer doch so viel Eigenthümliches und Interessantes entgegen, daß unsere Skizze nur einen flüchtigen Ueberblick gewähren konnte.




Hitze und Kälte.
Eine naturwissenschaftliche Plauderei.

„Wie heiß muß es erst in den heißen Ländern sein!“ so rufen wir wohl aus, wenn wir bei einer Temperatur von über 20° R. im Schatten schwitzen, und fühlen uns getröstet durch den Gedanken, daß es anderwärts noch wärmer sei als bei uns. Wo aber auf der Erde ist die Hitze am größten? Nach der landläufigen Ansicht unter dem Aequator; denn dort hat ja die Sonne – mach eben diesen Meinungen – die Menschen bereits in „Schwarze“ umgefärbt. Wie aber nachgewiesenermaßen die Färbung des menschlichen Körpers nicht direct von der Bestrahlung der Sonne, also nicht von der Entfernung vom Aequator abhängig ist, so ist auch von der Wissenschaft bereits festgestellt worden, daß die heißesten Punkte der Erdoberfläche nicht unter dem Aequator liegen, sondern gegen zweihundert geographische Meilen und darüber nach Norden wie nach Süden vom Aequator entfernt. Der Grund dafür, daß die Gegend am Aequator, der Palmengürtel, nicht die höchsten Thermometerstände zeigt, liegt darin, daß diese Zone mit täglichen Niederschlägen ausgestattet ist, durch jeden Regen aber wird die Atmosphäre erheblich abgekühlt; es wird ihr ferner Verdampfungswärme entzogen und endlich durch die Vegetation, die in Folge des reichlichen Regens üppig den Boden überzieht, eine so bedeutende Erwärmung des letzteren und damit der Luftschichten unmöglich gemacht, wie in pflanzenleeren Gegenden. So kommt es denn auch, daß an Gebirgen in der Nähe des Aequators die Schneegrenze weiter herabreicht, als an Gebirgen, die fünfzehn bis zwanzig Breitengrade vom Aequator entfernt sind.

In den wüsten Gegenden der Erde, die in der geographischen Breite von 18 bis 30° anzutreffen sind, dürfen wir somit die heißesten Punkte vermuthen, und in der That hat man dort die größten Wärmemengen gemessen.

In Murzuk (Oase Fezzan) wurde als Maximum der Luftwärme 45° R. beobachtet; der Wüstensand zeigt noch höhere Temperaturen, bis 56° R.; hier ist, wie ein arabisches Sprüchwort sagt, die Erde Feuer und der Wind Flamme. In Australien zeigte das Réaumur-Thermometer bis 43,3°, in Arabien bis 42°, und die Hitze des Hochlandes von Iran, speciell der Provinz Siwistan (im südöstlichen Afghanistan), wird durch einen persischen Vers bezeichnet, den die Afghanen häufig citiren: O Gott, da du Siwistan hattest, warum machtest du die Hölle? Als unerträglich heiß wird auch das Pendschab bezeichnet, und von der Coromandelküste wird gesagt, daß während der trockenen Jahreszeit der Himmel wie Erz, die Erde wie Eisen glühe. Vor Allem aber verrufen ist das rothe Meer nebst seinen Hafenstädten, besonders Massaua (Habesch), Sauakin (Nubien) und Kosseir (Aegypten); schon der Name des südlichen Eingangs „Bab el Mandeb“ das ist: Thor der Trauer, charakterisirt nicht blos die wegen der früher häufig dort stattgefundenen Schiffbrüche gefürchtete Meerenge, sondern zugleich auch diesen ganzen Meeresraum, der zwischen den Wüsten im Osten Aegyptens und dem arabischen Hochlande eingebettet liegt und über dem wie über einem Kessel eine glühend heiße Atmosphäre lagert, die nur zeitweilig von einem Windhauche bewegt wird; nur selten verdingt sich ein europäischer Matrose zum zweiten Male auf ein Segelschiff zur Fahrt durch’s rothe Meer, umsoweniger als bei der schon erwähnten fast vollständigen Windstille diese Reise ungewöhnlich viel Zeit in Anspruch nimmt.

Falls die Schiffe nicht Eis mit sich führen, bietet in diesen heißen Gegenden die Aufbewahrung der Vorräthe große Schwierigkeiten. Mrs. Brassey erzählt in ihrer „Segelfahrt um die Welt“: „Bei der fürchterlichen Hitze (südlich von Arabien) ist ein Abends geschlachteter Hammel andern Tages ungenießbar; Butter ist so flüssig wie Oel; selbst der Siegellack schmilzt vollständig und fließt in syrupähnlichem Zustande im Kasten umher.“

Der Aufenthalt in diesen Gegenden wird dadurch noch unerträglicher, daß frisches Trinkwasser nicht vorhanden ist; das Quellwasser, wo es überhaupt solches giebt, hat dort zu jeder Jahreszeit eine Temperatur von 16 bis 18° R., kann also kaum Erfrischung bieten. Ein anderer Umstand, der das Leben in solchen heißen Orten erschwert, ist noch der, daß häufig zwischen Tag und Nacht große Temperaturschwankungen sich zeigen; denn ebenso rasch, wie sich die Luft unter dem Einfluß der Besonnung erhitzt, kühlt sie sich in jenen wolkenlosen Festlandsräumen ab, sobald diese Ursache nicht mehr vorhanden ist; auf die Tagesstunden der größten Hitze folgen Nächte mit empfindlicher Kälte, sodaß bisweilen sogar den Karawanen das Wasser in den Schläuchen gefriert und die Nachtfröste den Reisenden ebenso unbequem werden, wie die Sonnenhitze den Tag über. Solche Schwankungen sind im Gebiet der Sahara wiederholt constatirt worden; in Australien trat einmal binnen 12 Stunden eine Temperaturänderung von 25,2° R. ein, indem das Thermometer bei Tagesanbruch – 9,3° R. zeigte, den Tag über als Höhepunkt aber + 15,9° R. erreichte.

Außerhalb der tropischen und subtropischen Gegenden finden sich ebenfalls innerhalb eines halben Tages ganz enorme Temperaturschwankungen. Auch auf die Frage nach den kältesten Punkten der Erdoberfläche muß geantwortet werden, daß das Extreme nicht im äußersten Norden zu suchen ist; vielmehr zeigt uns jede Karte mit Winter- bezüglich Januar-Isothermen zwei Gebiete der nördlichen Erdhälfte als die kältesten, welche daher auch Kältepole genannt werden: der eine dieser Kältepole liegt in Sibirien, westlich von der Lena, der andere im Nordwesten der Hudsonsbai, in der arktischen Inselwelt Amerikas; da hier den Winter über eine dicke Eisschicht das Inselmeer bedeckt, so kommt die Wärme-Ausstrahlung an dieser Stelle der Erde jener des nordasiatischen Festlandes gleich; daher auch hier die gleiche niedrige Temperatur wie dort. Die südliche Halbkugel muß außer Betracht bleiben; weil sie nämlich zum weitaus überwiegenden Theile mit Wasser bedeckt ist, zeigt sie selbst in ihren polaren Gegenden verhältnißmäßig milde Winter, hat dafür aber auch kühle Sommer. An beiden Kältepolen sind Temperaturen von –40 bis –50° R. und noch darunter beobachtet worden; was aber solche Temperaturwerthe sagen wollen, davon machen wir uns kaum eine Vorstellung.

Schon der Petersburger Winter, wie er im „Heutigen Rußland“, herausgegeben von Lankenau und Oelsnitz, geschildert wird, läßt uns ahnen, was wir von nordischer Kälte zu erwarten haben. Es heißt dort: „Während die Bewohner der gemäßigten Zone vom Winter im Ganzen mehr unangenehm als freundlich berührt werden, beginnt der Petersburger mit dem Eintritt der Schnee- und Eiszeit sich in den Zustand des Behagens zu versetzen; sein ganzes Fühlen und Denken steht mit dem Winter im engsten Zusammenhang; selbst die Poesie ergeht sich mit Vorliebe in Schilderungen des Winters … Alles erscheint mit den phantastischen Eisüberzügen und Eiszapfen bedeckt. Gesichter bekommt man nur selten auf der Straße zu sehen, denn Alles zieht die Pelze selbst über die Mütze. ,Väterchen, Deine Nase, Deine Wange!’ so erinnern sich die Begegnenden, wenn sie die verdächtigen runden, kreideweißen Flecken im Gesicht der Vorübergehenden sehen; denn der, dem ein Theil des Gesichtes erfriert, merkt es nicht. Da hilft nur unmittelbares heftiges Einreiben mit Schnee, bis das Gefühl sich in dem erfrorenen Theil wieder einstellt.

Ein Bauer, der eine lange Zeit brauchte, um die Eiszapfen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_051.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)