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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


In der Eisabtheilung.

Gräten zählen? Das ist nun ebenso wenig möglich, wie eine genaue Beschreibung jedes ausgestellten Gegenstandes, der künstlerischen Schönheiten, der Gebäude und Grotten, die auf viele Besucher einen so tiefen und nachhaltigen Eindruck machten. Wir überlassen es der Hand des Zeichners, „Bilder aus der Ausstellung“ dem Leser vorzuführen, und glauben dem leitenden Gedanken des Unternehmens am nächsten zu treten, wenn wir die Frage aufwerfen: Welchen Nutzen kann uns die Ausstellung bringen?

Durchwandern wir die Gruppen Deutschland, Schweden, Norwegen, England und andere, so fällt uns ein bei allen Nationen hervortretendes, allerdings erklärliches Mißverhältniß zwischen dem Inhalt einzelner Abtheilungen auf. Kunstvolle Netze, sinnreiche, oft raffinirte Fangvorrichtungen stehen zahlreich gegenüber den wenigen Apparaten für die eigentliche Fischzucht. Alle ausgestellten Fangwerkzeuge, von den primitiven Angelhaken der Indianer, Grönländer und Eskimos, von den Fischfallen der Hindu bis zu den seidenen Netzen der Chinesen, den Reusen und Kanonenharpunen der Amerikaner und Engländer, sie alle predigen, daß die Menschen aller Zonen und Zeiten, unbekümmert um spätere Geschlechter, nur darauf bedacht gewesen sind, zu fangen und zu bergen.


Bei den italienischen Korallenhändlern.


Erst unser Jahrhundert hat den Anfang gemacht, auch das Gegentheil zu thun und wie auf dem landwirthschaftlichen Gebiete, so auch im Wasser das richtige Verhältniß zwischen Säen und Ernten herzustellen. Da die erstere Thätigkeit den Schwerpunkt des praktischen Interesses auf der Ausstellung bildet, so greifen wir dies Capitel aus dem überreichen Material zu allernächst heraus.

Unter allen Thieren ist der Fisch das fruchtbarste. Lachse und Forellen haben nur wenige Eier, das heißt immer noch Tausende, Schleie etwa 70,000, Hechte 100,000, Barsche 300,000, Karpfen 700,000, Welse und Störe Millionen. Alle Gewässer der Erde würden schließlich überfüllt werden, wenn die Vermehrung in den angegebenen Verhältnissen vor sich ginge, das heißt wenn sich aus jedem Ei ein Fisch entwickelte. Das ist aber nur zum kleinsten Theile der Fall.

Denken wir an das uns zunächst Liegende, die deutschen Flußfische, deren naturgemäßer Fortpflanzung sich unzählige vernichtende Einflüsse entgegen stellen. Alles stürzt über den Laich, die Eier, her: die eigenen Eltern und alle andern Fische fressen denselben mit Raubthierlust; Larven von Insecten, Frösche, Ratten, Mäuse und verschiedene Arten von Wasservögeln betheiligen sich an der Vertilgung; viele Eier bleiben unbefruchtet oder werden durch Pilze zerstört, und den wirklich ausgekrochenen Fischchen treten dieselben Feinde mit noch größerer Wuth entgegen. Wird hierzu noch der Mensch mit seinen verderblichen Einflüssen: dem rücksichtslosen Fischen mit kleinmaschigen Netzen, den Canälen der Städte, den Gräbenwässern, Fabrikabgängen, Drainagen, der Verminderung des Wassers, der Anlegung von Wehren und Turbinen, den Dampfschiffen, der Niederlegung von Wäldern etc. gerechnet, so ergiebt sich ein Resultat, welches die Entvölkerung unserer Flüsse und Bäche vollständig begreiflich erscheinen läßt. Gegen viele dieser hindernden Momente hat der deutsche Fischereiverein mit Erfolg den Kampf aufgenommen, und zu seinen Waffen gehört im erster Linie die von ihm angestrebte Verbreitung der künstlichen Fischzucht.

Die Grundlage aller künstlichen Fischzucht, wie wir sie in mustergültiger Weise auf der Ausstellung durch die Elsasser Fischzuchtanstalt Hüningen (Director Haack), den Oberbürgermeister Schuster in Freiburg-Breisgau, Rittergutsbesitzer Max von dem Borne aus Berneuchen bei Küstrin, Robert Eckardt zu Lübbinchen, die Stadt Köslin, die sächsische Forstakademie zu Tharand, die königlich württembergische Centralstelle für Landwirthschaft, den thüringischen und andere Fischereivereine vertreten finden, ist der sogenannte californische Bruttrog. Das Princip desselben ist uralt; die Chinesen und später die Römer kannten es; der Mönch Pinchon aus dem Kloster Rano soll um das Jahr 1420 Forellen künstlich gezüchtet haben; der Schwede Friedrich Lund, dessen Apparat, ein einfacher durchlöcherter Kasten, in der Abtheilung Schweden ausgestellt ist, und J. L. Jakobi, ein Westfale, beschäftigten sich im vorigen Jahrhundert, unabhängig von einander, mit der künstlichen Fischzucht, ohne indeß der Allgemeinheit zugute kommende Erfolge aufweisen zu können. Erst in der Mitte unseres Jahrhunderts ging von Frankreich, England und Amerika, in dessen Gruppe der zuerst 1851 gebrauchte Apparat im Modell, gewissermaßen als ein heiliges, nationales Erinnerungszeichen, vorgeführt wird, ein kräftiger, belebender

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 409. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_409.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)