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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


Unter derselben wurden nach Vollendung der Strebesysteme und Gratbogen das Langschiff und die Querschiffe eingewölbt, das große Transept (Kreuzflügel) fertig gebaut, die Fenster des Langschiffes und der Querschiffe verglast, das Nothdach und die anderen Hülfsconstructionen entfernt, die Scheidemauer vor dem Hochchore niedergelegt und der ganze gewaltige, imposante innere Kirchenraum bis zur Thurmhalle völlig fertig gestellt. Hiermit war ein Hauptabschnitt in der Geschichte des Kölner Dombaues abgeschlossen. Die bis dahin aufgewendeten Kosten, von denen mehr als die Hälfte auf königliche, der Rest auf Dombauvereinsrechnung kam, beliefen sich seit Beginn der Thätigkeit des Dombauvereins auf 2,220,000 Thaler.

Der 15. October des Jahres 1863, der Geburtstag des ersten Protectors, Königs Friedrich Wilhelm des Vierten, wurde gewählt, um in einer würdigen Feier die Freude über die Erreichung dieses so lange und heiß ersehnten Zieles kund zu geben, und die überraschenden Ergebnisse, welche eine einundzwanzigjährige Bauthätigkeit geliefert, gaben der Ausdauer, Energie und Opferwilligkeit, mit welchen die Sache des Dombaues betrieben worden, das glänzendste Zeugniß. Diese Ergebnisse trugen in sich selbst die Bürgschaft, daß im Verlaufe von weniger als zwei Decennien der herrliche Wunderbau mit den Schlußblumen auf den beiden Thurmspitzen werde gekrönt werden, und daß der Dom in seiner ganzen Vollendung strahlen werde, wenn nur der Eifer und die Opferwilligkeit nicht erkalten und keine unvorhergesehenen Störungen dem Weiterbau hemmend in den Weg treten.

König Wilhelm der Erste zeigte sich nicht weniger als sein verstorbener Bruder für den Dombau günstig gestimmt. Unter dem 20. Februar 1861 nahm er das Protectorat über den Dombauverein bereitwilligst an. Noch zu Lebzeiten Friedrich Wilhelm's des Vierten bewährte er sich durch die That als ein freigebiger Dombaufreund. Auf seine Kosten ließ er von der Künstlerhand des Dombildhauers Professor Christian Mohr die plastische Ausschmückung des Südportals ausführen. Im Jahre 1863 ertheilte er bei seiner Anwesenheit in Köln seine Genehmigung zur Veranstaltung einer lotterieartigen Collecte zur Vollendung der beiden Thürme, und nachdem der erste Versuch solcher Collecte günstig ausgefallen war, wurde die Genehmigung der Dombaulotterie auf weitere acht Jahre ertheilt und hierdurch die Möglichkeit geboten, den Riesenbau der beiden Thürme bis zu den Kreuzblumen in einem möglichst kurzen Zeitraume auszuführen. Am 4. September 1867 konnte in Gegenwart des Kronprinzen die Schlußfiale auf den großen Wimperg über dem Haupteingange der Westfaçade gesetzt werden, und es erhielt hiermit das Hauptportal der Domkirche, dessen Gewölbeschlußstein König Friedrich Wilhelm der Vierte am 15. Juni 1852 eingefügt hatte, seinen architektonischen Abschluß. Bis zu dieser Zeit berechnete sich die Gesammteinnahme des Dombauvereins auf die Summe von 1,081,686 Thalern 16 Silbergroschen 2 Pfennigen, und der Zuschuß des Staats auf 1,250,000 Thaler. Es kam demnach durchschnittlich auf das Jahr eine Verwendung von 93,000 Thalern.

Im Jahre 1868 wurde bei einem Arbeiterpersonal von 520 Werkleuten die Summe von 180,000 Thalern, im Jahre 1869 von 244,566 Thalern verausgabt, während die Zahl der in den Bauhütten beschäftigten Steinmetzen etwa 330 Mann betrug. Die Hauptthätigkeit war auf den Aufbau des nördlichen Thurmes gerichtet, und kamen namentlich die Wölbungen der acht Fenster der zweiten Thurmetage, die Wimpergsanfänge daselbst und der Blumenfries unter dem großen Hauptgesimse, dann die reich verzierten Fensterwimperge des ersten Thurmgeschosses, die Gallerien und Fiale zur Vollendung. Bis zum Anfange des Jahres 1869 war der Nordthurm bis zu einer Höhe von 47,07 Meter allseitig vollendet.

Die Vorbereitungen zum Weiterbau des Südthurmes, der in seinen Umfassungsmauern bis zu 50,21 Meter und in einem Eckpfeiler bis zu 56,49 Meter aufgeführt war, bedingten die Niederlegung des seit der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts auf diesem Mauertorso stehenden Krahnens, aber ehe der Fortbau in Angriff genommen werden konnte, mußte der obere stark verwitterte Theil bis zum zweiten Hauptgesims abgetragen werden, und nachdem dies geschehen, wurden die massiven Umfassungswände bis zu der Höhe der Fensterverdachung wieder aufgeführt.

Im Laufe des Jahres 1869 förderte man den Bau des Nordthurmes bis zu einer Höhe von 54,92 Meter, und im Frühjahr 1870 wurden die Fensterwimperge der dritten Etage an der Nord- und Westseite aufgesetzt. Von 1864 bis 1870 kamen für den Ausbau der Thürme 752,249 Thaler 18 Silbergroschen 1 Pfennig zur Verwendung.

Der französisch-deutsche Krieg des Jahres 1870 äußerte, wie auf alle Privat- und öffentliche Bauthätigkeit, so auch auf den Betrieb des Dombaues seine hemmende Wirkung. Wegen der Verkehrsstockung auf den Eisenbahnen war eine Ergänzung des Steinmaterials aus den Brüchen in Hannover, Württemberg und im Nahethal unmöglich. Es gelang aber der Bauverwaltung, den Betrieb in leidlichem Gange zu halten, so daß der Nordthurm um ungefähr 4,7 Meter und der Südthurm um 5,3 Meter gefördert werden konnte. Im Ganzen wurden 177,927 Thaler für den Fortbau verwendet.

Die Bauthätigkeit der Jahre 1871 und 1872 wendete sich vorzüglich der Weiterführung des südlichen Thurmes zu und förderte denselben bis 10,98 Meter über der zweiten Verdachung.

Die Einwölbung des Westportalfensters sowie die Ausführung des Fensterwimperges, der Gallerie und des Dachgiebels mit der großen Kreuzblume kam 1873 zur Vollendung, und waren inzwischen auch zahlreiche Restaurationsarbeiten an Ornamenten etc. vorgenommen worden. Nachdem der Raum zwischen den Thürmen durch Einfügung der achtundvierzig Meter hohen Portalwand innerhalb weniger Monate ausgefüllt worden war, gelangte die im Plane des Kölner Domes so formenschön und harmonisch angeordnete Westportalfaçade zur überraschenden Totalwirkung und verlieh der Domkirche das Gepräge der allseitigen Vollendung. Auch brachte die Einfügung des großen Sterngewölbes als erster massiver Abschluß der Thürme im Inneren die großen Hallen des dritten Geschosses zur vollen Geltung. Dieses Gewölbe, aus reich profilirten Rippen von Haustein und sorgfältig ausgeführten Kappen von behauenem Tuffsteine construirt, überdeckt bei einer diagonalen Spannweite von fünfzehn Metern einen Flächenraum von fünfzig Quadratmetern.

Während die Thürme bis zur Höhe von circa siebenzig Metern außen und innen viereckig emporsteigen, beginnt mit dem dritten Hauptgesimse das Oktogon, welches, bis zur Höhe von circa vierundneunzig Metern hinaufreichend, aus dem Achteck construirt ist. Auf den durch die Achteckslösung freigewordenen vier Ecken der Thürme erheben sich vom dritten Hauptgesims ab die vom Oktogonbau völlig abgelösten Eckfialen, die, bei kleineren Kirchen aus einzelnen Fialenschäften bestehend, am Kölner Dome zu Thürmen von dreiunddreißig Metern Höhe und sechs Metern Durchmesser heranwachsen.

Während im Inneren des Domes das Kirchenschiff, das Domdach zwischen den Thürmen und der eiserne Glockenstuhl vollendet wurden, begann man im Jahre 1874 mit der Aufführung des Oktogons an beiden Thürmen.

Die Steinhelme beider Thürme wurden im Herbst 1879 bis zum Beginn der Kreuzblumen ausgeführt und diese Kreuzblumen, welche in einer Höhe von acht Metern die Gallerie krönen, im Frühjahr 1880 aufgesetzt.

Im Anfang des Jahres 1879 begann die Einwölbung der Thurmhalle im Erdgeschoß des südlichen Thurmes mit der Construction des für den Durchzug der Glocken bestimmten Kreuzgewölbes, und nun konnte auch die Aufstellung der neuen Thurmuhr im ersten Stockwerk des südlichen Thurmes erfolgen, während das Aufziehen der sämmtlichen Domglocken mittels hydraulischer Presse vom 13. Juli bis zum 7. August 1878 zur Ausführung kam. Die Kaiserglocke, um dies nebenbei zu bemerken, wiegt 540 Centner; die Pretiosa 200 Centner, die Speciosa 120 Centner.

Wir verdanken es vor allem der Thatkraft und Opferwilligkeit des kunstliebenden deutschen Volkes, dann aber auch der werkthätigen Begeisterung deutscher Fürsten und einflußreicher Männer, daß der Torso des Domes, dieser stumme und zugleich beredte Ankläger der durch innere Zerrissenheit und äußere Drangsale geschwächten deutschen Nation, vor völligem Verfalle bewahrt, und das Ganze in der Weise ausgebaut worden ist, wie es dem genialen Gedanken der ersten Dombaumeister vorgeschwebt hat. Alle Freunde und Förderer des Dombaues reichten einander die Hand, um in edlem Wettkampfe die alte Rheinmetropole mit einem Wunderbau zu schmücken, der sowohl an Großartigkeit des ganzen Werkes, wie an künstlerischer Vollendung der Einzelheiten wohl auch

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 704. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_704.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)