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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

Südsee-Inseln eintreten zu müssen und unterstützte mit allem Nachdruck die darauf hinzielende Regierungsvorlage, die sogenannte Samoavorlage, welche dem diesjährigen Reichstage zur Berathung vorlag. Selbst die Ablehnung derselben seitens des Reichstages hat ihn durchaus nicht entmuthigt; er wird sein Ziel, Deutschlands Handelsbeziehungen zu den Südsee-Inseln und dem australischen Festlande zu sichern und zu erweitern, unbeirrt verfolgen und hat begründete Hoffnung, daß diesem reinpatriotischen Streben die Anerkennung und Betheiligung der Nation für die Dauer nicht vorenthalten bleiben werde.

Einen schätzenswerthen Dienst leistet der Centralverein dem deutschen Handel durch Herausgabe der Wochenschrift „Export“, indem er in derselben die Originalcorrespondenzen von auswärtigen Mitgliedern über die mercantilen Verhältnisse des Auslandes veröffentlicht; daneben widmet er aber auch im genannten Blatte der Auswanderung und Colonisation die nöthige Aufmerksamkeit in Uebereinstimmung mit seinem weiter oben mitgetheilten Programm.

Daß sich gerade in Südbrasilien die meisten Zweigvereine gebildet haben, läßt darauf schließen, daß die dortigen deutschen Colonisten die Bestrebungen des Centralvereins zu würdigen wissen und nach Kräften zu fördern Willens sind. Sie haben freilich oft genug in völliger Uebereinstimmung mit den officiellen Berichten der dortigen deutschen Consulate Zeugniß abgelegt von ihrem Wohlergehen, aber es bisher nicht vermocht, den Widerstand zu brechen, welcher der deutschen Colonisation in Südbrasilien sowohl amtlich, wie von Seiten des Publicums hier in ihrer Heimath bereitet wird. Dies hoffen sie jetzt mit Hülfe des Centralvereins zu erreichen, dem sie eine hierauf bezügliche an den deutschen Reichstag gerichtete Petition zur Uebermittelung an letzteren übersenden werden. Es ist nicht zu leugnen, daß von der brasilianischen Regierung viel, unendlich viel auf dem Gebiete der Colonisation gesündigt worden, und gerade der Centralverein ist eifrigst bestrebt, mit unnachsichtlicher Härte diese Fehler aufzudecken, aber desto mehr wird er für jene urkräftige deutsche Colonisation in Südbrasilien eintreten, welche trotz der Seitens des Staates begangenen Fehler sich zu so hoher Blüthe entwickelt hat und gerade für Deutschlands Handel außerordentlich wichtig geworden ist. Während unsere Volkswirthschaftslehrer die Auswanderung von Deutschen nach den Vereinigten Staaten als einen Totalverlust an unserem Nationalvermögen beklagen, pflegen die nach Ländern romanischer Zunge auswandernden Deutschen Sprache und Sitte der Heimath zu bewahren und Pioniere für deutschen Handel und deutsche Cultur zu werden; wenigstens war dies in Südbrasilien der Fall, wo mit Hülfe der deutschen Colonisation der englische und französische Handel aus dem Felde geschlagen wurde und der deutsche Handel sich eine dominirende Stellung errungen hat. Es liegt dies in der Natur der Sache. Dem überaus praktischen und thätigen Yankee gegenüber ist der schwerfälligere Deutsche – wenigstens auf dem Gebiete des Handels und der Industrie – der Lernende, den romanischen Stämmen Südamerikas gegenüber aber ist er der Lehrende, der Ueberlegene, und die größeren Unterschiede in Sprache und Sitte schließen dort sein Aufgehen im einheimischen Element, den Verlust seiner deutschen Eigenart, den wir an unsern Landsleuten in Nordamerika so tief beklagen, aus.

Was bisher der deutschen Colonisation in Südbrasilien gefehlt hat, das ist eine planmäßige Leitung derselben und ein unausgesetzter Zufluß neuer Arbeitskräfte aus Deutschland. Diese in völliger Unabhängigkeit von der brasilianischen Regierung zu erzielen, wird das Bestreben des Centralvereins und seiner südbrasilianischen Zweigvereine sein, welche letztere insofern der Auswanderung nach dort bereits einen großen Dienst leisten, als sie den Ankömmlingen mit Rath und That zur Seite stehen, damit sie nicht in die Hände eigensüchtiger Speculanten, die es dort wie überall giebt, fallen, sondern wohl untergebracht werden. Auch sind jene Vereine beschäftigt, durch Aussendung von Fragebogen an deutsche Ansiedler eine möglichst eingehende und genaue Statistik zu gewinnen, um demnächst mit der Logik der Zahlen zu beweisen, was deutscher Fleiß in jenem gesegneten Himmelsstriche zu erreichen im Stande ist.

Selbstverständlich wird sich die Thätigkeit des Centralvereins auf dem Gebiete der Colonisation nicht ausschließlich auf Südbrasilien erstrecken, sondern er wird auch andere geeignete Länder berücksichtigen, besonders die im Stromgebiete des La Plata liegenden; doch glaubte er seine Aufgabe gerade dort beginnen zu sollen, wo bereits starke deutsche Gemeinwesen vorhanden waren und sich erfreulich entwickeln, obgleich ihnen bisher nicht die mindeste Theilnahme vom Stammlande zugewendet wurde.

Angesichts des zunehmenden internationalen Verkehrs und der Erweiterung von Deutschlands Handels- und Colonisationsinteressen im Auslande hat der Verein schon häufig Veranlassung genommen, die Nothwendigkeit des Abschlusses von Consularverträgen mit überseeischen Staaten und die Vermehrung der deutschen Berufsconsulate daselbst zu betonen; er wird, soweit überhaupt ein Privatverein derartige der Competenz des Staates unterstellte Angelegenheiten zu fördern vermag, durch Wort und Schrift dafür thätig sein.

Noch haben wir zu erwähnen, daß es dem Centralverein bereits gelungen ist, zu einer Bibliothek und einem handelsgeographischen Museum einen erfreulichen Grund zu legen.

Die deutsche Presse ist dem Berliner „Centralverein für Handelsgeographie und Förderung deutscher Interessen im Auslande“ durchaus freundlich begegnet und hat dessen Bedeutung für die wirthschaftliche Wohlfahrt des Vaterlandes unumwunden anerkannt. Und in der That – es ist aller Grund zu der Hoffnung vorhanden, man werde mit Hülfe der in allen Theilen der Erde lebenden Vereinsmitglieder im Laufe der Zeit ein Institut schaffen, welches für die Entwickelung unseres Geschäftsverkehrs mit fremden Völkern von hoher Bedeutung sein wird.

Alfred Waeldler.




Wild-, Wald- und Waidmannsbilder.
Von Guido Hammer.
Nr. 46. Eine Gemsjagd.


Sonnenklar strahlte ein reifkalter Spätoctobermorgen über die Berge herein – irre ich nicht, war’s gerade am Tage St. Galli, als der Herzog Ernst der Zweite von Sachsen-Coburg-Gotha, der rastlose Jäger, in seinen ausgedehnten wildreichen Revieren der Hinterriß in Tirol die erste Treibjagd des Jahres auf Gemsen abhielt. Nach frühzeitig erfolgtem Aufstieg in die Berge bis hinauf zu den Schroffen der Hochalpen, wo die Jagd abgehalten werden sollte, waren die Schützen endlich an ihrem Bestimmungsorte angekommen, vom dienstthuenden Wildmeister bald angestellt, und zwar so, daß der gezwungene Wechsel, den die Gemsen vor den Treibern nothwendig annehmen mußten, an erster Stelle vom hohen Jagdherrn selbst, ihm zur Seite aber durch den Prinzen Leiningen und den Grafen Erbach-Erbach besetzt ward. Weiter unten hingegen, am Fuße einer gerölligen Halde und dicht vor einer Latschendickung, hatten Mr. Barnard, der damalige englische Gesandte am Coburger Hofe, Freund Gerstäcker und meine Wenigkeit ihre Stände angewiesen bekommen. Nachdem hiernach das Signal, der sogenannte Hebschuß, zum Ablaufen für die in stundenweitem Umkreise harrenden Treiber gegeben worden war, schlug mir, dem Neuling in dieser Art Jagd, denn doch das Herz merklich heftiger; regte mich doch die Hoffnung auf möglichen, mir gewünschten „guten Anblick“ und dabei anzubringenden erfolgreichen Schuß nicht wenig auf. Um so vorsichtiger und strenger nahm ich Alles in Obacht, um ja nicht durch eine etwa jählings über mich kommende Ueberraschung außer Fassung gebracht und gar vom Jagdfieber ergriffen zu werden. Darum stand ich denn regungslos wie aus Stein gemeißelt, nur des Auges unmerkliche Bewegung zum Umblick nach allen Richtungen hin nicht hemmend, und wartete so in der mich umgebenden lautlosen Gebirgseinsamkeit mit Spannung der Dinge, die da kommen sollten.

Dabei mochte wohl schon gut eine volle Stunde vergangen sein; inzwischen hatte auch nicht ein einziger Ton das lauschende Ohr berührt, aus dem man die Annäherung von Wild oder Treibern hatte schließen können; kein Zeichen bekundete dem bis zur Ueberreizung ausspähendem Auge auch nur das Geringste vom Gange der zu erhoffenden Jagd – da, endlich, an einer fernen, mir

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 588. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_588.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)