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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


Volk bedurfte populärer naturwissenschaftlicher Aufklärung über die Benutzung physikalischer, chemischer, mechanischer Kräfte und Gesetze, über die verborgenen Naturschätze seines Grund und Bodens zur Vereinfachung der Gewerbe. Das große deutsche Volk brauchte polytechnische Belehrung, erziehende, bildende Unterhaltung, und die Pfennig-Literatur bot dieselbe in anziehender, billigster Weise. Sie war zugleich ein probates, homöopathisches Mittel gegen die Kost der zahllosen seichten Bücher, welche man damals dem Volke für schweres Geld in die Hand gab. Weber war ein wahrhafter Homöopath in diesem Zweige der Literatur. Gegen die großen teuren Schriften, welche keinen Pfennig werth waren, gab er kleine Dosen guter Blätter, die nur einen Pfennig kosteten. –

Und das geschah in der Zeit, als die Schwingungen der Pariser Julirevolution auch Deutschland nachhaltig erschütterten, als das „Junge Deutschland“ in Literatur und Buchhandel zu frischem, kräftigem Leben empordrang und Leipzig die Fundamente zur neuen Buchhändlerbörse legte, in deren Hallen der buchhändlerische Geschäftsverkehr in neuen Formen geregelt, in neue Bahnen geleitet und international erweitert werden sollte. Damals, in ein und demselben Jahre, 1834, gründeten J. J. Weber und Otto Wigand ihre eigenen Geschäfte. War Wigand der heißblütige, begeisterte Schutzpatron aller literarischen Unternehmungen im Geiste freisinnigen Fortschrittes und der Volksbildung, so war Weber, mehr künstlerisch angelegt, der ästhetische Reformator des deutschen Bücherdruckes. Sein Dichten und Trachten, seine Ziele und Aufgaben bei allen Unternehmungen waren Schönheit des Druckes und der gesammten Ausstattung, Anwendung und Vervollkommnung der alten deutschen Kunst des Holzschnittes zu typographischer Illustration. Mit großer Vorliebe wandte er sich der Herstellung illustrirter Werke zu, welche die Vorzüge der besten englischen und französischen erreichen, womöglich übertreffen sollten.

Gleich seine ersten Verlagsartikel waren illustrirte Werke aus der französischen und deutschen Geschichte, anfangs mit französischen dann mit deutschen Stahlstichen, und nicht lange darauf, 1832, erschienen die „Geschichte Napoleon’s“ und „Die Soldaten des Kaiserreichs“ mit französischen Holzschnitten nach Vernet.

Die Herausgabe aller dieser Werke war aber nur Vorbereitung, auch in Deutschland bei Zeichnern und Holzschneidern Lust und Liebe, beim großen Publicum Sinn und Verständniß für die Verwendung des Holzschnittes zu Illustrationen zu wecken. Ehe wir indeß diese Bestrebungen in ihrem Zusammenhange verfolgen, muß zuvor einer anderen Richtung der Wirksamkeit Weber’s gedacht werden, welche seine ideale Auffassung auch der praktischen Berufsthätigkeit, seinen Eifer für Reform des Geschäfts charakterisiert.

Gleich nach Eröffnung der neuen Buchhändlerbörse im Jahre 1836 war Weber der Erste, der für die erwünschte Reform Hand an’s Werk legte. Er gab das „Bibliopolische Jahrbuch“ (1836-42) heraus, das nicht blos eine damals vortreffliche Handhabe für den praktischen Geschäftsdebit des Buchhandels war, sondern auch über die geistigen Interessen und über die Vorgänge literarischer Rechtsverhältnisse im In- und Auslande die beste Auskunft gab. In ähnlicher Weise suchte auch 1838-39 Weber’s „Zeitung für Buchhandel und Bücherkunde“ zu wirken. Beide Zeitschriften sind nicht ohne wohlthätigen Einfluß geblieben.

Von einem höheren, man kann sagen wissenschaftlichen Geiste war Weber’s „Allgemeine Preß-Zeitung“ (1840-43) getragen, ein Unternehmen, das ein wahrhaftes Bedürfniß der Zeit geworden war.

Im Glanz des jungen Ruhmes, in der Blüthezeit unserer Literatur war nämlich das Urtheil über das Recht des Eigenthums der Dichter und Schriftsteller, über ihr Autorrecht an ihren Werken verdunkelt und verwirrt worden. Die Gesetzlosigkeit hatte im Buchhandel eine wüste Anarchie hervorgerufen. Während der Buchhändler im Süden Deutschlands nach jedem geistigen Product seine Fangfäuste ausstreckte, hatte er sich im Norden hinter Wall und Graben des starren Rechts materiellen Eigenthums zurückgezogen. Einerseits war die Ansicht zum Bewußtsein gekommen, daß ein Product des Geistes, ebenso wie es aus dem Bewußtsein der Nation hervorgegangen, auch dem Gemeinbesitz derselben wieder anheimfalle, daß der Autor seine besten Werke nur von dem Genius der Zeit zu Lehen trage. Das nachwachsende Geschlecht erkannte immer mehr, daß die Werke seiner Classiker das theuerste Erbtheil seiner Vergangenheit seien, daß diese Werke ihm gehören, daß es sich den wünschenswerthen Besitz derselben nicht länger durch „allergnädigste Privilegien“ verkümmern lassen wolle. Es wollte die Werke seiner Classiker in billigen, in Volksausgaben haben. Andererseits hing die Theorie des ewigen Verlagsrechts, die in die Gesetzgebung Preußens und Sachsens übergegangen war, im starren abstracten Begriff des materiellen Eigenthums. Erst nach mehr als zwanzigjährigem „Hangen und Bangen“ gaben die Frankfurter Bundesbeschlüsse vom 2. April 1835 und November 1837 dem literarischen Eigenthumsrecht eine positive Basis für ganz Deutschland, und erst seitdem konnte der Boden für eine Preßgesetzgebung urbar gemacht werden.

Und wieder finden wir Weber auch bei dieser Arbeit in vorderster Reihe. Die Presse hatte damals für ihre eigenen Rechtsangelegenheiten noch kein selbstständiges Organ; Weber unternahm es, dem literarischen Recht ein solches Organ zu geben, und gründete eben die „Allgemeine Preß-Zeitung“. Hülfreich standen ihm hierbei zu Seiten zwei der tüchtigsten Männer in rechtswissenschaftlichem Gebiete: der ehemalige preußische Criminaldirector Hitzig und der sächsische Advocat Dr. Schellwitz. Hitzig hatte, nachdem er den Staatsdienst verlassen, im Verein mit dem Xylographen Professor Gubitz, dem Dichter Chamisso und dem Romanschriftsteller Haering (Wilibald Alexis) in Berlin die „Vereinsbuchhandlung“ gegründet; er galt als juristische Autorität, war mit dem praktischen Buchhandel vollkommen vertraut, interessirte sich für denselben mit Eifer und Einsicht und trat an die Spitze der Redaction, und die „Preß-Zeitung“ hat unter seiner tüchtigen Führung ein wahrhaft schätzenswerthes Material für die Revision der Gesetzgebung geliefert.

Wenden wir uns nunmehr zu derjenigen Thätigkeit Weber’s, die der eigentliche Mittel- und Brennpunkt seines Schaffens war, in der er seine Eigenart am schärfsten und ausdrucksvollsten ausgeprägt hat – zu seinen Bestrebungen, die deutsche Holzschneidekunst neu zu beleben und den Holzschnitt als Illustrationsschmuck in deutschen Druckwerken zu verwerthen.

Durch Hitzig lernte Weber dessen Schwiegersohn, den Kunsthistoriker Franz Kugler, und ferner den Maler Adolf Menzel persönlich kennen.

Der bloße Namenklang beider Männer erinnert an die Eigenart und Bedeutsamkeit ihrer Werke. Es liegt die Vermuthung nahe, daß Weber bei der großen Befriedigung, die er in der Herausgabe der vorgenannten französischen Werke, der „Geschichte Napoleon’s“ und der „Soldaten des Kaiserreichs“, gefunden hatte, die Idee zur Herausgabe eines ähnlichen deutschen Werkes zur Geschichte Friedrich’s des Großen gefaßt haben mochte und daß Kugler und Menzel ihn sehr wesentlich zur Ausführung aufgemuntert haben. Lag doch in Weber der unermüdliche, im besten Sinne ehrfüchtige Drang, das fremde Schöne und Gute schöner und besser in deutschen Werken darzustellen. Friedrich der Große und seine Zeit boten zu einem solchen Werke den historisch reichsten und künstlerisch idealsten Stoff. – Wir wissen, daß das Triumvirat Kugler, Menzel, Weber ein herrliches, wahrhaft monumentales Werk geschaffen hat. Aber welche Arbeit, Mühe und Kosten dieses Werk erforderte, davon hat man in unseren Tagen, in denen Illustrationen überall wie Unkraut emporwuchern, kaum eine annähernde Vorstellung.

Weber’s damaliger Geschäftsgenosse, Karl B. Lorck, der kenntnißreiche Historiograph der modernen typographischen Kunst, sagt in seinem Nachrufe an den Freund:

„Wer da zusieht, mit welcher Leichtigkeit jetzt die bedeutendsten illustrirten Werke in den vorzüglich eingerichteten Druckereien auf Schnellpressen im Fluge gedruckt werden, kann sich wohl kaum eine rechte Vorstellung von den Schwierigkeiten machen, mit welchen die Bahnbrecher für die bessere und geschmackvollere Ausstattung der Bücher, zu welchen Weber in erster Reihe gehörte, zu kämpfen hatten, als man weder das in der Fabrik geglättete Papier, noch eine Satinirmaschine hatte, als feine Illustrationsfarbe in Deutschland noch nicht in Gebrauch, die künstlerische Zurichtung noch unbekannt und der Druck von Illustrationen auf der Schnellpresse vollends etwas Unerhörtes war. Die Einführung der hierauf bezüglichen Verbesserungen in Leipzig verdankt man namentlich den ersten Unternehmungen Weber’s. Hierin liegt hauptsächlich seine Bedeutung für die moderne illustrirende Typographie.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 462. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_462.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)