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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

hatte. Das Nest war unter einem Rosenstrauch unmittelbar an dem Stämmchen im etwas abschüssigen Boden des Rasens angelegt. Das Geschrei und Umherflattern der alten Vögel veranlaßte mich, behutsam näher zu schleichen. Zu meiner Ueberraschung erblickte ich ziemlich dicht neben dem Neste zwei erbost mit einander kämpfende Maulwürfe und vernahm gleichzeitig den quiekenden Schmerzensschrei des einen Duellanten.

In vorgebeugter Haltung beobachtete ich in unmittelbarer Nähe, wie der Kampf hin und her schwankte; beide Maulwürfe schienen mir gleich stark zu sein, da bald der eine, bald der andere im Vortheil war. Ich konnte mich deutlich von der hervorragenden Rolle überzeugen, welche der Rüssel als Heber und Dränger übernahm, und mit welcher gewandten Beweglichkeit er dem Gebiß den Weg bahnte zum erfolgreichen Angriff. War es das Aufflattern des Fitisweibchens, war es Ermüdung der vielleicht schon eine Weile Kämpfenden, was Ursache war – kurz, plötzlich gab es Waffenstillstand, und nun sah ich, wie einer der Maulwürfe ungefähr einen Viertelmeter vom Neste ein junges Vögelchen von dem Boden aufnahm und, dasselbe fortschleifend, im Rasen verschwand. Der andere Maulwurf dagegen hob schnüffelnd den Rüssel in die Höhe, verfolgte noch eine Strecke die Spur des Gegners und verlor sich dann seitwärts in die Tiefe des unterirdischen Reiches. Bei näherer Untersuchung fand ich im Neste nur noch zwei Junge.

Die Veranlassung zu dem häufigen Erscheinen über der Erde im Hochsommer giebt dem Maulwurf der Umstand, daß das Gewürm sich nach der Oberfläche des Bodens zieht. Wenn auch vorzugsweise Würmer und Engerlinge die Nahrung des Maulwurfs bilden und seine Raubzüge den Aufenthaltsorten derselben mit möglichst gründlicher Ausbeutung sich zuwenden, so fallen ihm doch auch so viele andere Thiere zur Beute, daß ihm eine die feinere Ausbildung des Geschmacks bekundende Näschigkeit und wählerische Eigensinnigkeit nicht nachzurühmen ist.

Folgt das Auge dem schwarzen Mörder in einem Gebüsch auf dem Laubboden, so verräth sich uns schon die Lüsternheit in dem emsigen Bestreben, die Blätter mit dem Rüssel zu wenden, die Moosbüschel, Wurzelverzweigungen und locker sitzenden Steine zu untersuchen. Hier wird ein Wurm, dort eine Insectenpuppe, anderswo ein ausgebildetes Kerbthier, ein Käfer, ein Abend- oder Nachtfalter hervorgezogen; wieder anderswo dienen Schnecken und Kellerasseln, Spinnen, Frösche, Eidechsen und junge Vögel als Nahrung. Wo ihm das sofortige Erwürgen nicht gelingt, schneidet er bei lebendigem Leibe die Thiere an. Einen Frosch, den ein Maulwurf angefressen hatte und der jämmerlich schrie, ließ derselbe fahren, als ich mich zum Griff niederbeugte. Kaum aber war ich ein wenig vom Platze gewichen, als der Flüchtling wieder aus seiner Höhle hervorkam und die grausame Zerfleischung fortsetzte.

Man kann sich hiernach einen Begriff machen, wie raubmörderisch der Maulwurf drunten im Schattenreich des Erddunkels, auf dem Hauptschauplatz seiner Thaten, vorgeht. Da schont er der wirklichen Mäuse ebenso wenig wie der Spitz- und Wühlmäuse, wenn sie ihm begegnen. Arbeit, Mord und Fraß reichen sich fortwährend die Hand, unterbrochen nur von den beliebten Verdauungsstündchen in der Einsiedlerzelle, welche selbst keiner von Seinesgleichen betreten darf.

Um das volle Bild von der Gefräßigkeit des Maulwurfs zu geben, weise ich auf folgendes Erlebniß hin, welches mir bereits von Oken, Lenz und Flourens Beobachtetes bestätigte: Sechs Maulwürfe, welche in einer zur Hälfte mit Erde gefüllten Kiste vereinigt worden waren und mehrere Pfund Regenwürmer und Engerlinge vorgeworfen erhalten hatten, waren andern Tages nicht nur damit fertig geworden, sondern hatten sich bereits unter einander vertilgt, worauf der selbstverständliche Letzte an erhaltenen Wunden und in Folge von Entkräftung starb. Diese Rücksichtslosigkeit gegen Ihresgleichen schließt nicht aus, daß die Maulwürfe ihre Jungen äußerst zärtlich behandeln, was von Seiten des Weibchens weniger auffallend erscheint, als hinsichtlich des Männchens, welches in der That den Kleinen abwechselnd mit der Mutter Nahrung zuträgt. Von der tiefgehenden Pflugschar zu Tage geworfene junge Maulwürfe sind, wie man beobachtet hat, von der Mutter wieder unter die Erde in Sicherheit gebracht worden.

Es kann nicht meine Aufgabe sein, hier eine erschöpfende naturgeschichtliche Darstellung dieses interessanten Erdthieres zu geben. Aber den zahlreichen Landwirthen, welche die „Gartenlaube“ lesen, soll unsere Ansicht über den Nutzen und Schaden des Maulwurfs nicht vorenthalten werden.

Schon in der Wahl des Aufenthaltes zeigt der Maulwurf seine entschiedene Vorliebe für die Jagd auf Würmer und Engerlinge, indem er die öden Steppen und Striche meidet und den fruchtbaren Boden der Weiden, Gärten, Baumpflanzungen und Wiesen aufsucht. Der Winter unterbricht seine Thätigkeit nicht, in dieser Jahreszeit ist dieselbe aber der Erdtiefe mehr zugekehrt, wohin sich der Kälte wegen Gewürm und Larven zurückgezogen haben, wenn nicht eine wärmende Schneedecke den Aufenthalt in höherer Erdschicht ermöglicht, unter welchen Umständen auch der Maulwurf häufiger seine Erdhaufen unter dem Schnee aufwirft.

Nach den neuesten Untersuchungen und Berechnungen verzehrt ein Maulwurf innerhalb 24 Stunden durchschnittlich 60 bis 70 Engerlinge. Nun ist diese Beobachtung allerdings an gefangenen Maulwürfen gemacht worden, und es mag immerhin der Fall sein, daß ihm im Freien der Tisch nicht so reichlich gedeckt ist, wie in der Gefangenschaft. Aber das Wühlen und Schaffen im Erdreich steigert auch anderntheils wieder den Stoffwechsel und den davon abhängigen Nahrungsbedarf, daher angenommen werden kann, daß der freilebende Maulwurf eine größere Menge der Beute, wenn er ihrer habhaft werden kann, vertilgt, als der eingesperrte.

Nach unseren Erfahrungen säubert ein Maulwurf innerhalb fünf bis sieben Tagen ein Achtel Hectar Wiesen- oder Ackerfläche vollständig von Kerfen und Würmern im Innern, um sich sodann mit scharfem Witterungssinn schleunigst ein neues ergiebiges Revier zu suchen. Wohl befinden sich im Gefolge seiner heilbringenden Thätigkeit auch zerstörende Eingriffe in die Werke der Bodencultur, und nicht überall kann ihm darum das Wort der Pflege und Schonung geredet werden, wie man ihn denn in Kunst- und Gemüsegarten und im Grablande zu vertilgen berechtigt ist; wo aber seine Wühlereien das Wachsthum weniger beeinträchtigen und wo der Ackerbauer Hügel und Gänge an der Bodenfläche leicht wieder verebnen kann, gebe man ihm getrost Spielraum auf Wiesen-, Feld- und Waldboden! Die überall ausgleichende Natur wird bei allzusehr steigender Vermehrung des Maulwurfes ihre Wasserfluthen senden, und lebendige Feinde in Gestalt der Tag- und Nachtraubvogel, des Storchs, des Fuchses, Marders, Wiesels und Iltisses werden immer seine Reihen lichten.

Karl Müller.




Blätter und Blüthen.

Zum ersten April. Es ist eine uralte, weitverbreitete Sitte, einander am ersten April, wie es heißt, „in den April zu schicken“. In Deutschland erschallt am ersten April der Ruf:

„April, April, April!
Heut’ kann man den Narren schicken,
Wohin man will.“

In Frankreich heißt es: „Donner un poisson d’avril“ („einen Aprilfisch geben“), und in England sagt man:

„On the first day of April
Hunt the gawk another mile.“

was zu deutsch etwa heißt:

„Im Monat April, am ersten Tage,
Den Geck eine Meile weiter jage!“

Natürlich ist es vorzüglich die Jugend, die sich diesem Genusse des „In den April Schickens“ hingiebt, aber auch die Erwachsenen verschmähen wohl einen kleinen Scherz am ersten April nicht.

„Der Brauch wird auf die verschiedenste Art und Weise in Ausführung gebracht. In Deutschland, Holland und England schickt man am ersten April Kinder und Dienstboten in die Apotheken, um Mückenfett, Krebsblut und andere Ungeheuerlichkeiten zu holen, und bindet den auf diese Weise „in den April Geschickten“ Zöpfe mit Papier etc. zur Erhöhung des Gaudiums an. Vornehmlich in England sind diese Aprilscherze noch recht im Brauch, ja, sie sind dort heutzutage noch am meisten beliebt. Heißt doch der erste April in England geradezu „all fools day“, aller Narren Tag. Das in dem englischen Vers enthaltene Wort „gawk“ – sagt man gewöhnlich – bedeutet ursprünglich „Kukuk“, der in der Regel in den ersten Tagen des April erscheint und auf den dann von Baum zu Baum eine Meile weit Jagd gemacht zu werden pflegt. Später jedoch

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_234.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)