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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


den Tag und das Jahr jenes traurigen Ereignisses dem Besucher in’s Gedächtniß rufen soll.

Der Sandhof im Passeyer-Thal.

Wenn wir Meran auf der Nordseite durch das Passeyer-Thor verlassen, so führt uns der Weg, dicht an den Ruinen der steil gelegenen Zenoburg vorüber, am rechten Ufer der Passer hin in das Passeyer-Thal; in zweieinhalber Stunde gelangen wir nach dem freundlichen Dorfe Saltaus und von dort weiter bald auf dem rechten, bald auf dem linken Ufer in noch nicht zwei Stunden nach St. Martin, über welchem das Schloß Steinhaus gelegen ist. Diesem gegenüber erblicken wir auf dem linken Ufer des Flusses den Pfandlerhof.

Die Hofer-Tafel an der Mahdhütte.

Hierhin flüchtete Andreas Hofer aus seinem weiter nach Norden gelegenen Sandhof, als gegen das Ende des Jahres 1809 auch der letzte Versuch eines Widerstandes gegen die über den Brenner und aus dem Puster-Thal unaufhaltsam in das südliche Tirol vordringenden Franzosen gescheitert und von Baraguay d’Hilliers für Denjenigen, der den Rebellenhäuptling tödten würde, eine Belohnung ausgesetzt worden war. Als die Gefahr immer höher stieg und Hofer sich auch auf dem Pfandlerhofe vor den ihm nachspürenden Feinden nicht mehr sicher hielt, rettete er sich in eine fast unzugängliche Hütte, in die oberhalb des Pfandlerhofes auf der Brantacher Alpe gelegene Mahdhütte. Aber auch hier konnten ihn weder die Unzugänglichkeit der Wege, noch die Eisberge und der sechs Fuß hohe Schnee vor seinen Verfolgern schützen; denn es fand sich, „was nur zu denken, geschweige zu erzählen, tief betrübend ist“ (Schlosser), einer seiner vertrauten Anhänger, dessen Namen man in Tirol noch wohl kennt, der aber hier besser verschwiegen bleiben mag, welcher den Zufluchtsort Hofer’s für dreihundert Ducaten verrieth.

Die Mahdhütte, Ort der Gefangennahme Andreas Hofer's.

Hier wurde dieser vom Bataillonschef Coutier am 28. Januar 1810 um vier Uhr Morgens gefangen genommen,[1] wobei die französischen Grenadiere an dem aus dem Schlaf geweckten, ruhig sich ihnen überliefernden Gegner arge Grausamkeiten verübten, ihn mit Kolbenschlägen empfingen und ihm die Haare des Bartes ausrissen. Wie im Triumph und um den Tirolern zu zeigen, daß jede Hoffnung auf Befreiung verloren sei, führten sie ihn gefangen das Passeyer hinab durch Meran und andere Städte und Dörfer seines Landes in’s feste Mantua, wo er vor ein Kriegsgericht gestellt und auf ausdrücklichen Befehl Napoleon’s erschossen wurde, doch erst nach Verlauf einiger Wochen, am 20. Februar (nicht, wie es Nr. 40, 1879 in „Blätter und Blüthen“ heißt: am 10. Februar). Demnach blieb dem Herren in Wien Zeit genug, wenn sie gewollt hätten, für die Begnadigung des Tiroler Volkshelden einzutreten, der ja im Einverständniß und anfangs mit der offenen Unterstützung des Wiener Hofes zu den Waffen gegriffen hatte. Doch es geschah nichts der Art; nicht einmal der Versuch dazu wurde gemacht – statt dessen hat aber Kaiser Franz den männlichen Nachkommen Hofer’s die erbliche Adelswürde verliehen!

Die Gedenktafel zum Andenken an die Gefangennehmung Andreas Hofer’s, welche von nun ab die Mahdhütte im Passeyer kennzeichnen wird, besteht aus weißem Tiroler Marmor, wie er in den Steinbrüchen bei Göflan im Vintschgau gebrochen wird. Sie zeigt außer der Inschrift das vom Professor J. Juß in Innsbruck trefflich modellirte und vom Steinmetzmeister Egger in Meran sauber ausgeführte Reliefbild Hofer’s in Medaillonform.

Die Worte am untern Rande der Tafel: „Errichtet im Juni 1880“ bezeichnen den für die Befestigung der letzteren ursprünglich in’s Auge gefaßten Termin; derselbe hat aus zwingenden Gründen hinausgeschoben werden müssen, und es ist statt dessen der September in Aussicht genommen. Da nun in Tirol keine Feierlichkeit ohne ein Freischießen gedacht werden kann, so hat man auch für diese patriotische Feier ein solches angeordnet, eine größere Summe zu Preisen bestimmt und die gesammten Schützen des Burggrafenamtes Meran dazu eingeladen. Dies Schießen soll zwei Tage, den 13. und 14. September, währen. An anderen volksthümlichen Belustigungen dürfte es außerdem bei diesem Anlaß

  1. In den meisten Geschichtswerken und Reisebüchern und falsche Daten der Gefangennahme Hofer’s angegeben, in einigen der 20., in andern der 23., in noch anderen der 27. Januar. Die obige Angabe ist, wie von noch lebenden Kampfgenossen aus 1809 und von Augenzeugen, welche den Gefangenen durch Meran führen sahen, bekundet wird, die allein richtige.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 605. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_605.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)