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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


diese lächerlichen, plumpen ungeschickten Eisenklötze, ohne Masten, ohne Takelwerk, ohne Segel, blos mit einigen garstigen Schlöten, deren dicker Qualm den Himmel berußt! Eine einzige jener koketten, anmuthigen Fregatten der guten alten Zeit, die mit ihren himmelhohen Masten und zahllosen, gleich Schwanenfittigen ausgebreiteten Segeln einen so herzerquickenden Anblick boten, die bei gutem Winde ihre zwölf bis sechszehn Knoten in der Stunde machten, die so flink über die Fluth dahinglitten, als hätten sie eine Freude an ihrem übermüthigen Tanze – eine einzige jener stolzen Seglerinnen taugte mehr, als alle diese formlosen, grämlichen und schwerfälligen Metallklumpen zusammengenommen. Nur eine Gattung von Schiffen, fügen diese Enthusiasten der Segelschifffahrt hinzu, bewahrt noch die Traditionen der guten alten Zeit, und das sind die Segel-Yachten, welche reiche Sportliebhaber zu ihrem Vergnügen unterhalten, und um ihre Augen an dem Anblick dieser netten Fahrzeuge zu erfreuen, gehen sie so gern nach der Insel Wight, dem Hauptsitz des Segelsports in England.

Der „königliche Yachtclub“, der sein Hauptquartier in Cowes aufgeschlagen hat, zählt gegenwärtig fast 180 Mitglieder, deren jedes eine eigene Segeljacht unterhält; ein solcher Besitz ist ein Luxus, den sich nur die Reichsten gestatten können, da eine große Yacht von etwa 500 Tonnen, abgesehen von den Zinsen des Capitals, das sie repräsentirt und das man auf reichlich 250,000 Mark veranschlagen kann, jährlich auf mindestens 25 bis 30,000 Mark zu stehen kommt, ohne dem Besitzer außer dem Vergnügen einer zeitweiligen Lustfahrt oder des Sieges in einem Wettsegeln irgend einen Nutzen zu gewähren.

Allerdings ist es ein prächtiges Schauspiel, an einem sonnigen Nachmittage bei frischem Winde die eleganten Schiffe aus dem Hafen von Cowes ausfahren und die Nordküste der Insel entlang segeln zu sehen. Da sammeln sich die Besucher der verschiedenen Seebäder am Strande und beobachten, bequem im Sande gelagert oder auf mitgebrachten Klappstühlen sitzend, die Manöver der Lust-Yachten, deren niemals zwei einander in Sicht sein können, ohne alsbald ein „race“, eine Wettfahrt, zu improvisiren. Für die Seeleute und Fischer, welche jedes Schiff, seinen Eigenthümer, seine Bemannung und seine Eigenschaften kennen, hat eine solche Wettfahrt das spannendste Interesse; sie verfolgen aufgeregt mit Fernrohren die Bewegungen der Fahrzeuge, kritisiren das Aufsetzen oder Einreffen eines Segels, freuen sich, wenn eine Yacht jedem Druck des Steuers augenblicklich folgt, jubeln, wenn eine derselben ihrer Concurrentin den Wind wegfängt, und gerathen in Ekstase, wenn etwa eine Favoritin nach hartem Kampfe den Sieg über eine größere und besser getakelte Gegnerin davongetragen hat. Aber auch die Badegäste, die nicht dieses fachmännische Interesse an dem Verlaufe des Wettkampfes haben, ergötzen sich an dem Anblicke der schlanken Fahrzeuge von verschiedener Größe, die im vollen Schmucke ihrer schimmernden Segel und bunten Wimpel mit der Schnelligkeit und den anmuthigen Bewegungen von Möven über den blauen Seespiegel hingleiten, und sie werden nicht müde, stundenlang am sonnigen Strande und in der manchmal ganz empfindlich starken Seebrise auszuharren und dem maritimen Sporte zuzusehen.

So führt den Einen die Erinnerung an schöne Tage, den Andern die Passion, den Dritten das milde Klima und der landschaftliche Reiz, den Vierten der nur noch hier in solcher Ausdehnung und mit solchem Eifer betriebene Segelsport nach der Insel Wight, alle Besucher aber, die sentimentalen wie die hausbackenen, sind darüber ewig, daß Alt-England keinen lieblicheren Fleck Erde aufzuweisen hat, als dieses zauberische Eiland im Canal La Manche.

Max Nordau.




Karl Humann und die Ausgrabungen von Pergamon.


Gegenüber der Insel Lesbos liegt an dem vielgegliederten Küstenlande Kleinasiens der Hafenplatz Dikeli, etwa zehn Meilen nördlich von Smyrna, der großen Handelsmetropole der Levante. Von Dikeli aus führt in vier Stunden am Felsenufer des Kaikosflusses entlang der Weg nach Bergama, einer Stadt von fast zwanzigtausend Einwohnern, die sich auf den Trümmern des einstigen Pergamon entwickelt hat; Griechen und Türken bilden zu gleichen Theilen die Hauptbevölkerung, neben ihnen treten die Juden und Armenier bedeutend an Zahl zurück. Während im Gebiete der heutigen Stadt und in ihrer nächsten Umgebung noch die nicht unbedeutenden Reste mehrerer römischen Bauten – eine Basilika, ein Amphitheater, ein Aquäduct etc. – zu bemerken sind, bietet der Burgberg den unerfreulichen Anblick eines großen Trümmerfeldes, das mit dichtem niederem Gestrüppe und wilden Feigenbäumen überwuchert ist. Nur hin und wieder treten einige Mauerreste aus der Pflanzendecke hervor. Im Norden der Stadt erhebt sich, in sanften Terrassen ansteigend, der Berg bis zu einer Höhe von dreihundert Meter und bildet dort ein ovales Plateau, dessen Seiten nach den andern drei Richtungen hin schroff in die Ebene abfallen. Hier oben, auf diesem Bergplateau, stand einst die Burg der Könige von Pergamon, hier war der Sitz eines Herrschergeschlechts, unter dessen Pflege sich die griechische Kunst zu einer zweiten, vollen Blüthe entfaltete. Während drüben im alten Griechenland mit dem politischen Niedergang auch Kunst und Wissenschaft gesunken waren, erstand hier an kleinasiatischer Küste im dritten Jahrhundert vor Christus ein junges Königreich, das durch die Attaliden zum Asyl für Künstler und Gelehrte wurde. König Attalos und seine Nachfolger betrachteten sich denn auch mit Vorliebe nicht nur als Beschützer, sondern geradezu als Repräsentanten des Hellenismus. Als es Attalos gelungen war, die schon von seinen Vorgängern bekämpften Horden der Gallier auf das Haupt zu schlagen, ließ er seine Residenz mit vier großartigen Bildwerken schmücken, zu deren Ausführung er die hervorragendsten Künstler heranzog. So entstand eine Darstellung von dem Siege der Götter über die Giganten, dem Siege des Herakles über die Amazonen, dem Siege der Griechen bei Marathon und endlich von seinem eigenen Siege über die Galater.

Die Absicht des ehrgeizigen Herrschers, seine eigenen Thaten in Parallele zu stellen mit den höchsten Ueberlieferungen der griechischen Sage und Geschichte, ist unverkennbar. Er stiftete deshalb auch Copien jener Bildwerke als Weihgeschenke auf die athenische Akropolis; einige dieser Figuren, wie der sterbende Fechter des Capitols und die Gallier-Gruppe der Villa Ludovisi, haben sich bis auf unsere Tage erhalten und wurden schon vor längerer Zeit der pergamenischen Kunstschule zugeschrieben.

Eine doppelte Ringmauer schützte ursprüglich die pergamenische Burg mit ihren Palästen und Heiligthümern, welche von der Höhe herab weit über das Land schauten. Dem Andrängen der Barbaren vermochten aber später, in byzantinischer Zeit, die weit ausgedehnten Befestigungswerke nicht mehr zu widerstehen; ihre Vertheidiger sahen sich zum Rückzuge auf die Höhe des Berges gezwungen und errichteten hier nach Süden zu einen dritten Schutzwall, zu dem die Säulen und Bildwerke der eigenen Tempel das Material liefern mußten. So kommt es, daß, in diese Festungsmauer verbaut und mit Kalk und Mörtel überschüttet, uns die Hauptstücke der Gigantenschlacht, jenes großartigen Sculpturenfrieses erhalten blieben, welcher einst den Zeus-Altar auf der pergamenischen Akropolis schmückte.

Die Auffindung dieser Sculpturen haben wir einem deutschen Ingenieur, Karl Humann in Smyrna, zu verdanken, der Jahre lang mit unablässigem Eifer darauf drang, jene Schätze zu heben. Mit Spannung hatte man dem Verlaufe der Nachgrabungen zugesehen, und das Resultat derselben hat selbst die kühnsten Erwartungen weit übertroffen; so hat sich denn das allgemeine Interesse auch auf die Person des Mannes gelenkt, welcher diese herrlichen Kunstwerke seinem Vaterlande erwarb.

Allen Deutschen, die im Laufe des letzten Jahrzehnts Smyrna besuchten, ist ein in der Frankenstraße gelegenes freundliches zweistöckiges Haus mit grünen Holzjalousien wohlbekannt, welches häufig den Sammelpunkt für die dortigen Colonisten bildet. Auf den Schlag des schweren Thürklopfers öffnet sich die eiserne Eingangspforte, und wir treten in einen geräumigen Vorplatz. Marmorfliesen bedecken den Boden; vor den Wänden stehen Statuen, an deren Sockel sich grüner Epheu emporrankt, und daneben laden bequeme Sitzbänke zur Ruhe ein. Zwischen den theils orientalisch, theils in europäischem Geschmack eingerichteten Zimmern führt ein

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 599. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_599.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)