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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

von Osborne auf der Insel Wight nicht minder prophetisch an den Berliner Turnrath: „Ich begrüße das allgemeine deutsche Turnfest als eine neue willkommene Gelegenheit, Genossen aus allen Gauen des deutschen Vaterlandes zu vereinen und eine Kunst zu fördern, deren nutzbringende Thätigkeit von mir schon in früher Jugend geschätzt ward und die, gegenwärtig mit neuem Eifer erfaßt, sicherlich bei richtiger Handhabung die Söhne des Vaterlandes zu thatkräftigen Stützen seiner Schicksale anleiten muß.“

Eine Perle im Kranze glänzender nationaler Feste war das dritte allgemeine deutsche Turnfest zu Leipzig am l. bis 5. August 1863, zur fünfzigjährigen Feier der Erinnerung an die glorreichen Tage der Völkerschlacht bei Leipzig im October 1813. Selten verlief wohl ein Fest so ungestört, so friedlich unter 20,000 Theilnehmern. Selbst der Himmel wartete mit seinem Regenschauer und Donnerwetter, bis am letzten Tage des Festes die zündenden, begeisterten und begeisternden Worte des damaligen Privatdocenten von Treitschke von der Einigung der Nation verklungen waren, und es war dann fast wie eine großartige Manifestation höherer Mächte, als an die Stelle des projectirten Feuerwerks ein gewaltiges Gewitter trat.

Das für Nürnberg geplante Turnfest unterblieb des österreichischen Krieges wegen. Zur Feier der Wiederausrichtung des deutschen Reiches, zur Erinnerung an die denkwürdigen Tage von Wörth und Spichern wurde vom 4. bis 6. August 1872 in Bonn das vierte Turnfest gefeiert. Leider kleidete hier der unaufhörliche Regen die Feststimmung in ein so abscheuliches Grau, daß die große Masse der Turner – wir möchten nicht zu viel sagen – ohne rechte Befriedigung heimkehrte.

In Frankfurt am Main feierte vom 25. bis 29. Juli 1880 das volksthümliche Turnen seinen siebenzigsten Geburtstag. Der Reiz der ganzen Festlichkeit, eine billige und angenehme Reisegelegenheit, die Anziehungskraft einer herrlichen, culturhistorisch und weltgeschichtlich bedeutsamen Gegend, der herzliche Festgruß einer gastlichen Großstadt, Alles vereinigte sich, um ein in allen Theilen gelungenes Fest zu versprechen. So regten sich denn schon mehrere tausend fleißige Hände seit Beginn des Frühjahres nicht nur in der Feststadt, auf dem Festplatze, nein auch im weiten Deutschland auf allen Turnplätzen und in allen Hallen.

Zuschauer während des Festzuges.

Im Festzuge.

Es wurde geturnt, gespart und verhandelt, Pläne und Führer für Frankfurt wurden studirt und wohl auch weitere Ausflüge nach dem Rhein, in den Taunus und nach Lothringen mit in das Programm aufgenommen.

Die Excutormarken, soll heißen die roth-weißen runden Festabzeichen, trafen in der letzten Woche vor dem Feste ein. Mehr als acht Extrazüge beförderte fast an einem Tage aus allen Himmelsgegenden Tausende von Turnern nach dem einen großen Brennpunkt. Während des Empfangstages, Sonnabend den 24. Juli, hatten die Mitglieder der Unterausschüsse vollauf am Ostbahnhofe, wie an den Westbahnhöfen und in Sachsenhausen zu thun, um die ankommenden Festgenossen zu begrüßen, mit Musik in die Stadt zu geleiten und in die Quartiere zu führen. Aber nicht nur in der Feststadt war alles in freudiger Aufregung, schon auf allen dem Festorte mehr oder minder nahegelegenen Stationen Thüringens, Hessens, Sachsens herrschte eine begeisterte Stimmung.

Während noch immer neue Schwärme von Turnern herangezogen kamen, mußte man schon an den Beginn der Abwickelung des Programmes denken. Abends acht Uhr fand die Begrüßung der Turner auf dem Festplatze und die Ueberreichung der Bundesfahne statt, die der deutschen Turnerschaft von Frankfurter Frauen und Jungfrauen gestiftet ist als ein Symbol der lange erstrebten, jetzt erreichten Zusammengehörigkeit. Die Fahne, in Form einer Kirchenfahne nach dem preisgekrönten Entwurfe des Herrn O. Lindheimer durch die Firma Staudt und Jung ausgeführt, zeigt auf der Vorderseite im Mittelfelde den Reichsadler von einem Eichenkranze umgeben, während die rothseidenen übrigen Felder und die blaue Friese von Sammet mit reicher stillvoller Goldverzierung bedeckt sind. Die Rückseite zeigt im Mittelfelde das Turnerwappen.

Leider war es nicht Allen vergönnt, an diesem Theile des Festes theilzunehmen, doch sah man die neue Bundesfahne im Festzuge erglänzen.

Der 25. Juli brach an, ein Sonntag. Es lachte ein heiterer Morgen, was nicht wenig dazu beitrug, die festliche Stimmung zu erhöhen.

Sonnenschein, Festesfreude und Zufriedenheit mit den Leistungen des Wohnungsausschusses harmonirten prächtig. Der erste Morgenimbiß am Kaffeetisch der Frankfurter Familie machte den Fremdling heimisch, und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 572. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_572.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)