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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


Um acht Uhr Abends ist jedes Leben in der Abtei erstorben; nur von Zeit zu Zeit hört man die Kühe brüllen und die Hunde kläffen, welche die Nachtwache halten.

In weiteren zehn Jahren wird das kleine blühende Gut hinunterreichen bis an die Ufer des Tiber; Schritt für Schritt werden die fleißigen Mönche der stiefmütterlichen Natur den Boden abtrotzen und zahlreiches Landvolk herbeiziehen. Sie werden dadurch den Beweis liefern, daß es keine Unmöglichkeit ist, das Weideland der großen Wüste, welche die ewige Stadt meilenweit umgiebt, zu fruchtbaren Feldern umzuwandeln, ohne die Menschen dem Fiebertod preiszugeben.

Wird aber das Beispiel der Trappisten Nachahmer finden? Werden die großen Grundbesitzer und Züchter der Campagna Romana auf die bequemen Einkünfte des Weidelands und ihrer Schaf- und Büffelheerden verzichten, um sich den Mühen und den Gefahren einer langwierigen Urbarmachung zu unterziehen, obgleich dieselbe doppelten und dreifachen Gewinn verspricht? Wir zweifeln daran, denn wo wird man die Opferbereitwilligkeit finden, welche die Arbeiter zehn Jahre hindurch in den sicheren Tod treibt, wie sie es bei den Trappisten that?

Das Aufblühen der Trappistencolonie hat allerdings schon jetzt die nicht ungerechtfertigte Besorgniß hervorgerufen, die seit wenigen Jahren erst aufgelösten geistlichen Orden auf diese Weise um so schöner und um so gefährlicher auferstehen zu sehen, weil sie gleichzeitig als Träger des Wohlstandes und der Arbeit auftreten würden, aber gerade dieser Besorgniß verdankt der Gedanke, große Arbeitercolonien in der Campagna zu gründen, seinen Ursprung. Die italienische Regierung sollte ein großes Interesse daran haben, denselben zu fördern; einen Theil der süditalienischen Auswanderung nach Südamerika künftig nach der römische Campagna zu lenken, müßte z. B. ihre Aufgabe sein. Es müßte dies der italienischen Regierung um so leichter und lieber sein, als der Vatican merkwürdiger und unverständiger Weise die Pflanzung in Tre Fontane mit scheelen Augen betrachtet und ihre Entwickelung durch Auferlegung von Tributen wenn nicht zu verhindern, so doch zu erschweren sucht.

Den Schutz, welchen die italienische Regierung deshalb den todesmuthigen Mönchen gewährt, wird daher Niemand tadeln, gewiß aber darf sie dabei nicht vergessen, daß das Unternehmen der Trappisten nur als eine Versuchsstation betrachtet werden kann, deren Gelingen sie sich zum Beispiel und zum Sporn dienen lassen muß, um die römische Campagna nicht etwa wieder für die vaterlandslose Ordensclerisei, sondern für das fleißige, arbeitslustige Volk des neuen Italiens zu erobern und zugleich damit die große sociale Lebensfrage für die ewige Stadt, welche in der Urbar- und Gesundmachung ihrer Umgebung liegt, einer ernsten Lösung entgegen zu führen.

Die Trappisten von Tre Fontane haben das Verdienst, diese Lösung zuerst angeregt und todesmuthig mit Erfolg versucht zu haben. Ehre daher, wem Ehre gebührt! Aber dem raschlebenden, thatkräftigen Geist unserer Zeit, den so viele sociale Sorgen beunruhigen, darf es nicht entgehen, daß hier ein Wettkampf bevorsteht, in welchem er siegen muß.

An ihm ist es, zu beweisen, daß die freie Vereinigung, daß das Genossenschaftswesen unserer Tage ebenso opferwillig handeln könne, wie die mittelalterliche sclavische Disciplin der Trappisten, und daß sie Erfolge zu erringen vermögen, welche für die wirthschaftliche, moralische und sociale Entwickelung eines Volkes stets weit bedeutsamer und wohlthuender sein werden, als alle noch so gut gemeinten Anstrengungen religiöser Brüderschaften, welche dadurch selbst am deutlichsten beweisen, wie sie keine Berechtigung mehr in der heutigen Gesellschaft haben, daß sie den Schwerpunkt ihres klösterlichen Gemeinschaftslebens hinausverlegten auf das Gebiet bürgerlicher und bäuerlicher Werkthätigkeit.




Beethoven's „Schaffnerin Eurykleia“.

„Gott gebe es, daß ich nur nichts, gar nichts darüber schreiben, reden noch denken müßte; denn Sumpf und Schlamm sind im Kunstboden noch mehr als all das Teufelszeug für einen Mann!“ So schrieb im Jahre 1817 der „unbehülfliche Sohn Apollo’s“, wie sich Beethoven einmal selbst nennt, über seine häuslichen Angelegenheiten an eine Freundin, welche die letzteren für den alternden Junggesellen in Ordnung halten half. Er hatte mit so vielen Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten in seiner Berufssphäre, mit dem, was er „Sumpf und Schlamm im Kunstboden nennt, zu kämpfen, daß er sich gern frei gesehen hätte von kleinen wirthschaftlichen Sorgen, die für „einen Mann“ in der That ein wahres „Teufelszeug“ sind – und wem bedeutete eine weibliche Fürsorge in diesen Dingen wohl mehr als dem schaffenden Geiste, und gar wenn er in solchem Maße in die „Götterlust“ künstlerischen Bildens versunken ist, wie Beethoven es war?

Wir wollen nach den authentischen Quellen ein Bild der erwähnten Freundin Beethoven’s zu skizziren suchen: es wird die durch Klugheit und Feinheit anmuthenden Züge, wie sie ihr beigegebenes Portrait zeigt, nicht verleugnen.

Sogleich ihr Nekrolog vom Januar 1833 kennzeichnet die Eigenschaften, durch welche Beethoven sich an diese Frau gefesselt fühlte: ihren musikalischen Sinn, ihre Weiblichkeit und Häuslichkeit.

Wie hätte irgend Jemand dauernd in Beethoven’s Nähe weilen können, der nicht musikalisch war! Er stellt selbst, als er im Jahre 1809 seinem Freund Gleichenstein wegen einer für ihn aufzusuchenden Frau Instructionen giebt, nächst der Schönheit vor allem die Bedingung an seine Zukünftige, daß sie „seinen Harmonien einen Seufzer schenke“. Unsere „Eurykleia“, wie wir die wackere Frau nach der weiland treuen Schaffnerin im Hause des Odysseus taufen möchten, war sogar ausübende Künstlerin von Bedeutung. „Das Seltene ihres schönen Spieles bestand in der Ruhe und Deutlichkeit, in dem richtigen Ausdrucke, in dem Interesse, welches sie ihrem Vortrage zu geben und wodurch sie ihre Zuhörer immer in Spannung zu erhalten wußte,“ sagt der Nekrolog. „Nicht die Eitelkeit, als Spielerin glänzen zu wollen, störte den aufmerksamen Zuhörer – ein gänzliches Hingeben, das genaueste Anschließen an die Tondichtung beseelte ihre Darstellung und erweckte Entzücken, Rührung oder Wohlgefallen.“ Und diesem Glanze des Talents stellten sich die häuslichen Tugenden unserer Eurykleia gleich glänzend an die Seite – in der That Eigenschaften, die sie besonders befähigten, thätige Liebesdienste einem Manne zu erweisen, von dem ein genauester Kenner in diesem Punkte, der Baron von Zmeskall sagt: „Er bediente sich abwechselnd solcher Freunde, die zugleich Beförderer seiner einfachen Geschäfte sein konnten. Diese mußten sich sein Zutrauen in einem hohen Grade zu erwerben suchen, sollte er sich ihnen vertrauensvoll nähern, welches äußerst selten und bei Wenigen geschah.

Doch wir dürfen den Leser nicht allzu ungeduldig machen – sagen wir endlich, wer diese Pflegerin des großen Meisters gewesen! Sie hieß: Nannette Streicher geborene Stein.

„Nannette Stein war geboren zu Augsburg am 2. Januar 1769. Ihr Vater war Andreas Stein, berühmt als Erbauer der herrlichsten Orgeln, als Erfinder einer Mechanik, die den rohen Pantalon in das jetzt überall eingeführte Pianoforte umwandelte,“ beginnt der Nekrolog, und wenn dieses Letztere auch nur soweit richtig ist, als Stein einer derjenigen war, die das verbesserte Hackbrett (Cymbal), das nach seinem Erfinder Pantaleon Hebenstreit Pantalon benannt war, durch bessere Mechanik zu unserem jetzigen Clavier machten, so besitzen wir doch über diese Sache das zuständigste Urtheil in dem Schreiben Mozart’s vom 17. October 1777, das in „Mozart’s Briefen“ zu finden ist, und hören von Beethoven, daß er schon in der Jugendzeit zu Bonn gewohnt war, „nur auf einem Stein’schen Flügel zu spielen“.

„Da keine der älteren Schwestern so viel Anlage zur Musik verrieth, wie die kleine Nannette, sie auch die zarteste Anhänglichkeit für ihre Vater bewies, so wurde diesem das Kind so werth, daß es seine immerwährende Gesellschafterin sein mußte und er sie in ihrem zehnten Jahre erst zur Verfertigung einzelner Theile, dann zur gänzlichen Vollendung seiner Pianoforte anhielt.“

Und dies bedeutete ihre und ihrer Geschwister fernere Existenz und begründete ihre Zukunft. Denn als nach einigen Jahren der Vater starb, trat sie, die erst dreiundzwanzigjährige Tochter, an seine Stelle. Mit männlichem Muthe übernahm sie es, mit ihrem sechszehnjährigen Bruder das Geschäft fortzuführen,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 388. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_388.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)