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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

„O, das ist eine Ueberlistung – die gilt nicht.“

„Vor dem Feinde ist sie sogar geboten.“

„Ein rechter Mann zieht sein Wort nicht zurück.“

Lisa hatte der Neckerei gar nicht geachtet, sondern in Gedanken seitwärts zum Fenster hinausgesehen. Jetzt schrak sie auf einmal zusammen. Sie hatte Witold erblickt, der den Uferweg eingeschlagen haben mußte und jetzt durch den Park auf das Haus zuschritt. Sie fühlte das Blut heiß gegen die Schläfe wallen, und der Wunsch, einer Begegnung der beiden Männer vorzubeugen, wurde ohne klare Begründung in ihr rege. Ohnedem hatte sie ja schon länger, als es ursprünglich in ihrer Absicht gelegen, gezögert, dem unwillkommenen Gaste die Grenzen des Verkehrs für jetzt und alle Zukunft zu ziehen. Sie durfte damit nicht länger zaudern, damit er sie nicht mißverstehe.

„Ich fürchte,“ sagte sie gemessen, „wenn der Streit heute noch zu Ende gebracht werden soll, dürfte die Nacht den Herrn Rittmeister auf dem Heimritte überraschen.“

„O, das thut nichts,“ erklärte Steinweg, der im Spiele beinahe die Anwesenheit eines Dritten sammt dem Zweck seines Besuches vergessen hatte, indem er jetzt die rothgedrückte weiche Hand aus ihrer Gefangenschaft erlöste.

Auch Lora schien die endgültige Austragung der Proceßangelegenheit nicht verschoben haben zu wollen.

„Ein Reitersmann wird sich doch nicht vor Gespenstern fürchten,“ wendete sie sich gleichfalls gegen die Mahnung, die sie ebenso wenig ernst nehmen wollte.

„Aber vielleicht vor unserer schadhaften Fähre, auf der in der Dunkelheit leicht ein Unglück passiren könnte.“

„Ach, da kommt Witold!“ rief Lora, die, durch ein leises „Papa“ Gretchen’s aufmerksam gemacht, durch’s Fenster gesehen hatte. „Er wird uns am besten sagen können, ob wirklich Gefahr dabei vorhanden ist.“

„Sie sollten meiner Warnung folgen und Ihre Heimkehr nicht länger verzögern.“

Steinweg richtete, betroffen durch den ernsten, beinahe befehlenden Ton, seinen Blick auf Lisa. Die Unruhe und Befangenheit, welche er in ihren Augen entdeckte, glaubte er jedoch in einem Sinne deuten zu müssen, der ihn zum renommistischen Widerspruche stachelte. Sie sollte es wissen, daß er dieses Zusammentreffen, das früher oder später doch unvermeidlich war, nicht scheute. Laut erklärte er, soviel er wisse, könne er ja im Nothfalle auch weiter oberhalb über die Telzer Brücke reiten; aus einem kleinen Umwege mache er sich nichts, und jedenfalls wolle er sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, Baron Lomeda’s Bekanntschaft zu machen.

„Schon um mich doch einmal mit dem unerreichbaren Sieger, dem Besitzer so hochgerühmter Eigenschaften zu messen,“ setzte er lächelnd hinzu, und sein Blick traf bedeutsam zuerst Lisa’s, dann Lora’s Augen.

Die Letztere klatschte fröhlich in die Hände, wobei es noch unentschieden blieb, ob sie sich über das längere Verweilen des Gastes oder über den bei ihm geweckten Ehrgeiz freue. Ihre Schwester konnte darüber nicht wieder zu Worte kommen. Mit welchem Mittel hätte sie den Trotzenden vertreiben sollen? Ihn zu bitten, war sie zu stolz, ihm zu befehlen, hätte wohl kaum gefruchtet, während dadurch nur Lora’s Befremden erweckt worden wäre. Sie verzichtete daher auf einen wiederholten Versuch – auch war es schon zu spät.

Witold stand im nächsten Augenblick bereits auf der Schwelle und dem Rittmeister, der sich rasch erhoben und ihm in zuvorkommender Weise genähert hatte, gegenüber.

Es war gut, daß Lora in ihrer dreistfröhlichen Art die eigentlich überflüssige Vorstellung besorgte; es wurde Witold dadurch möglich, die plötzliche Ueberraschung zu bemeistern. Ein einziger rascher Blick flog zu Lisa hinüber, die einem Steinbilde gleich mit gesenkten Wimpern dasaß, nachdem sie Gretchen auf den Boden gestellt.

Er zürnte sich selbst, daß er nicht über den Corridor gegangen; da wäre er auf Wilhelm gestoßen; dieser hätte ihn von dem Besuche in Kenntniß gesetzt, und so wäre es ihm erspart geblieben, Steinweg’s Bekanntschaft zu machen. Aber auch gegen Lisa regte sich Groll in ihm. Durfte sie, so lange sie noch unter seinem Dache verweilte, diesen Mann empfangen? Er hätte ihr mehr Zartgefühl zugetraut, aber freilich – die Liebe macht rücksichtslos gegen die übrige Welt. Am tiefsten aufgebracht war er über den Mann, der es wagte, so ungescheut in sein Haus zu treten, das er berauben wollte. Diebe und Einbrecher kommen doch sonst nur bei Nacht, wo man sein gutes Recht der Nothwehr wahrt, wenn man sie mit einem Schusse heimschickt. Hier aber kam der nach fremdem Eigenthum Lüsterne bei hellem Tage und machte wohl gar noch Miene, dem Hausherrn, auf dessen Hab und Gut er es abgesehen, in der freundlich liebenswürdigsten Weise die Hand zu drücken.

Eine Heuchelei in solchem Maßstabe brachte aber Witold nicht über sich. Er neigte ein wenig den Kopf, darauf beschränkte sich die ganze Begrüßung. Finster, stumm und kalt stand er dem allerlei übliche Formeln auskramenden Besucher gegenüber; keine Silbe des Willkommens kam über seine fest zusammengepreßten Lippen. Als das auf ihn zulaufende Kind ihn erreichte, beugte er sich auf dasselbe herab und nahm es bei der Hand, um es fortan nicht mehr von seiner Seite zu lassen.

Es war das Benehmen eines Bauers, wie Steinweg zu sich selber sagte, das vollkommen zu der rauhen Jagdjoppe und den hohen Wasserstiefeln paßte. Er kam nicht sofort in’s Klare, ob er diese starrende Kälte ignoriren oder übel vermerken solle. Deutlich genug jedoch empfand er, daß er seinen Besuch nicht gut länger ausdehnen könne und am besten gethan hätte, Lisa’s Mahnung, welche offenbar diese peinliche Scene vorausgesehen, vorher schon zu befolgen.

(Fortsetzung folgt.)



Deutsche Osterbräuche.
Aus der Bücherstube und dem Leben.


Alle Deutschland benachbarten Völker haben die gräcisirte hebräische Benennung „Pascha“ für das christliche Auferstehungsfest beibehalten, oder, wie einige slavische Stämme, neue Namen mit Bezug auf die christliche Tradition gebildet. Nur das deutsche Osterfest erinnert den Forscher schon mit seinem Namen daran, daß um dieselbe Zeit, wo wir jetzt den freudigsten Tag des Kirchenjahres feiern, unsere Vorfahren, zum Theil wenigstens, eine Göttin der aufgehenden Morgenröthe, die Ostara, als Frühlingsgöttin, Göttin des erwachenden Lichts und Lebens verherrlichten. Ihr Dienst hat im Volke so feste Wurzel gefaßt, daß die Bekehrer den Namen duldeten und auf eines der höchsten christlichen Jahresfeste anwandten.

Die Bräuche, welche sich an das heidnische Fest knüpften, sind theilweise mit in die christliche Osterfeier herübergenommen worden und dort zumeist im Laufe der Zeit wieder ausgeschieden und verschollen. Anderes hat sich bruchstückweise, vielfach verändert, im Schooße des Volks als festlicher oder abergläubischer Brauch erhalten.

Die Ostara war eine freudige, heilbringende Erscheinung; nach ihr war der April ôstermanôth genannt, und ihr opferte das Volk die ersten Maiblumen. Weißgekleidete Jungfrauen, die sich nach der Volkssage um Ostern zur Zeit des einkehrenden Frühlings in den Felsklüften oder auf Bergen sehen lassen, gemahnen noch an die alte Göttin.

Ihr zu Ehren wurden auch jene Feste abgehalten, welche die Forttreibung des Winters und den Einzug des Frühlings darstellen, und von denen es in alten Aufzeichnungen heißt: „Zur Zeit da Auen und Werder grünen, treten Fridebolt und seine Gesellen mit langen Schwertern auf und erbieten sich zum Osterspiel.“ Dieses aber bestand aus einem Schwerttanz, der von zwölf Männern ausgeführt wurde, von denen einer den Sommer, wie er den Winter aus dem Lande schlug, darstellte.

Im Norden Deutschlands herrschte gleichzeitig die Sitte des Osterfeuers, welche ein Augenzeuge aus dem sechszehnten Jahrhundert in folgender Weise beschreibt: „In allen Städten, Flecken und Dörfern des Landes wird gegen Abend des ersten Ostertags

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_204.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)