Seite:Die Gartenlaube (1880) 266.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

welche er um 1610 heirathete. Strapazen aller Art untergruben später Kraft und Gesundheit, sodaß, als er, kaum einundfünfzig Jahre alt, aegre egrae (durch Mord zu Eger – ein damals sehr beliebtes Wortspiel) umkam, die Mordwaffe Deveroux’ einen nur noch siechen Körper zu Boden warf.

Es erübrigt uns noch, auf das Altdorfer Carcer, respective dessen vielbesprochene Taufe zurückzukommen. Daß der junge Waldstein nicht mit Carcer-, sondern Stubenarrest bestraft wurde, haben wir oben gesehen. Ebensowenig aber ist das Altdorfer Carcer durch den Namen eines Hundes getauft worden. Ursprünglich führte dasselbe nach seinem ersten Bewohner Gabriel Stumpflein, welcher es – also ein Jahr nach der Uebersiedelung der Schule und dreiundzwanzig Jahre vor dem Eintreffen Waldstein’s in Altdorf – einweihte, den Beinamen „Stumpfel“. Später wurde es Bärenkasten, Hundsloch oder auch kurzweg „Hund“ genannt. Und letztere, noch zu Schiller’s Zeit gebräuchliche Benennung hat auch den Dichter zweifelsohne zu dem Verse bewogen:

     „Nach dem Hunde nennt sich’s bis diesen Tag.“

Wenn er dabei vorher des Pudels erwähnt, so verbindet er hier dichterisch die Volksmythe mit der Wirklichkeit. Wahrscheinlich noch bei Lebzeiten des Friedländers hat sich die Sage des Märleins von der seltsamen Carcertaufe bemächtigt, denn schon Wagenseil sieht sich veranlaßt, dasselbe in der fünften seiner „Exercitationes sex varii argumenti“ zu widerlegen.




Pflanzenzucht bei elektrischem Lichte.
Von Carus Sterne.

Einer der Fremden, in deren Gesellschaft der Schreiber dieser Zeilen vor langen Jahren einmal die Glücksbrunner Höhle bei Bad Liebenstein besuchte, wurde daselbst von einer schönen Pflanzendecoration, die zu Ehren eines voraufgegangenen fürstlichen Besuches mit besonderer Pracht am Ufer des unterirdischen Sees arrangirt war, so überrascht und verblüfft, daß er den Charon unserer acherontischen Fahrt fragte, ob diese Palmen, Myrthen, Dracänen etc. immer dablieben und so schön gediehen? Wir lachten damals über den biedern Sohn der Thüringer Berge, der nicht zu wissen schien, daß grüne Pflanzen nur im Lichte gedeihen können, allein wie die seit Februar dieses Jahres angestellten Versuche des Herrn Wilhelm Siemens in London, eines Bruders des bekannten Berliner Elektrikers, gezeigt haben, wäre eine solche unterirdische Pflanzen- und Blumenzüchterei in ewig dem Sonnenlichte entzogenen Grotten doch am Ende sehr wohl ausführbar gewesen.

Die Tageszeitungen haben mit großem Getrommel darüber berichtet, daß Herr Siemens am 4. März vor der Londoner königlichen Gesellschaft der Wissenschaften Tulpenknospen in weniger als einer Stunde durch elektrisches Licht zum Aufblühen gebracht habe, und das Berliner „Mikroskopische Aquarium“ zeigt dieses schon mehr an die „höhere Physik“ erinnernde Kunststück seitdem alltäglich seinen erstaunten Besuchern. Weder den Posaunisten, noch Herrn Siemens selbst scheint es bekannt gewesen zu sein, daß man dieses Experiment unter der wärmestrahlenden Glocke jeder Petroleumlampe ebenso gut, ja sogar im Dunkeln bewerkstelligen kann, da die geschlossenen Blumen mehr durch die steigende Wärme, als durch das Licht zum Ausbrechen gereizt werden. Mehr als einmal habe ich im Hochgebirge des Abends die geschlossenen tiefblauen Gentianen, die ich am Tage in der Nähe des ewigen Schnees gepflückt hatte, durch Lampenwärme zum Oeffnen gebracht; es ist das eine höchst einfache Zauberei, die mich Dr. Hermann Müller vor Jahren gelehrt hat. In verschiedenen Gegenden Deutschlands, namentlich Thüringens, z. B. in der Gegend von Hildburghausen, herrscht die schöne Sitte, kurz vor dem ersten Advent starke Aeste von Waldkirschen, Birken, Apfelbäumen, Flieder, sowie von anderen Gehölzen in die Zimmer zu holen, sie in großen Behältern mit feuchtgehaltenem Sand in eine Zimmerecke zu stellen und dort treiben zu lassen. Hier in den niedrigen Bauernstuben, in der dunkelsten Zeit des Jahres und in einer keineswegs begünstigten Zimmerecke erfüllt sich das in so vielen Volkssagen und Märchen geschilderte Wunder: die Apfelbäume, durch welche die Sünde in die Welt gekommen, erblühen um Weihnachten, wenn nicht aus Freude über die Geburt des Erlösers, so doch kraft der Strahlen des wohlgeheizten Zimmerofens; man freuet sich der Frühlingspracht blühender Apfel- und Kirschbäume und der Fliederblüthe, die sonst das Pfingstfest schmückt, in den Weihnachtsfeiertagen.

In den Großstädten beginnt das Treiben der Frühlingsblumen im Spätherbste nach großem Maßstabe; schon vor Weihnachten hat man daselbst frische Veilchen, Maiblumen, Tazetten etc., und manche dieser Pflanzen, wie z. B der Flieder, werden in völliger Dunkelheit getrieben. Trotzdessen zeigen sie wohlausgebildete und schöne Blüthen zum Beweise dafür, daß die Blüthenentwickelung ganz ohne Licht vor sich gehen kann, was ja auch schon der Umstand beweist, daß die vollkommene Ausbildung der Blüthe sich in der dicht geschlossenen Knospe vollzieht. Dagegen zeigen die Blätter im Dunklen getriebener Gewächse, Salatpflanzen u. dergl. eine auffallende, bei den letzteren ihre Zartheit vermehrende und deshalb geschätzte Eigenthümlichkeit: sie sind nicht grün gefärbt, sondern von einem gelblichen Elfenbeinweiß, etiolirt (vergeilt), wie der Kunstausdruck sagt. Man sieht also, die Pflanzentriebe besitzen das Vermögen, ohne Mithülfe des Lichtes, bei genügender Wärme aus den angesammelten, in Wurzeln, Stengeln oder Zwiebeln angehäuften Nahrungs-(Reserve-)Stoffen Blätter und Blüthen zu treiben, nur vermögen die meisten derselben nicht ohne Mithülfe des Lichtes den grünen Farbstoff, das Blattgrün oder Chlorophyll, auszubilden, der mit der Forternährung der Pflanzentriebe in sehr nahen Beziehungen steht.

Ich sagte mit Absicht, die meisten Pflanzen; denn einige der ältesten Pflanzen, die schon auf der Erde erschienen sind, als das Sonnenlicht wahrscheinlich noch durch eine dichtere Atmosphäre sehr gedämpft war, so die Farnkräuter und Nadelhölzer, besitzen das Vermögen, auch ohne Licht Blattgrün wenigstens in einem beschränkten Grade, zu erzeugen, und einige derselben gedeihen nur im Schatten und scheuen das ungemäßigte Sonnenlicht geradezu; ja sie sollen zum Theil in demselben ebenso erbleichen, wie andere Pflanzen im Dunklen. Man hat bis zum vorigen Jahre ganz allgemein geglaubt, dieser grüne Farbstoff, welcher mit Ausnahme einiger, ausschließlich auf fremde Kosten lebender Schmarotzerpflanzen keinem höheren Gewächse fehlt, bewirke die Ernährung der Pflanzen, indem er es sei, der die Kohlensäure im Lichte binde und zersetze, um den Kohlenstoff, den Grundbestandtheil der meisten Stoffe des Pflanzenleibes, abzuscheiden und in Gestalt verschiedener Verbindungen den einzelnen Theilen und Geweben zuzuführen.

Allein geistreiche Versuche, welche der ausgezeichnete Botaniker Professor Pringsheim in Berlin im vergangenen Jahre angestellt hat, scheinen diese seit langen Jahren angenommene Ansicht zu erschüttern und vielmehr die Vermuthung nahe zu legen, daß das grüne Kleid der Pflanzen nur ein übergeworfener grüner Schleier sei, der wie ein Lichtschirm oder eine gefärbte Schutzbrille wirke, um den Pflanzen das volle Sonnenlicht erträglich zu machen und die eigentlich die Nahrungsaufnahme (Assimilation) bewirkenden Zellstoffe vor ihrer versengenden Wirkung zu behüten. Erst hinter dieser grünen Außenfläche der Zellkörper bewirke das durch sie gemilderte Licht die Neubildung der Stärke-, Zucker-, Eiweißstoffe etc., welche die Pflanze aufbauen und später gegen das Ende der Vegetationsperiode in eigenen Vorrathsorganen aufgespeichert werden, um das Material zum nächsten Blüthen- und Blatttriebe zu liefern.

Sei dem nun, wie ihm wolle, so viel ist sicher, daß jene Entwickelung der Pflanze ohne Licht nur so lange möglich ist, wie noch Reservestoffe vorhanden sind, während ein Ersatz derselben und das darauf beruhende Weiterleben nur im Lichte geschehen kann, wobei dann auch das immerfort vom Lichte zersetzte Chlorophyll immer wieder neu gebildet wird. Nun haben sich die Naturforscher seit lange gefragt, ob hierzu unbedingt das Sonnenlicht nöthig sei, oder ob auch künstliches Licht ausreiche. Schon im Jahre 1806 hatte der berühmte Genfer Botaniker Decandolle

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 266. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_266.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)