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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


sehr häufig die ist, daß viele im Anfange geistig regsame und empfängliche Schüler später schlaff werden: sie würde sicherlich abgewendet werden durch eine zweckmäßige Abwechselung zwischen der einseitigen Anstrengung des Gehirns und einer Uebung der äußeren Organe. Pädagogen in solchen Anstalten, wo das bloße Lernen zeitweilig unterbrochen wird durch mechanische Beschäftigungen, haben es mit Freuden bestätigt, und auch Clauson stimmt nach seinen Beobachtungen dem bei, daß die Kinder von solchen Körperübungen viel erfrischter und auch geistig reger zu den geistigen Anstrengungen des Lernens und Denkens zurückkehren. Ja auch darin hat Clauson gewiß Recht, wenn er sagt: selbst manche theoretische Lernfächer würden direct gefördert werden können, wenn man sie in eine gewisse organische Verbindung brächte mit mechanischen Uebungen, so zwar, daß man ihre unmittelbare Anwendung auf letztere und somit ihren direct praktischen Nutzen den Kindern anschaulich machte, z. B. gewisse Lehren der Arithmetik und Geometrie, gewisse physikalische, chemische und andere Kenntnisse.

Endlich ist wohl auch daran nicht zu zweifeln, daß für denjenigen Theil unserer Jugend, der genöthigt sein wird, durch körperliche, vielleicht harte Arbeit sein tägliches Brod zu verdienen, eine frühe Gewöhnung an die Elemente dieser Arbeit, eine rechtzeitige Uebung und Geschicktmachung der Hand und des Auges von nicht zu unterschätzendem Werthe ist, daß der Knabe, der in der Schule mit Hobel, Säge, Schraubstock etc. umgehen gelernt hat, ein geschickterer und darum jedem Lehrmeister willommenerer Lehrling sein wird, als der, welcher dieser Geschicklichkeit entbehrt, daß es dem künftigen Dienstboten und ebenso der künftigen Frau eines Arbeiters, die in ihrer knappen Wirthschaft Alles streng zu Rathe halten muß, wesentlich zu gute kommen wird, wenn sie früh gelernt hat, sich ihren Bedarf an Kleidung, Wäsche etc. möglichst selbst zu fertigen und in Stand zu halten, oder wenn sie in der Kunst einer räthlich zu führenden Hauswirtschaft einige Vorübung besitzt.

An einen unmittelbaren Erwerb durch solche mechanische Beschäftigungen der Kinder ist dabei viel weniger zu denken, als an eben jene Vorbereitung für die künftige Erwerbsfähigkeit. Unseren Handwerkern werden derartige „Arbeitsschulen“ jedenfalls keine Concurrenz machen; es wäre das bei den ohnehin vielfach gedrückten Zuständen unseres Handwerkes nicht einmal zu wünschen.

Eine bedenkliche Schwierigkeit erwächst freilich der Anwendung jener Methode des sogenannten „Arbeitsunterrichts“ bei uns in Deutschland aus der immer mehr angewachsenen Ausdehnung des Lernstoffes sowohl in den höheren Lehranstalten wie auch in der Volksschule, aus der dadurch bedingten großen Zahl der Lehrstunden in der Schule selbst und den meist noch nebenhergehenden vielen Hausarbeiten. Allein hier drängt sich die ernste Frage auf: Ist nicht vielleicht gerade in diesem Punkte eine natürliche Reaction gegen das Zuviel angezeigt und unausbleiblich? Dieser Frage wird man wenigstens nicht einfach aus dem Wege gehen dürfen, man wird ihr vielmehr ungescheut und offen in's Auge sehen müssen.

Jedenfalls ist mit dem Thema „Erziehung zur Arbeit“ eine Frage auf die Tagesordnung der öffentlichen Discussion gesetzt, von der zu wünschen ist, daß sie gründlich, unbefangen, ohne Vorurtheil nach allen Seiten hin durchsprochen und erörtert, ja auch praktisch, wenn schon anfangs nur etwa im Kleinen, in engeren Kreisen, im Wege der Freiwilligkeit und außerhalb der eigentlichen Schule, in Angriff genommen werde, und daß sie von dieser Tagesordnung nicht wieder verschwinde, ohne greifbare und bleibende Resultate hinterlassen zu haben.




Die letzte Liebe eines Mächtigen.
Von C. del Negro.

Wie die scheidende Sonne mit ihrem letzten Strahl oft noch das Herz entzückt, so wohl auch einmal der Blick aus brechendem Menschenauge. Dies zu erfahren war einem Manne beschieden, der eine hohe Stellung im ägyptischen Staatsleben einnahm und dessen jäher Schicksalswechsel die allgemeinste Theilnahme nicht nur im Orient, sondern auch in ganz Europa erweckte.

Durch Geschick, Talent, günstige Verhältnisse und die persönliche Zuneigung seines Herrschers hatte sich Ismail-Pascha Saddik nach und nach von Rang zu Rang emporgehoben und endlich die Leitung eines der wichtigsten Staatsämter und unermeßliche Reichthümer erworben.

Die Zierde seines Harems war eine junge Cirkassierin, deren einfache und doch so ergreifende Geschichte ich hier erzählen will.

Mebruhki – so hieß die schöne Sclavin – lebte seit ihrer frühesten Kindheit im Harem des Pascha. Dieser hatte sie, als sie kaum drei Jahre zählte, von einem mit cirkassischen Frauen und Kindern handelnden türkischen Kaufmann erstanden und seiner Gemahlin – der Pascha hatte nur eine legitime Gattin – zum Beiramsfeste verehrt.

Als Kind entzückte die graziöse Kleine durch ihr sanftes, anschmiegendes Wesen den ganzen Harem; als Jungfrau ward sie von den fremden und einheimischen Damen, welche die Gattin des Pascha besuchten, wegen ihrer überraschenden Schönheit bewundert und mit Liebkosungen überhäuft.

Mebruhki war ein liebliches, selten schönes Wesen. Groß, schlank und geschmeidig wie eine Palme, hatte sie zarte unglaublich kleine Hände, Füße und Ohren, große schwarze, glänzende, fast zu glänzende Augen, leuchtendes goldig rothes, gewelltes Haar und ein feines Gesichtchen, dessen rosiger Mund süß, aber zugleich traurig zu lächeln wußte.

Wenn sie in dem Zimmer ihrer Gebieterin in gerader Haltung, wie es einer Sclavin ziemt, neben dem Eingang stand, eine Hand in die andere verschränkt, den Blick gesenkt, so bot sie mit ihrem bis zur Erde reichenden Goldhaar, die vollendet schönen Glieder von einem talarartigen weißen Gewande umschlossen, einen geradezu bezaubernden Anblick. Wer sie so sah, blieb unwillkürlich stehen sie zu bewundern, ihr ein freundliches Wort zu sagen. Wenn sie dann leicht erröthend die Augen aufschlug, erschrak man über den feuchten Glanz dieser „schwarzen Diamanten“, wie die Gattin des Pascha Mebruhki's Augen nannte. Man erschrak, sage ich, über den Glanz dieser Sterne, weil er ein überirdischer war und auf ein inneres, das Leben verzehrendes Feuer schließen ließ. Das Kind schien vom Engel des Todes gezeichnet zu sein.

Viele Menschen gingen in dem Harem ein und aus: die Verwandten des Pascha, männlichen und weiblichen Geschlechts, fremde und einheimische Damen, ein europäischer Arzt, Sprach- und Gesanglehrerinnen, Putzmacherinnen, Wahrsagerinnen, und Alle kannten und bewunderten die schöne Mebruhki. Nicht selten kam es sogar vor, daß die Eine oder die Andere – natürlich geschah es nur von Seite der Inländerinnen – die Hausfrau bat, ihr die liebreizende Mebruhki abzutreten – um hohen Preis! Die Dame war aber hierzu nicht zu bewegen. Einer aber war, der sie nicht kannte, sie nicht sah: der Pascha. Er hatte das kleine Geschöpf, welches er vor mehr als zwölf Jahren seiner Gemahlin verehrte, längst vergessen, und diese war zu klug und zu eifersüchtig, um Mebruhki ihrem für weibliche Reize sehr empfänglichen Gatten in's Gedächtniß zu rufen.

Wenn der Pascha seine rechtmäßige Frau besuchte, was nicht gar häufig vorkam, seit ihr Antlitz nur noch Spuren von Schönheit trug, war er zerstreut, übellaunig; er sah nichts von dem, was ihn umgab. Seine Gedanken, seine Augen schienen während der ganzen Dauer des Besuchs abwesend zu sein.

Eines Tages führte das Schicksal den Minister durch eine Verkettung von Umständen doch mit dem Mädchen zusammen, dessen Schönheit ihn derart blendete, daß er, wie von einem dämonischen Zauber ergriffen, ihrem Banne verfiel.

Es war im März. Um diese Zeit pflegen die wohlhabenden Kairiner auf's Land zu ziehen, um dem eigenthümlich schwülen, heißen Wüstenwind, der in diesem und dem nächstfolgenden Monat in Aegypten weht und äußerst erschlaffend auf Körper und Geist wirkt, zu entgehen. In den Landhäusern des grünen Delta, namentlich in den unfern des Nil gelegenen Villen, ist der Chamsin erträglicher als in den Städten.

Der Pascha mußte in diesem Jahre wichtiger Geschäfte halber – es war kurz vor dem Ausbruch des russisch-türkischen Krieges – in der Hauptstadt bleiben, der Harem sollte aber

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_067.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)