Seite:Die Gartenlaube (1880) 011.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

leuchtend werden, so kann man die schönste Belsazar-Schrift hervorbringen, wenn man auf der Rückseite eines solchen Papieres mit einer heißen Stricknadel schreibt.

Leider eignen sich alle diese anmuthigen Spielereien nicht zum Verkaufe, denn der Luft ausgesetzt, zersetzt sich die leuchtende Schwefelverbindung langsam unter Entwickelung des bekannten Geruches nach faulen Eiern, sodaß die Gegenstände nach wenigen Wochen ihr Leuchtvermögen völlig einbüßen und werthlos werden. Sehr lange erhalten diese Phosphore dagegen ihr Leuchtvermögen bei luftdichtem Verschluß in zugeschmolzenen Glasröhren, und solche in allen Farben leuchtende Phosphore konnte man sonst von der Optiker-Firma Geißler in Bonn beziehen. Man hat auch vorgeschlagen, aus solchen Röhren Namenszüge über Nachtklingeln von Hôtels, Aerzten und Apothekern zu bilden, die immer wieder während des Tages neue Leuchtkraft einsammeln. Auch die leuchtenden Zifferblätter auf Taschen- und Wanduhren, wie sie Gustav Uhlig in Halle an der Saale anbietet, dürften eine praktische Anwendung darstellen, sofern die phosphorescirende Schicht durch luftdicht eingekittete Uhrgläser vor schnellerer Zersetzung möglichst geschützt werden könnte.

Was nun die physikalische Erklärung dieses Phosphorescirens anbetrifft, so glaubte man in ältern Zeiten, als man das Licht selbst noch für eine feine ausströmende Substanz ansah, daß sich die Sonnenstrahlen in diesen Phosphoren förmlich verdichten und ansammeln ließen, worauf sich die Namen „Lichtmagnet“, „Lichtsauger“ und „Lichtträger“ beziehen. Später, nachdem man erkannt hatte, daß das Licht eine Wellenbewegung ist und daß der gewöhnliche Phosphor der Zündhölzer leuchtet, während und weil er in langsamer Verbrennung sich mit dem Sauerstoff der Luft verbindet (oxydirt), so glaubte man, auch in jenen älteren Phosphoren rege das Licht nur einen lebhafteren Oxydationsproceß an. Diese Auffassung ist aber falsch, und schon im vorigen Jahrhundert bahnte der berühmte deutsche Physiker Euler eine richtigere Erklärung an.

Gewöhnlich sagt man uns bekanntlich, die Planeten, der Mond, die Alpengipfel und alle irdischen Gegenstände würden am Tage für uns sichtbar, weil sie das Sonnenlicht zurückwerfen. Auch das ist falsch; nur eine spiegelnde Fläche wirft das Licht einigermaßen vollständig zurück; die andern Oberflächen nehmen dasselbe vielmehr auf und gerathen in Mitschwingungen, ähnlich wie Musik alle Gegenstände ihres Bereiches in Mitschwingungen versetzt. Manche Oberflächentheile können aber von den Schwingungen des weißen Sonnenlichtes, welches bekanntlich aus rothen, orangefarbenen, gelben, grünen, blauen, indigofarbenen und violetten Schwingungen besteht, nur etwa die rothen oder blauen Schwingungen ausführen und erscheinen daher, indem sie nur diese Schwingungen in unser Auge zurücksenden, roth oder blau gefärbt.

Wie man aber bei der Ton-Resonanz ein Nachschwingen vernimmt, so kennt auch die Licht-Resonanz ein solches Nachschwingen, und dieses nennen wir Phosphoresciren nach Bestrahlung. Schon Euler ahnte, daß die meisten Stoffe ein solches Nachschwingen zeigen würden, wenn man sie nur schnell genug nach der Besonnung vor ein durch Verweilen in der Dunkelheit empfindlich gemachtes Auge bringen könnte, und der französische Physiker Becquerel hat vor etwa zwanzig Jahren ein Instrument (das Phosphoroskop) construirt, mit welchem er zeigen konnte, daß die meisten Stoffe, z. B. Papier, Eierschalen, Steine etc., noch eine ganz kurze Zeit, das heißt Secunden und Bruchtheile von Secunden, nach der Belichtung nachleuchten, daß also die Sonnen-Phosphore sich nur durch das anhaltende, stundenlange Nachleuchten vor anderen Stoffen auszeichnen. Allein, obwohl das Gesagte im Allgemeinen zutrifft, ganz so einfach ist die Sache nun doch nicht; es kommt nämlich noch ein sehr interessanter Nebenumstand in Betracht.

Die neuere Physik hat uns mit einer Menge von Substanzen, namentlich organischen Farbstoffen und einigen Metallverbindungen, bekannt gemacht, welche ebenfalls phosphoresciren, aber nur eben so lange, wie sie beleuchtet werden. Das hört sich paradox an, entspricht aber den Thatsachen. Es sind das diejenigen festen oder flüssigen Stoffe, die im auffallenden Lichte eine andere Farbe zu haben scheinen, als im durchscheinenden, weshalb man ein eigenthümliches Schillern an ihrer Oberfläche bemerkt. Gewisse Flußspath-Sorten, das Petroleum und die Chinin-Auflösungen, die wir als Fieber-Medicin einnehmen, eine Abkochung von Roßkastanienrinde etc. schillern blau, der grüne ätherische Auszug grüner Blätter blutroth, das Uranglas, aus dem man Salznäpfe und Rheinweingläser macht, maigrün, Magdalaroth gelb etc. Bringt man nun eine Auswahl solcher Schillerstoffe in einen dunklen Raum, welcher nur durch das schwache Licht des durch luftleere Glaskugeln oder -Röhren hindurchgeleiteten elektrischen Stromes erhellt wird, so leuchten sie alle wunderschön, jeder in seiner Farbe, und zwar viel heller als das elektrische Glimmlicht, aber nur so lange, wie sie von diesem bestrahlt werden. Wie ist diese merkwürdige Erscheinung zu erklären? Wie kann man helles Licht von schwächerem borgen?

Wir haben schon oben erwähnt, daß das weiße Licht aus den sogenannten sieben (richtiger unzähligen) Farbentönen zusammengesetzt ist, die sich bei der Zersetzung durch ein Prisma in der angeführten Reihenfolge sondern. Die rothen Strahlen sind die am langsamsten, die violetten die am schnellsten schwingenden Lichtantheile. Wie es nun jenseits der rothen Strahlen noch langsamer schwingende giebt, die wir aber nicht mehr als Licht, sondern als Wärmestrahlen empfinden, so giebt es jenseits des Violetts noch schneller schwingende „ultraviolette“ Strahlen, die wir direct in keiner Weise empfinden, die sich aber durch ihre energische chemische Wirkung, z. B. in der Photographie, auszeichnen und deshalb auch chemische Strahlen oder „unsichtbares Licht“ genannt werden. An solchen dunklen, unsichtbaren, ultravioletten Strahlen ist nun jenes matte elektrische Glimmlicht vorzugsweise reich, und sie sind es, die besonders jenes schillernde Leuchten hervorbringen, welches man nach dem Flußspath (Fluorcalcium), an dem es zuerst studirt wurde, Fluorescenz nennt. Wenn nun diese für unsere Netzhaut wegen zu großer Schwingungsschnelligkeit unsichtbaren Strahlen jene Substanzen zum Leuchten bringen, so müssen die letzteren die Fähigkeit haben, ihre Schnelligkeit zu mäßigen, sie in langsamer schwingende, leuchtende Strahlen zu verwandeln, und dies ist in der That der Fall. Es könnten also die ultravioletten Strahlen in violette, blaue, grüne etc., die blauen in grüne, gelbe, rothe etc. verwandelt werden, aber die rothen Strahlen könnten durch dieselben Substanzen höchstens noch in dunkle Wärmestrahlen verändert, also für das Auge ausgelöscht werden.

Hier zeigte sich nun die interessante Uebereinstimmung, daß erstens die ultravioletten Strahlen nicht nur die stärkste Fluorescenz, sondern auch die stärkste Phosphorescenz hervorrufen, die rothen aber weder Fluorescenz noch Phosphorescenz, ferner daß die Leuchtsteine, wie die Schillerstoffe, andersfarbiges Licht zurückgeben als sie empfingen, und es hat sich schließlich herausgestellt, daß beide Erscheinungen auf das engste zusammenhängen, daß man die Fluorescenz als eine außerordentlich starke Phosphorescenz bezeichnen kann, die selbst im vollen Sonnenlichte, aber nicht länger, als der erregende Strahl dauert, sichtbar ist, während man die Phosphorescenz eine schwächere, aber nachhaltigere Fluorescenz nennen könnte. Auch die Sonnen-Phosphore strahlen meistens langsamer schwingendes Licht aus, als sie empfangen haben, doch können die meisten auch die Wärme in Licht verwandeln, wie z. B. der Diamant, Flußspath und die meisten Sonnensteine, ja einzelne der letzteren strahlen verschiedenes Licht aus, wenn man sie nach der Bestrahlung im Dunkeln erwärmt. So z. B. leuchtet das besonnte Schwefelstrontium bei – 20° dunkelviolett, bei + 15° violett, bei + 40° hellblau, bei 70° bläulichgrün, bei 100° grüngelb und bei 200° rothgelb.

Andererseits kann die Phosphorescenz ebenso schön wie die Fluorescenz durch jenes an chemischen Strahlen reiche elektrische Glimmlicht geweckt werden, und ein mit dem Pulver verschiedenfarbiger Sonnen-Phosphore gemalter Blumenstrauß, Schmetterling etc. leuchtet bei dem schwachen Schimmer desselben, sowie nachträglich, wirklich feenhaft. Zu einem wunderbaren, durchweg an den Karfunkel des Märchens erinnernden Leuchten hat der englische Chemiker Crookes kürzlich auf solche Weise Diamanten und Rubine gebracht, die er in unmittelbarer Nähe des vom negativen Pole ausgehenden Glimmlichtes in den luftleeren Glasbehälter mit einschloß. Die meisten afrikanischen Diamanten leuchteten dabei in schön blauem Lichte. Ein größerer grünlicher Diamant aber strahlte in intensiv grünlichem Lichte ebenso hell, wie eine brennende Kerze, sodaß man dabei hätte lesen und jenes eingangs erwähnte Tempelwunder wahr machen können. Die Steine werden davon natürlich nicht im mindesten heiß oder verändert.[1]

  1. WS: Fehlenden Punkt sinngemäß ergänzt.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_011.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)