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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

„Wenn die Geschichte die Namen brutaler Volksdränger und zelotischer Finsterlinge der Nachwelt überliefert, so thut sie das nur, damit die Verachtung der künftigen Geschlechter sie ebenso trifft, wie die Verwünschungen der Gegenwart. – Aber in eigenem Lichte glänzen die Namen der geistigen Heroen, die, ihrer Zeit voraneilend, dem Ideenkreise ihrer Zeitgenossen ihre Richtung haben; ihr Geist ist lebendig durch alle Zeiten, denn die zum Gemeingut gewordene Idee ist in endloser Folge die Mutter stets wachsender Erkenntniß. – Nie wird Deutschland des ersten seiner Dichter vergessen, und sollte man einstens fragen: Wo stand Weimar? dann wird die Geschichte mindestens sagen: In seinen Mauern lebte Schiller!“

Am 22. Januar zeichnet der Weimarische Oberbürgermeister und Stadtdirector Karl Georg Hase ein:

                  „An Schiller.

Was Du von der Freiheit hast gesungen,
Hat in Deinem Volke nachgeklungen;
Ueberall schon grünet Deine Saat!
Frost und Hitze konnten sie nicht drücken,
Golden werden bald die Aehren nicken,
Und dem kühnen Worte folgt die That.“

Gustav von Struwe, der spätere badische Revolutionsmann und Geschichtsschreiber, liefert vom 3. Februar aus Mannheim folgenden Beitrag:

„Die Zeit des Dichters Schiller liegt um ein halbes Jahrhundert hinter uns. Deutschland ist an Erfahrungen reicher geworden, seit er aufhörte, seine Ideale dem Vaterlande vorzuführen. Wenn Schiller’s Zeit dazu aufforderte, für Freiheit und Recht zu schwärmen, so ist es die Aufgabe unserer Tage, für Freiheit und Recht zu wirken, Gut und Blut für diese höchsten Güter der Menschheit einzusetzen. Thun wir dieses, dann handeln wir im Geiste des Dichters der Freiheit, dann üben wir unsere Pflicht als Menschen und Bürger. Lebte Schiller unter uns, er würde in den vordersten Reihen kämpfen gegen die Verderbniß, welche von den höchsten Stufen der Gesellschaft herab ihr Gift über die ganze Nation ausschüttet.“

Adolph Stahr in Oldenburg schrieb am 4. Februar:

„,Die moralische Möglichkeit, den Staat der Noth in den Staat der Freiheit zu verwandeln, fehlt, und der freigebige Augenblick findet ein unempfängliches Geschlecht!’ (Schiller’s Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen.)

Je näher diese große Aufgabe der Menschheit ihrer Lösung entgegenschreitet, desto tiefer und dankbarer wird es erkannt werden, daß Schiller’s unsterblicher Genius die Menschheit zu derselben erzogen hat und täglich erzieht.“

Günther von Ziegeler, fürstl. Schwarzburg-Sondershausener wirklicher Geheimrath a. D. in Sondershausen, ein Verwandter von Schiller’s Gattin, schließt seine am 12. Februar 1848 im Album niedergelegten persönlichen Erinnerungen an seine Aufnahme in Schiller’s Hause zu Jena (1793 und 1794) mit den ganz im Geiste von 1847 gedachten Worten:

„Offener Sinn für alles Wahre und Gute, und dann vorwärts zum Besseren, aber nicht im Sturmschritte, sondern in besonnener Weise, das sey unser Losungswort und die Maxime unseres Handelns!“

Von Dr. Joh. Wilhelm Schäfer in Bremen, berühmtem Literaturhistoriker, auch Dichter, lesen wir:

„Das ist des deutschen Volkes Hoffnungstraum,
Daß einer neuen Hansa Bund sich webe,
Daß durch des Weltenmeeres Wellenschaum
Am stolzen Mast die deutsche Flagge schwebe,
Und daß in seinem ungemeßnen Raum
Die deutsche Flotte ihr Panier erhebe;
Die Hansa schlummert noch im Zeitenschooße:
Der Tag kommt für das Herrliche und Große.

Ein Völkerfrühling naht mit mächt’gem Wehen,
Er sendet seine Boten schon voran.
Nicht hemmen ihn die eisbedeckte Höhen;
Vom Süd zum Norden macht er kühn sich Bahn.
Und was vom Belt bis zu den Alpenseeen
Prophetisch sich verkündet, ist kein Wahn:
Ein Jugendfeuer strömt durch Deutschlands Glieder,
Und Eine große Hansa eint uns wieder.

Worte zum Schlusse einer öffentlichen Vorlesung über die Geschichte der deutschen Hansa – niedergeschrieben im Vorgefühl großer vaterländischer Ereignisse am 20. Februar 1848.“

Louise von Ploennies, die Dichterin in Darmstadt, hat das „Schiller-Album“ mit einem längeren Gedichte geschmückt, welches beginnt:

„Ich hab’ dir manches Lied gesungen,
Doch nur im innersten Gemüth,
Wenn still von deinem Geist durchdrungen
Es mir im Herzen tief geglüht“ –

und schließt, schon die erwachenden Ansprüche des Weibes auf Betheiligung am öffentlichen Leben andeutend – es ist am 22. Februar 1848 geschrieben –:

„Wenn an der Geister Heiligthume
Nicht mehr vergebens pocht die Frau,
Dann blüht der Liebe Wunderblume
Noch herrlicher auf deutscher Au.“

Unter den Prophetenstimmen einer anderen Richtung möge, um auch in dieser Beziehung eine Probe zu bringen, dem Theologen und Literaturhistoriker, damaligen Gymnasialdirector in Marburg, Dr. August Friedrich Christian Vilmar das Wort gegeben sein. In seinem Beitrag, der am 22. Februar (Schiller’s Hochzeitstag 1790) niedergeschrieben worden ist, heißt es unter Anderem:

„Sie feiern dir manch ,Schiller-Fest’, manch ,Hoch!’ gilt deinen ,Manen’;
Im Prunksaal deine Büste steht, dein Bild in Sänger-Fahnen;
Dort weihen sie ein Standbild dir; dies Album wird gegründet;
Sie lesen, wie die Briefe einst mit Körner dich verbündet etc.

Wer noch dich liest, der pflückt doch nur an deinen Ruhmeskränzen,
Liest auch vielleicht aus dir heraus – moderne Staatstendenzen.
Wer fühlt, wie wir als Knaben einst, dein sturmgewalt’ges Wehen?
Wo sind die Dichter, die allein den Dichterheld verstehen?
Die Sänger, die aus tiefster Brust zu deiner Harfe singen?
Die Seelen, die du kühn einst trugst auf deiner Seele Schwingen?
Die Wangen, die wie Morgenroth bei deinem Sang geleuchtet,
Die Augen, die mit Thränenglanz dein Liederstrom befeuchtet?
Wo ist ein Herz, in das dein Wort wie Blitz und Sturm gewittert,
Daß selbst noch in des Greises Brust Begeistrung es durchzittert?
Ein Herz, in das dein mächt’ger Klang des Lebens Odem hauchte
Und tief es in den frischen Quell der ew’gen Jugend tauchte?
Kaum lernen wollen sie von dir, nur über dich viel sprechen etc.

Nichts werden wollen sie durch dich, von dir nur vieles wissen,
Und wenn sie Leben und Gedicht zergliedert und zerrissen,
Dann thun sie breit und groß damit, was du durch sie geworden –
Sie werden alles nur durch sich, die Literatenhorden etc.

Doch wenn dereinst ein neu Geschlecht durch dich will etwas werden,
Dann bricht ein neuer Tag herein der Lieder hier auf Erden,
Und wieder, wie in alter Zeit, wird’s von den Bergen klingen
Und regen sich in Flur und Wald ein neues frohes Singen.
Wenn wieder dann bei deinem Lied die Herzen freudig schlagen,
Dann wird Gesänge stolzen Klangs ein Sturm durch Deutschland tragen,
Der kühn als junge Freiheit braust, wie Ost im Frühlingslaube,
Und mild und warm, wie Maienhauch, als alter treuer Glaube.
Sein Odem ruft die Todten auf, die Grüfte sprengt sein Wehen:
Es wird aus seinem Felsengrab der Rothbart auferstehen,
Und weltgebietend rauscht, wie einst, des deutschen Aars Gefieder.
Heran! du freie neue Zeit, du Zeit der deutschen Lieder!“

Und nun treten wir in die Sturmwehen der Revolution selbst ein und begrüßen voll Ehrfurcht den ersten Verkündiger derselben im Schiller-Album, der kein Geringerer ist, als der 1860 verstorbene Ignaz Heinrich von Wessenberg, damals Bisthumsverweser in Constanz (in der „Gartenlaube“ in Bild und Wort – Jahrgang 1863, Seite 37: „Die Mitra mit dem Eichenkranz[WS 1] – dargestellt). Er, der als Kirchenfürst, Patriot und Dichter gleich hervorragende Mann, singt begeistert – am 25. Februar 1848 –:

                 „Der Völker Auferstehen.

Wer fühlt jetzt nicht allwärts die Schauer wehn,
Wie sie voraus der Morgensonne gehn?
Wo ist ein Volk so tief in Schlaf versunken,
Daß es, durchzuckt von einem Himmelsfunken,
Nicht lauschte sehnsuchtsvoll und freudetrunken
              Dem Ruf zum ,Auferstehn’?

Welch Brausen in den Tiefen, auf den Höhn?
Wem giebt sich Gottes Finger nicht zu sehn?
Ist’s der doch, der gelöst der Völker Zungen,
Daß eine Stimm’ ist durch die Welt gedrungen:
Wornach umsonst Jahrhunderte gerungen,
              Soll jetzt uns auferstehn.

Kein Wahnbild nennt’s, um was die Völker flehn?
Wer dürfte so, was Menschen heilig, schmähn?
Gerechtigkeit und Freiheit sind die Güter,
Wofür der Völker Chor jetzt treue Hüter
Begehrt. Ist Frevel gegen die Gebieter –
              Solch edles Auferstehn?

O nein! Gott will, daß ernten, welche sä’n,
Will, daß nach Licht frei alle Geister spähn.
Aufrecht zu ihm soll jedes Antlitz schauen,
Sich jeder Mund erschließen mit Vertrauen,
Und jedes Volk, um sich sein Haus zu bauen,
              Frohlockend auferstehn!

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: „Die Tiara mit dem Eichenkranze“
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 523. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_523.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)