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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


150 Franken für den Druckbogen, und erst später wurde dieser sehr mäßige Ehrensold um 100 Franken vermehrt.

Jules Sandeau, dem bekanntlich George Sand die Hälfte seines Namens entlehnte und mit dem sie im Verein ihren ersten Roman, „Rose et Blanche“, schrieb, Jules Sandeau gehörte früher zu den fleißigsten Mitarbeitern dieser Halbmonatsschrift, und Octave Feuillet gehört noch jetzt zu denselben. Diese beiden Romanschriftsteller sind sich darin ähnlich, daß sie in ihren Werken nicht nur alle heftigen gewaltsamen Erschütterungen, sondern auch jeden nur einigermaßen anstößigen Ausdruck vermeiden. Es herrscht in ihren correct geschriebenen Romanen, die weder zahlreich, noch bändereich sind, eine gewisse holländische Sittenreinlichkeit, sodaß sie in der höhern Bürgerclasse von den Töchtern in Gegenwart ihrer Mütter gelesen werden.

Jules Sandeau war nie sehr productiv, und seit einigen Lustren hat er blos ein paar Novellen veröffentlicht. Unter dem zweiten Kaiserreich ward er zum Bibliothekar an der „Bibliothèque Mazarin“ ernannt, eine höchst angenehme Sinecure, die ihm das Alter weniger schwer macht. Octave Feuillet, den man einen Familien-Alfred de Musset nennt, war unter der Regierung Napoleon's des Dritten eine höchst beliebte Persönlichkeit in den Tuilerien, wo ihn die wenig lesende Eugenie über die Wahl ihrer Lectüre gern zu Rathe zog. Sandeau und Feuillet sind Mitglieder der Akademie, eine Ehre, die den beiden fruchtbarsten genialsten und populärsten Romanschriftstellern, Balzac und Alexander Dumas, nicht zuerkannt wurde.


Die Insel Juist: Blick auf das Dorf.
Nach der Natur aufgenommen von Fr. Schreyer.

Ich muß jetzt ein Wort über zwei junge Romanschriftsteller sagen, von denen der Eine viel von sich reden macht, der Andere allzuviel von sich selbst redet – von Alphonse Daudet und Emile Zola. Alphonse Daudet, der auch in Deutschland sehr beliebt ist und dessen „Froment jeune et Risler aîné“ bei unseren Landsleuten schnelle Verbreitung gefunden, ist gegenwärtig der beliebteste Romanschriftsteller Frankreichs. Er wird in allen Schichten der Bevölkerung mit Vergnügen gelesen. Sein „Nabab“, vor wenigen Jahren als Feuilleton im „Temps“ erschienen, sieht in diesem Augenblicke schon der fünfzigsten Auflage entgegen. Daudet hat sich Dickens zum Vorbild genommen, und wenn er auch an dieses Vorbild hier und dort allzu lebhaft erinnert, so ist ihm doch ein hervorragendes Erzählertalent nicht abzusprechen. Er besitzt auch einen frischen Humor, ein warmes Temperament und eine ideale Anschauung, Eigenschaften, die sehr anziehend auf den Leser wirken. Der große Erfolg des „Nabab“ ist auch dem Umstande zuzuschreiben, daß in diesem Romane die Fäulniß des zweiten Kaiserreiches in einigen nach der Natur geschilderten Hauptpersonen auf's Lebendigste vorgeführt wird. Daudet hat noch eine lange Laufbahn vor sich, und da er fruchtbar ist, so kann er, wenn er sich durch die Gunst des Publicums nicht zur Vielschreiberei verleiten läßt, noch manches tüchtige Werk hervorbringen.

Was Emile Zola betrifft, so strebt er nicht nur nach einem hohen Ehrenplatz in der Romanliteratur, sondern will auch als Reformator derselben betrachtet, bewundert und gefürchtet werden. Er nennt sich Naturalist und verwirft in ellenlangen Artikeln alle Romanschriftsteller, die nicht, wie er, dem Naturalismus huldigen. Die Idealisten, die Sensualisten und sogar die Realisten müssen über die Klinge springen. Worin besteht aber dieser alleinseligmachende Naturalismus? Da er neben Diderot auch J. J. Rousseau zu den Schutzpatronen seiner neuen Kirche auserwählt, so sollte man glauben, Zola verherrliche, wie Jean Jacques, die Natur und wolle in seinen Lesern die Liebe zu derselben erwecken oder neu beleben. Das ist aber keineswegs der Fall. Zola's Naturalismus besteht darin, daß er seine Stoffe in den alleruntersten Volksschichten wählt und das Gemeine mit den gemeinsten Worten beschreibt. Er findet die wahre Kunst darin, photographisch genau die widrigste, die ekelhafteste Naturwirklichkeit darzustellen. An mancher seiner Figuren ist geschildert nicht blos wie sie sich räuspert und wie sie spuckt, sondern auch oft – ich bitte den Leser um Verzeihung – was sie spuckt.

Ohne Talent ist Zola durchaus nicht; allein die Selbstbewunderung ist ihm zu sehr in den Kopf gestiegen, und wenn ihm ein langes Leben bescheert ist, wird er lange vor seinem Tode sich überlebt haben. Sein populärster Roman ist „L’assommoir“, der höchst wahrscheinlich auch in Deutschland durch eine, wo nicht gar durch mehrere Uebersetzungen eingeführt ist.

Wie auf jedem Gebiete der Kunst und Literatur, giebt es

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_132.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)