Seite:Die Gartenlaube (1880) 082.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

„Und welches ist das Ziel, das Sie heute schon keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht mehr machen läßt?“

„Das Licht der Zukunft!“ antwortete der Erfinder von Menlo Park mit einem Lächeln, das von der innigen Freude Zeugniß ablegte, mit welcher der bloße Gedanke an das Gelingen seines großen Werkes ihn erfüllte. „Ich werde an Sie denken, wenn es so weit ist, und Sie sollen in Deutschland von mir hören – über Jahr und Tag.“

*          *
*

Das war vor fünfzehn Monaten, und nun, da er sein großes Werk vollendet hat und „das Licht der Zukunft“ schon jetzt seiner näheren Umgebung leuchtet, hat sich der treffliche Mann wirklich seines Versprechens von damals erinnert und mich durch Zusendung einer genauen Beschreibung seiner Erfindung erfreut.

Edison’s elektrische Lampe erhält, wie unglaublich dies auch klingen mag, ihre Leuchtkraft von der Kohle eines kleinen Streifens – Cartonpapier, die ein Hauch wegblasen könnte. Durch dieses Streifchen Papierkohle wandert ein elektrischer Strom, und das Resultat ist ein helles, schönes Licht, ein Licht ohne Feuersgefahr, welches nur geringe Hitze ausstrahlt, die Luft nicht mit gesundheitsschädlichen Stoffen anfüllt und stetig, ohne zu flackern, brennt; ein Licht, welches einer Kugel von Sonnenschein vergleichbar ist. Und dieses Licht kann, wie der Erfinder behauptet, billiger hergestellt werden, als das vom billigsten Oel. Legten nicht der Phonograph, der quadruplexe Telegraph, das Kohlentelephon und verschiedene andere erstaunliche Schöpfungen von der alle Schwierigkeiten bewältigenden Schaffenskraft des Erfinders von Menlo Park beredtes Zeugniß ab, so wäre die Welt fast berechtigt, daran zu zweifeln, daß seine kühnen Behauptungen begründet seien; allein selbst diese Zweifel würden durch die Thatsache zum Schweigen gebracht, daß seit der Nacht des 1. Januar im Jahre 1880 alle Häuser der kleinen Villeggiatur an der New-Jersey-Southern-Eisenbahn mit seiner elektrischen Lampe bereits erleuchtet werden.

Bei seinen mannigfachen Versuchen das Ziel zu erreichen, an welchem er sich endlich angekommen sieht: durch Elektricität ein reines, stetig brennendes und verläßliches Licht, mindestens ebenso billig wie das durch Petroleum gewonnene, herzustellen, hatte er zwischen zwei Systemen zu wählen: dem des voltaischen Bogens, der zwischen zwei Kohlenspitzen übergeht, und dem des Glühlichtes eines ununterbrochenen Leiters. Er entschied sich für das letztere, für die seit Jahrzehnten als Leuchtobject erprobte, durch den elektrischen Strom in Weißgluth erhaltene Platinadraht-Spirale, und seine Bemühungen gingen in erster Reihe vornehmlich dahin, irgend ein Mittel zu finden, welches das Schmelzen des zunächst als Glühobject benutzten Platinadrahtes unter der intensiven Hitze des elektrischen Stromes verhindern sollte.

Zu diesem Zwecke arrangirte er eine kleine, etwa drei Zoll lange Hebelstange so, daß die durch die Hitze erzeugte Ausdehnung des glühenden Platinadrahtes über einen gewissen Grad hinaus den Hebel schloß und, indem sie dem elektrischen Strom einen neuen Durchgang verschaffte, diesen von dem weißglühenden Platina theilweise oder ganz ableitete. Wenn das letztere sich zusammenzog, was in dem Augenblicke geschah, in welchem die Hitze vermindert wurde, so nahm der Hebel seine ursprügliche Stellung wieder ein und gestattete dem elektrischen Strom wiederum, durch das Platina zu passieren. Auf diese Weise hoffte der Erfinder im Stande zu sein, den weißglühenden Platinadraht stets am Schmelzen zu verhindern, und dieses Princip beobachtete er in der Construction seiner ersten elektrischen Lampe.

Bald jedoch überzeugte sich Edison, daß die beständige Ausdehnung und der Druck auf den Hebel den Platinadraht so stark bog, daß er unzuverlässig arbeitete. Ehe der Erfinder jedoch diese Schwierigkeiten aus dem Wege räumte, begab er sich daran, andere Verbesserungen vorzunehmen und Lampen der verschiedensten Form und Art zu construiren, deren Hauptvorzüge er schließlich in seiner neuesten Erfindung vereinigt hat. Dazu gehört die neue Regulirmaschine und der Elektrometer, die sogenannte Spullampe, bei welcher das Platina in Form einer kleinen Zwirnspule gewunden, nachdem es mit einem nichtleitenden Ueberzuge bedeckt war, und die Reflectorlampe, bei welcher durch einen Reflector die Wärmestrahlen des Platinas auf einem Stück Zirkon concentrirt wurden, sodaß dieses die Leuchte bildete. Dann aber rückte der Erfinder seinem Ziele um einen bedeutenden Schritt näher, indem er präparirte Kohle mit dem Platina verband. Er ließ ein schlankes Stäbchen solcher Kohle auf dem Platinadraht ruhen, sodaß an dem Punkte ihres Zusammentreffens ein Widerstand gegen den elektrischen Strom stattfand und die Kohle in hohem Grade weißglühend wurde, während das Platina nur eine mattrothe Glühhitze erreichte. Der Druck des Kohlenstäbchens auf den Platinadraht wurde durch ein geschickt arrangirtes Gewicht hervorgebracht.

Von dieser Art Lampe stellte Edison mehr als ein Dutzend in verschiedenen Formen her, allein immer wieder ward er gezwungen, zum Platina als zu derjenigen Substanz zurückzukehren, welche sich ihm zum Weißglühen am besten zu eignen schien. Zwei Monate experimentirte er Tag und Nacht mit diesem Metalle, um schließlich zu finden, daß Platina, wie er es bisher angewendet hatte, zur Herstellung des weißglühenden Lichtes – völlig werthlos sei. Diese Entdeckung, anstatt ihn zu entmuthigen, spornte Edison zu neuen Versuchen an und befestigte seinen Entschluß, die wahre Ursache des Versagens und damit die Abhülfe zu finden. Ueber die Art, wie dies geschah, lasse ich ihn selbst sprechen.

„Ich habe gefunden,“ so schreibt er mir, „daß, wenn dem Schmelzen nahe Platten oder Drähte von Platina mehrere Stunden lang einer hohen Temperatur in der Luft ausgesetzt werden, indem ein elektrischer Strom durch sie hindurchgeht und sie sich dann abkühlen, das Metall unter dem Mikroskop eine Unzahl kleiner Sprünge zeigt, von denen viele fast die Mitte des Drahtes erreichen. Ich habe ferner entdeckt, daß, im Gegensatze zu der vorgefaßten Meinung, Platina an Gewicht verliert, schon wenn es der Hitze einer gewöhnlichen Kerzenflamme ausgesetzt wird, daß selbst erhitzte Luft diesen Verlust an Gewicht verursacht, und daß dieser Verlust so bedeutend ist, daß eine Wasserstoffflamme grünlich gefärbt erscheint. Nach einer gewissen Zeit zerbröckelt das Metall; deshalb sind Platinaplatten oder Drähte, sowie sie jetzt behandelt werden, wegen ihrer Kostspieligkeit und Unverläßlichkeit für die Herstellung des elektrischen Lichtes völlig unverwendbar. Sie können sich denken, wie schwer es mich berührte, als ich zu dieser unumstößlichen Erkenntniß gekommen war. Aber es ist mir nach unendlichen Versuchen gelungen, dadurch, daß ich den Platinadraht in eine Glaskugel einführte, aus welcher ich vermittelst der Luftpumpe alle Luft herauspumpte (durch einen luftleeren Raum also), die Schwierigkeiten zu heben und die Temperatur des Metalles zu einer fast blendenden Weißglühhitze zu erhöhen, sodaß ein Draht die Leuchtkraft von fünfundzwanzig gewöhnlichen Lichtern erhält. Der Draht, nachdem er so von allen Gasen gänzlich abgeschlossen ist, glänzt wie polirtes Silber, zeigt keine Sprünge und verliert, selbst wenn er viele Stunden lang fortwährend geglüht hat, nichts an Gewicht. Als ich zuerst die Erfindung praktisch angewendet hatte, construirte ich meine erste Platina-Vacuum-Lampe.“

Nach diesen Verbesserungen betrachtete der Erfinder das Resultat seiner Arbeit mit großer Genugthuung. Seine Ausdauer hatte die vielen auf seinem Wege sich aufthürmenden Schwierigkeiten eine nach der andern aus dem Wege geräumt. Er hatte Platina als Beleuchtungsstoff aus dem Zustande verhältnißmäßigen Unwerthes bis zu dem der Vollkommenheit erhoben. Es war ihm gelungen, einen Generator, das heißt eine Elektricität erzeugende Maschine zu schaffen welche neunzig Procent (? d. R.) von der durch die treibende Maschine zugeführten Kraft in Elektricität wieder abgab. Mit einem Worte, er glaubte, alle Hindernisse, welche dem Erfolge des Weißgluth-Lichtes entgegengetreten waren, beseitigt zu haben und nur noch einige unwesentliche Details anordnen zu müssen, um mit seiner vollkommenen Erfindung vor die Welt hinzutreten.

So standen die Dinge, als plötzlich – und zwar spielte hier, wie bei so vielen großartigen und weltbewegenden Erfindungen, der Zufall keine unwichtige Rolle – Edison eine Entdeckung machte, welche sein ganzes System im Wesentlichen veränderte und ihn einen gewaltigen Schritt vorwärts zur vollkommenen elektrischen Lampe, zur wahren Zukunftslampe, thun ließ. Eines Abends, in seinem Laboratorium sitzend und über einige der noch unvollendeten Details nachdenkend, begann

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_082.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)