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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


huldigenden „Papiergeld-Arbeiterpartei“ verbanden, waren die Demokraten eifrig bestrebt, diejenigen Gesetze unwirksam zu machen, welche bestimmt waren, bei nationalen Wahlen, das heißt bei Präsidenten- und Congreßwahlen, die Reinheit der Stimm-Urne zu schützen und Gewaltthätigkeiten und Betrügereien bei der Stimmabgabe zu verhindern.

Innerhalb wie außerhalb des Congresses regte sich wieder der alte unionsfeindlichc Rebellengeist, und wie unter Grant nördliche Abenteurer in den Südstaaten das freie Stimmrecht mit Füßen getreten hatten, so machten jetzt die südlichen Demokraten, die früheren Sclavenhalter, mit den wildesten Drohungen, mit List und Gewalt jenes Recht illusorisch. Unionsbeamte, welche das Gesetz aufrecht erhalten wollten, wurden in das Gefängniß geworfen. Die entrechteten Neger verließen den Süden und zogen zu Hunderttausenden im Anfang des Jahres 1879 nach dem Norden und Nordwesten der Union. In den Gesetzgebungen verschiedener Südstaaten, z. B. in Virginien und Alabama, wurden Beschlüsse gefaßt, welche das dreizehnte, vierzehnte und fünfzehnte Verfassungs-Amendement, wodurch die Farbigen gleiche politische Rechte mit den Weißen erhalten hatten, für „null und nichtig“ erklärten. Die Organe der südlichen Demokraten wagten es, mit einer „neuen Rebellion“ zu drohen, und in den Hallen des Congresses selbst hielten am 4. März 1879 südliche Bundessenatoren bei Berathung der berüchtigten, nur auf politischen Stimmenfang abzielenden „Pensionsbill“ die wärmsten Lobreden auf den Erzrebellen Jefferson Davis, den Ex-Präsidenten der südlichen Conföderation, und verglichen ihn mit den größten Helden des alten Griechenlands und Roms. Senator Hoar aus Massachusetts protestirte gegen die Ungeheuerlichkeit, daß Jefferson Davis, der Todfeind der Union, weil er einmal im mexikanischen Kriege die Uniform der Union getragen, aus dem Bundesschatze eine Pension beziehen sollte, aber er rief damit nur unter den demokratischen Senatsmitgliedern die wüthendsten Zornausbrüche hervor. Da erhob sich, es war bereits 3 Uhr Morgens geworden, der leider nunmehr verstorbene Zacharias Chandler, Senator aus Michigan, von seinem Sitze und sprach unter Anderem folgende Worte:

„Es sind jetzt ungefähr zwanzig Jahre her, als ich mit Herrn Jefferson Davis in dieser Kammer aufstand und mit ihm beim allmächtigen Gott schwor, die Verfassung der Vereinigten Staaten aufrecht zu erhalten. Vier Jahre hindurch saß ich mit Jefferson Davis in dieser Körperschaft und sah, wie Tag für Tag Anstalten gemacht wurden, diese Regierung niederzubrechen. Mit Verrath im Herzen und Meineid auf den Lippen leistete er den Schwur, die Regierung zu stützen, deren Sturz er beabsichtigte. Herr Präsident, es war Methode in diesem Wahnsinn. Im Bunde mit anderen Männern des Südens und mit Ministern des Präsidenten James Buchanan wurden die sorgsamsten Vorkehrungen von ihm für das, was folgen sollte, getroffen. Der Schatz der Union wurde geleert, das Bundesheer über das ganze weite Land hin zerstreut, sodaß es in der Noth keine Hülfe leisten konnte. Unsere Kriegsschiffe wurden in entfernte Meere gesandt, wo immer die Winde sie hinwehten und die Wogen sie trugen, sodaß sie zum Niederwerfen der Rebellion nicht benutzt werden konnten. Herr Präsident, im letzten Februar waren es achtzehn Jahre, da saß ich in diesen Hallen und hörte, wie Jefferson Davis seine Abschiedsrede hielt, uns über die Pflichten belehrte, die wir nach der Verfassung dieser Regierung schuldig wären, uns dann verließ und die Rebellion gegen die Regierung begann, der zu dienen er geschworen. Ich blieb hier während der ganzen Dauer des Rebellionskrieges. Ich sah unsere braven Soldaten bei Tausenden, fast möchte ich sagen bei Millionen, auf den Schauplatz des Krieges ziehen. Ich sah ihre gelichteten Reihen wiederkehren. Ich sah Dampfboot nach Dampfboot, einen Eisenbahnzug nach dem andern die Verwundeten heimbringen. Ich besuchte meinen Freund, den General Burnside, der jetzt Senator ist, als er die Potomac-Armee commandirte, und ich sah Schmerzensscenen, die das Herz erzittern machen. Ich sah Wittwen und Waisen, die jener ruchlose Krieg geschaffen. Zu jener Zeit dachte ich nicht, daß die Zeit kommen würde, wo ich es erleben sollte, im Senate der Vereinigten Staaten Jefferson Davis bei seinen Lebzeiten lobpreisen zu hören, den noch lebenden Rebellen hier in diesen Hallen des Senates der Vereinigten Staaten. Wahrlich, Herr Präsident, ich bin darüber fast betäubt, aber ich kann den Herren aus dem Süden hier sagen, daß sie den Geist des Nordens der Union wenig kennen, wenn sie hierher kommen mit hochtönenden Redensarten auf den Lippen und Lob häufen auf Denjenigen, welchen jeder Mann und jede Frau und jedes Kind im Norden für einen doppelten und dreifachen Verräther erklärt.“

Kein Senator wagte es, Chandler’s Rede zu unterbrechen. Niemand fühlte sich beleidigt. Die Worte des republikanischen Senators enthielten eine niederschmetternde Wahrheit – aber das von den Demokraten beantragte Pensionsgesetz wurde doch angenommen, wenn auch die auf Creirung neuen Papiergeldes abzielenden Vorschläge des demokratischen Senators Voorhees aus Indiana keinen Anklang fanden.

Das hier kurz geschilderte unionsfeindliche Auftreten der Demokraten rief jedoch in der Stimmung des amerikanischen Volkes bald wieder einen Umschwung zu Gunsten der republikanischen Partei hervor, nicht minder die ruhige und feste Haltung des Präsidenten Hayes, der in allen Hauptfragen unentwegt das Interesse des ganzen Volkes im Auge behielt und sich weder von den heißblütigen Südländern, noch von den hab- und herrschsüchtigen Grant-Leuten auf Irrwege führen ließ. Die Verfassung aber setzt auch dieser anerkennenswerthen Regierung ein Ziel. Im bevorstehenden November muß vom Volke ein neuer Präsident erwählt sein, und die Zurüstungen für den großen Wahlkampf haben bei sämmtlichen Parteien dieses Mal früher begonnen, als es sonst wohl zu geschehen pflegt.

Den Anfang machten die drei Bundessenatoren Conkling aus New-York, Cameron aus Pennsylvanien und Logan aus Illinois, ein „Grant-Triumvirat“, welches, wohlbewandert in allen Künsten der politischen „Drahtzieherei“, mit verblüffender Dreistigkeit das Project in Angriff nahm – den General U. S. Grant zum dritten Male in das „Weiße Haus“ einziehen zu lassen. Diese Edlen wußten, daß sie im Falle des Gelingens nicht nur selbst eine maßgebende Rolle spielen, sondern auch ihren dienstwilligen Werkzeugen und Helfershelfern einen lohnenden Preis in fetten Bundesämtern würden gewähren können. Schon im Februar eröffneten sie lebhaft ihre Operationen, um drei der einflußreichsten Staaten der Union möglichst zeitig für Grant zu gewinnen; sie hofften, daß es ihnen dann nicht schwer fallen würde, auch in anderen Staaten die Grant-Fahne siegreich zu erheben und so bis zum 2. Juni, der für die allgemeine republikanische Vorwahl angesetzt war, die Majorität für ihre Pläne zusammenzubringen. Allein diese Rechnung war doch eine trügliche. Ihr Spiel in New-York, Pennsylvanien und Illinois gelang, aber nun rührten sich auch die Gutgesinnten. Allen voran war es das deutsche Element in den Vereinigten Staaten, welches sich weigerte, zum dritten Male einen Mann auf den Präsidentenstuhl zu erheben, dessen Regierung in mehr als einer Beziehung dem amerikanischen Namen nicht eben Ehre gebracht hatte. Bald schlossen sich ähnlich denkende Amerikaner an, und so trat am 6. Mai dieses Jahres eine Nationalconvention „unabhängiger Republikaner“ zu St. Louis im Staate Missouri zusammen und erklärte: daß eine dreimalige Präsidentschaft desselben Mannes das ungeschriebene, aber durch Gebrauch geheiligte Gesetz der Union verletze und gegen das republikanische Princip sei, und daß eine dritte Wahl Grant’s mit allen gesetzlichen Mitteln auch deshalb bekämpft werden müsse, weil dadurch die von Hayes so erfolgreich begonnene Reformpolitik gefährdet werde. Diese Beschlüsse fanden in der ganzen Union den lautesten Wiederhall, und gerade die besten Mitglieder der republikanischen Partei traten für die Ansicht ein, daß, was ein George Washington, ein Thomas Jefferson, ein Madison, ein Monroe sich nicht erlaubt haben, einem Grant am allerwenigsten zu erlauben sei.

Als daher am 2. Juni die Nationalconvention der Republikaner zur Wahl ihres Präsidentschafts-Candidaten in Chicago zusammentrat, da zeigte es sich, daß die Grant-Fraction, allen angewandten politischen Künsten zum Trotz, nicht im Stande war, das Feld zu beherrschen. Abgesehen davon, daß nicht Cameron, dem Vorsitzenden des republikanischen Central-Wahlcomités, sondern dem früher genannten Hoar die Leitung der Versammlung übertragen wurde, beschloß die Convention auch, daß nicht nach Staaten abgestimmt werden sollte, sondern daß jeder einzelne Delegat berechtigt sei, sein Votum „nach seiner eigenen freien Meinung abzugeben“. Es war vorauszusehen, daß nunmehr eine ganze Anzahl von pennsylvanischen und neu-yorker Delegirten gegen Grant stimmen würde. Die Grant-Männer ergingen sich in glänzenden, aber leidenschaftlichen Reden. Nur um so sympathischer berührte die

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