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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


1870.
(Eine Gedächtnisfeier.)


Heil, Deutschlands Jahr! Zu keinem höh’ren Bilde
Steigt unser Blick in aller Zeiten Lauf:
Der Heerruf tönt; es donnern die Gefilde
Vom deutschen Waffensturm: „das Volk steht auf.“

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Zu Land und Meer, es wogt auf allen Bahnen,

Es eilt herbei der Jüngling wie der Mann,
Vom Lehrstuhl, aus der Werkstatt, zu den Fahnen –
Und mit den Fahnen an der Marken Bann.
Was lange wir erhofft mit heißem Sehnen,

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Erblühen muß es jetzt aus Blut und Thränen.


Die Opfer auf des Vaterlands Altar –
Wo ist die Wage, ihren Werth zu messen?
Die greise Mutter bringt den Sohn ihm dar,
Das höchste Kleinod, das ihr Herz besessen,

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Das junge Weib den Gatten, und die Braut

Des Lebens Zukunft in dem Angelobten –
Und wo ihr in der Krieger Reihen schaut,
Der Opferliebe Zeugen, der erprobten,
Sind Hunderttausende, denn selten Einen

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Wird keine Seele lieben und beweinen.


Noch einmal steigt, ihr Namen, heut’ empor
In festlicher Erinn’rung Eichenkranze:
Ihr, Weißenburg und Wörth an Deutschlands Thor,
Du, Spichernhöhe, blutgetränkte Schanze,

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Und du, Dreitagesschlacht, nach Leipzigs Art,

Der heute wir zehnjähr’gen Lorbeer winden –
Und Sedan du mit deiner Kaiserfahrt –
Wo ist ein Gleiches in der Welt zu finden?
Und selbst der Mauern alte Schmach gerochen:

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Die Besten Straßburg, Metz, Paris gebrochen!


Und wie im Feld – daheim! Wie dort der Wunden,
So brannte hier der Herzen Angst und Pein.
Für Alles war ein Balsam nur gefunden:
Rastlose Sorg’ um unsre „Wacht am Rhein“.

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Und über unsrer Todten Gräber woben

Den Schleier Dank und Ehre in dem Reich,
Das sie durch That und Tod emporgehoben.
So blieb für Weh’ und Heil die Wage gleich:
Es konnte mit dem Stolz die Trauer gehen,

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Beim Siegerheimzug Flor und Fahne wehen.


Das Höchste war erlebt und war erreicht:
Ein neues „Dreizehn“ unserm Vaterlande,
Ein einig Reich, das keinem andern weicht,
Und deutsches Selbstgefühl in jedem Stande.

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Stolz sahn wir auf die Zeit der Schmach zurück,

Die überwunden ward durch „Blut und Eisen“.
Der Freiheit Leuchte, deutscher Wohlfahrt Glück,
Des Rechtes Ordnung – so ward’s uns verheißen –
So hoch war uns vergönnt, uns zu erheben –

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Das war Begeistrung; das war höchstes Leben. – – –


Zehn Jahre schwanden – – Feiern heute wir
Des Sieges Tage froh in freien Hallen?
Gesenkte Häupter seh’ ich dort und hier:
Ist in des Reiches Lenz ein Reif gefallen?

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Wir spähen nach der Freiheit Leuchte aus

Und nach des Glückes Stern, ob er noch funkelt –
Und schauen trauernd, wie im Gotteshaus
Und in des Reiches Haus es drohend dunkelt.
Wir grüßen jedes Heldengrab mit Grämen,

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Als müßten wir uns vor den Todten schämen.


Zehn Jahre – und die Freude ist vergangen
An unserm größten Jahr. Weß ist die Schuld?
Hat unser Volk die Wehre aufgehangen,
Froh seiner alten Kette, der „Geduld“? –

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Nein, nein, und aber nein! Es konnt’ erlahmen

Auf Augenblicke wohl, doch nimmermehr –
Das schwören wir in seiner Todten Namen –
Giebt es der Freiheit Leuchte wieder her.
Du hehres Fest, stärk’ uns in diesem Glauben:

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Das deutsche Volk läßt sich das Licht nicht rauben.
Friedrich Hofmann.




Frühlingsboten.
Von E. Werner.
(Fortsetzung.)

Edmund trat zu seinen Gästen, die ihn sofort in ihre Mitte nahmen, und in dem lauten fröhlichen Durcheinander des Aufbruches, in dem allgemeinen Abschiednehmen verschwand für die Gräfin jede Möglichkeit, ihm noch ein Wort zu sagen.

Die Herren eilten fort. Niemand hatte die kurze Scene zwischen Mutter und Sohn bemerkt, Niemand in ihrer Umarmung etwas Ungewöhnliches gefunden. Nur Oswald hatte das Auge nicht von den Beiden gelassen, und es folgte auch jetzt mit einem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 529. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_529.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)