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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)


wolle er, der gestrenge Beichtvater aller verheiratheten Familienglieder, schon seine wuchtige Hand auf ihr sündiges Haupt legen und sie zum Gehorsam und zur Demuth zwingen.

Dieses große Vermögen mußte in einer clericalen Familie angehäuft bleiben unter Leuten, auf welche man sich zu allen Zeiten verlassen konnte.

Die katholische Kirche in Mexico empfing nicht umsonst ihr Blut aus der großen Pulsader Roms; sie verstand es meisterhaft auch im Kleinen für ihr Heil zu arbeiten; das hatte man nie klarer gesehen, als damals, einige Jahre früher, als Juarez die Kirchengüter dem Staate einverleibte und es sich herausstellte, daß mehr als zwei Dritttheil der ganzen Republik Eigenthum der Kirche war.

Es gab eine Zeit, in welcher Conchita sich vorgenommen, sobald sie mündig sei, den Liberalen nach San Luis Potosi zu folgen und, wenn es sein müsse, ihr Vermögen zu opfern.

Aber diese Idee war eingeschlummert seit dem Einzug der Franzosen. Conchita war seitdem auffallend erregt und nachdenkend geworden, und ihr Hauptgedanke war der, den Bann zu lösen, welchen dieser Franzose auf sie ausübte, die Rose wieder in ihren Besitz zu bekommen und ihm dann einmal offen ins Gesicht zu sagen, wie sehr sie ihn hasse.

Ihr Onkel freuete sich ihres veränderten Wesens; er schloß einfach daraus, daß sie Don Miguel liebe und daß es nur noch des letzten bindenden Wortes bedürfe.

Alle seine Pläne schienen herrlich in Erfüllung gehen zu wollen. Bald sollte einem deutschen Fürstensohne die mexikanische Kaiserkrone auf das Haupt gesetzt und so diesen ewigen Revolutionen ein Ende gemacht werden, und auch in seinem Hause sollte in Zukunft eine junge reizende Frau präsidiren.

Conchita hatte Monsieur Henri de Brunne auch in verschiedenen Gesellschaften wiedergesehen, sie hatte gehofft, daß er sich ihr nähern und sie eine Gelegenheit finden würde, ihm die Bitte auszusprechen, er möge ihr die Rose zurückgeben, die ihr Eigenthum war.

Es war fast eine fixe Idee bei ihr geworden, daß der Verlust der Rose mit dem ewigen, ungeduldigen Nagen ihres Herzens in Verbindung stehen müsse, und sie sehnte sich nach den verwelkten Rosenblättern, wie der Verfolgte nach dem sicheren Hafen der Ruhe.

Aber der bleiche Adjutant hatte nach ihrem letzten unzweideutigen Betragen gegen ihn keinen Versuch mehr gemacht, sich ihr zu nähern. Er hatte auf keinem der verschiedenen Bälle das schöne Mädchen um einen Tanz gebeten – und doch, wenn ihre Blicke, wie vom Zauber getrieben, ihn suchten, dann hingen die seinen an ihr und folgten jeder Bewegung ihrer elastischen Gestalt.

Aber warum beunruhigte sie seine Nähe?

Warum lauschte sie mit hochklopfendem Herzen jedem Worte, welches ihre Ohren von ihm erhaschen konnten, und verfolgte fieberhaft die Unterhaltungen, die er mit seinen Kameraden oder andern Damen führte, und die trotz dem Aerger, den sie über ihn empfand, sich doch unauslöschlich in ihr Gedächtniß gruben? Waren denn seine Ansichten, seine Lebensanschauungen, seine Begriffe von Ehre so eigenartig, so durchaus edel und hochherzig? Sprach er nicht vielmehr oft Gedanken aus, die auch in ihrer Seele geschlummert, aber für die sie nie einen Ausdruck gefunden?

Don Miguel’s Plaudereien an ihrer Seite, die sie nie aufregten, nie beunruhigten, waren ihr fast eine Erholung. Sie lächelte ihm dankbar entgegen, wenn er ihr, wegen ihres bleichen, erregten Aussehens besorgt, den indischen Shawl um die schönen Schultern legte, sie zum Wagen geleitete und sie so aus dieser Qual erlöste, dem bleichen Adjutanten nahe zu sein. –

Die Regenzeit, die schönste Zeit im Jahre, nahte ihrem Ende, und Conchita folgte eines Morgens um so lieber der Einladung Don Miguel’s und der übrigen Freunde zu einem Ausritt nach dem Schlosse von Chapultepec, als jetzt die Ueppigkeit der Vegetation ihren Höhepunkt erreicht und ein Aufenthalt in der unvergleichlichen Umgebung des Schlosses ein wirklicher Hochgenuß war.

Sie ritten also hinaus in die herrlich blühende Natur. Rosita zog die Freundin, nachdem sie von den Pferden gestiegen waren, unter die breit ausgestreckten Aeste riesiger tropischer Bäume, die nicht weit vom Eingange zum Schlosse ihren Schatten ausbreiten. Noch hing an den Farren und Blüthen der Thau der Nacht, wie schwere Thränen, und glitzerte in den einzelnen, durch das Geäst brechenden Strahlen. Es war ein unvergleichlich schöner Morgen.

Don Miguel trat leise hinter die Geliebte, und sie wehrte ihm nicht, als er, von der Schönheit der Natur angeregt, in seligem Entzücken ihre Hand in die seine nahm.

Feine smaragdgrüne Colibri schwirrten von Zeit zu Zeit durch die Luft und wiegten sich in den Blüthenkelchen der riesigen Fuchsien, die in ungezügelter Wildheit zwischen den großen Farren und Verbenen wucherten.

Concha schwelgte in einer Ruhe des Herzens, wie sie solche schon lange nicht mehr empfunden hatte.

Die drei Herren, welche die Damen begleiteten, hatten sich nach einer Weile um den auf einem Steine improvisirten Frühstückstisch gelagert und ihre Cigarren angezündet, während die junge Frau bemüht war, die von dem Diener mitgebrachten Speisen so einladend wie möglich auf demselben zu ordnen. Conchita streifte im Gebüsche herum und ordnete zwischen den grauen Schmarotzerpflanzen, die ihr Don Miguel von den Riesenbäumen abgelöst, bunte Blumen, wie sie in der Regenzeit auf jedem dürren Felsen in unvergleichlicher Mannigfaltigkeit prangen. Sie war, in Gedanken versunken, einen ungeordneten Pfad hinaufgeklettert, der auf Umwegen bis hinauf zum Schlosse führte, und bog eben in einen von hohen Gebüschen umgebenen Platz ein, der sie wegen seiner geheimnißvollen Einsamkeit anzog.

Aber kaum hatten sich die Gebüsche hinter ihr geschlossen, als sie zurückprallte und doch wieder, unfähig einen Fuß zu rühren, wie gebannt stehen blieb; denn vor ihr stand ein junger Mann, welcher sich ehrfurchtsvoll verbeugte, und der kein Anderer war, als Monsieur de Brunne, der französische Adjutant.

(Schluß folgt.)




Kloster und Bräuhaus.

Etwas von den Münchner Franziskanern.


Das Bier ist bekanntlich eine Culturmacht ersten Ranges im Staate Baiern, und manche Arten desselben erfreuen sich eines Weltrufs – wahrlich nicht mit Unrecht. In der Haupt- und Residenzstadt München kann man sogar das Bier als das Hauptnahrungsmittel der unteren Classen bezeichnen.

So ist auch seine Erzeugung in München allmählich zu einer von der Wissenschaft gehobenen Kunst herangereift, mit besonderem Eifer aber haben sich schon seit alten Zeiten die Mönche, wie der Pflege des Weinbaues und der Fischzucht, auch dem Studium der edlen Brauerei hingegeben, wobei sie für alle durstigen Seelen beachtenswerte Resultate erzielten. Das beweisen einige noch heute bestehende Biersorten, welche, wie beispielsweise das Franziskaner- und das Augustinerbier, die Namen einzelner geistlichen Orden mit einem industriellen, aber fröhlichen Nimbus umgeben.

Es ist keine moderne Industriestätte, das Münchner Franziskaner-Bräuhaus, dessen eigentümliche Entwickelung wir unseren Lesern heute in aller Kürze mitzuteilen gedenken; seine Geschichte giebt vielmehr ein Bild, das mit der Entstehung und den Zielen ähnlicher privater, weltlicher Unternehmungen nur wenig Gemeinsames bietet; steht doch die Herstellung des edlen Gerstensaftes hier gewissermaßen im Dienste der geistlichen Idee, welcher das Kloster sich widmet. Das Franziskanerstift am Lehel ist aus einem Hieronymitenkloster entstanden, das von dem Mönch Onuphrius im Jahre 1687 am Wallersee gegründet wurde. Die bald nach der Entstehung des Klosters dem Orden erwachsende Concurrenz, namentlich von Seiten der Benedictiner von Benedictbeuren, veranlaßte die Uebersiedelung der Hieronymianer nach München. Die Bewohner des Lehels, eines Stadttheils der baierischen Metropole, dessen Bevölkerung ungewöhnlich zugenommen, richteten nämlich ein Gesuch an den Kurfürsten, die Berufung der Brüder nach München betreffend, dessen Genehmigung am 4. September 1725 erfolgte. Da aber der Bau der Kirche wie des Klosters ungewöhnlich lange

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_031.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)