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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)


Doa stahn se denn All üm den Dannenbom
Un freuen sick äwer sin Licht,
Un ick – ick stah buten und kik as in’n Drom
In Mutting ehr lewes Gesicht.

Wo lücht’t ehr de Freud’ ut de Ogen so warm,
As se Jeden hett geben fin Del;
Dunn küssen’s ehr All un nehmens in’n Arm
Un seggen, dat wir doch to vel.

Wie Korlbror’ woll an den Clawzimbel geht
Un spelt den schönen Choral,
Dat olle, dat lewliche Wihnachtsled:
„Von’n Hewen hoch kam ick hendal!“

Un as nu dat Vörspill to Enn is gahn
Von de lewliche Melodie,
Dunn stimmen de Annern so fröhlich mit an,
Un ick? – Ick bün nich dorbi –

Ick sitt so verlaten, so trurig, allen,
Wo de Palmenbom ragt in dat Land,
Wo de Sünnenstrahl gläugt up dat Felsengesten,
Un stütt mi den Kopp in de Hand. –


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In den nun folgenden Jahren verbrachte ich die Weihnachtsfeste in Porto Alegre, Sao Leopoldo oder auch auf den deutschen Colonien. Dort wird der Tannenbaum in der vollkommensten Weise durch die jungen Stämme der Araucarie ersetzt, und man feiert das schöne Fest ganz in heimathlicher Weise, ja, es hat die liebliche Sitte der Weihnachtsbescheerung und der Christbäume sogar schon bei den Brasilianern Eingang gefunden und gewinnt immer größere Verbreitung.

Traurig allerdings verfloß mir der Weihnachtsabend 1872. Da wurde mir kein brennender Tannenbaum, wohl aber ein brennender Tannenwald bescheert. Ich hatte mich einige Monate zuvor verheirathet und gedachte mit meiner Frau ein recht vergnügtes Fest zu verleben. Wir saßen bei Sonnenuntergang vor der Thür und sprachen von der fernen Heimath – da schlug in meinem unfern gelegenen Araucarienwalde eine helle Feuersgluth empor, und dunkle Rauchwolken wälzten sich in das Thal hinab, in welchem mein Haus lag. Auf die Ausnutzung dieses Waldes hatte ich meine Zukunft gegründet; der Verlust desselben wäre ein harter Schlag für mich gewesen. Ich warf den Rock ab, griff zu Axt und Hacke und eilte fort.

Es brannte glücklicher Weise nur ein kleiner, isolirter Theil des Waldes. Wenn es mir gelang, durch Aufwerfung eines Grabens das Feuer von dem andern Theile abzuschneiden, so konnte ich desselben Herr werden.

Meine Nachbarn waren auch herbeigekommen, und nun wurde mit vereinten Kräften gearbeitet. Oft hüpften die Flammen über die in Folge langer Dürre verdorrten Gräser dahin, und dann galt es, sie so schnell wie möglich mit darauf geworfener Erde zu ersticken. Einige von uns suchten alle brennbaren Stoffe aus der Nähe des Grabens, welchen die Anderen aufwarfen, zu entfernen, und so gelang es uns allmählich, besonders da der Wind umgesprungen war, die Gefahr des Umsichgreifens zu mindern.

Rauchgeschwärzt kehrten wir um Mitternacht nach Hause zurück; es brannte noch immer, aber kaum hatten wir die müden Glieder zur Ruhe gelegt, so vernahmen wir das ferne Grollen des Donners, und die Hoffnung auf ein regenbringendes Gewitter versetzte uns wieder in eine fröhlichere Stimmung. Immer heller zuckten die Blitze, und immer lauter folgte ihnen der Donner, bis er endlich rings in den Felsenkesseln des zerklüfteten Gebirges, in dem wir wohnten, widerhallte. Da schlugen die ersten schweren Tropfen eines warmen Tropenregens an die Fenster, und in Kurzem war kein Feuerschein mehr draußen im Walde zu sehen. Das war unsere Christbescheerung.


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Weihnachten 1877 herrschte statt der Dürre eine ungewöhnliche Nässe; der Arroio do Paraizo, ein über zerklüftetes Gestein dahineilender Bach, an welchem mein Haus lag, übertönte mit seinen Wasserfällen unsere eigenen Worte.

Meine Christbescheerung trug ich auf dem Arme; mein blauäugiges Töchterchen war freilich schon vor sieben Monaten auf die Welt gekommen und sah schon ganz verständig in dieselbe hinein; aber da ich die Kleine am Weihnachtsfeste auf dem Arme trug, war es mir, als sei sie mir noch einmal bescheert worden, und meiner Frau ging es gerade so. Wir saßen am offenen Fenster und blickten hinab in den Gischt der Wellen, die sich am Gestein brachen. Die Kleine streckte die Arme aus, als wollte sie die Leuchtkäfer haschen, die am Fenster vorbeiflogen. Wunderbarer Anblick, diese brasilianischen Leuchtkäfer! Sie entwickeln am Kopfe und unter dem Bauche einen so starken phosphorischen Glanz, daß man bei dem Lichte eines einzigen Thieres lesen kann, wenn man dasselbe über das zu lesende Blatt hält. Sie fliegen mit großer Geschwindigkeit und könnten leicht für laternentragende Menschen gehalten werden, wenn sie nicht so zahlreich wären. Auch an jenem Weihnachtsabend schwirrten sie zu Tausenden durch die Luft und hoben sich in ihrem Glanze vortrefflich von dem dunklen Hintergrunde des Urwaldes ab.

„Wir haben keinen Weihnachtsbaum aufgeputzt,“ sagte ich zu meiner Frau, „da wollen wir wenigstens versuchen, ob wir denselben nicht durch Leuchtkäfer ersetzen können.“

Und ich öffnete die Fenster und zündete Licht an, um damit die Thiere anzulocken. Es dauerte auch nicht lange, so flogen einige große, prächtige Nachtfalter in das Zimmer herein, und ebenfalls vom Lichte angezogen, folgten Leuchtkäfer auf Leuchtkäfer, ein herrlicher Anblick! Nun drehte ich die Lampe herunter. Die Augen meines Töchterchens folgten dem glänzenden Fluge der Käfer voll Entzücken, und wenn einer ihr zu nahe am Näschen vorbeisummte, dann streckte sie die Aermchen aus, als wollte sie ihn haschen, bis endlich der Sandmann sich einstellte und der seltsamen Christbescheerung ein Ende machte.


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Und nun, nach langen Jahren fällt mein Blick wieder auf eine winterliche Landschaft, die mich an das nahende Weihnachtsfest gemahnt. Zwar haben sich die lieben, treuen Mutterhände, die mir als Kind meinen Weihnachtstisch schmückten und den Tannenbaum anzündeten, lange schon zum letzten Schlaf gefaltet; Schnee bedeckt den Grabhügel, unter welchem die Unvergeßliche schlummert, und in dem epheuumrankten Elternhause am Kirchplatze, wo einst so viele Strahlen der Liebe und des Glückes das Christfest zum schönsten Tage des Jahres machten, wohnen Fremde. O, das thut bitterlich weh!

Dennoch aber überkommt es mich wie Weihnachtslust und Weihnachtshoffnung aus der schönen Kinderzeit, wenn ich an den Schaufenstern all die Herrlichkeiten erblicke, mit welchen deutsche Kunst und deutsches Gewerbe das schönste Fest der Deutschen zu schmücken verstehen; ich freue mich des Augenblickes, wenn Glockenklänge durch die Nacht hallen, des Festes Anfang verkündend, und in Palast und Hütte die Lichter der Weihnachtsbäume angezündet werden. Dann will auch ich meiner kleinen Brasilianerin ein Bäumchen anzünden, das doch noch viel schöner sein soll als alle Leuchtkäfer im Urwalde.

Alfred Waeldler.




Dämonen.

Von E. Werber.

(Fortsetzung.)


Als ich mit dem ersten Sonnenstrahle am Hause meiner Großmutter geläutet hatte und die Treppe emporstieg, kam mir mit verstörten Zügen Alphons entgegen und drückte mir die Hand.

„Maurus, wir verlieren unsern Schutzengel – meine Mutter stirbt,“ sagte er.

„O Glück, versinkst Du mir schon?“ rief mein Herz, und ich warf mir vor, die Nacht in Liebesträumen verbracht zu haben. Wie ein Schuldiger kniete ich in Zerknirschung am Bette meiner Großmutter nieder und küßte ihre erkaltende Hand. Sie war bei Bewußtsein, aber die Schwäche erschwerte ihr das Sprechen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 852. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_852.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)