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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

No. 51. 1879.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 1 ½ bis 2 Bogen. Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig• – In Heften à 50 Pfennig.


Das Glück unter'm Weihnachtsbaum.


Heil’ge Nacht, du aller Feiern Krone,
Sonnenfest der grauen Väterzeit,
Durch das Kreuz dem größten Menschensohne
Und der deutschen Kinderschaar geweiht,
    Aller Wonnen reinste
    Bringst du durch das Aermste, Kleinste
Gnadenreich der Welt im Winterkleid.

Kinderlippen, schwache Kinderhände,
Aeuglein, unschuldsvoll und sonnig, sind
Heut die Träger einer Himmelsspende,
Die sich segnend durch das Leben spinnt.
    Alle Schätz’ erbleichen,
    Ist im Prunkgemach des Reichen
Nicht der höchste Reichthum heut – ein Kind.

Armer Reicher, stehst du so verlassen
In dem öden, kinderleeren Raum?
Sieh, der Reichthum winkt auf allen Gassen!
Und du ahnst des Glückes Nähe kaum.
    Wimmert’s dort nicht leise?
    Drück an’s Herz die arme Waise,
Und dein Glück erblüht am Weihnachtsbaum.

Friedrich Hofmann.




Ein Seebad.

Von Otto Girndt.

(Fortsetzung.)


Erminia rief ihre Kammerfrau und eröffnete ihr, was sie mit dem Mädchen verhandelt. Die Matrone nahm die Mittheilung anfangs mit Bestürzung auf; sie könne ihren Dienst noch mit ungeschwächter Kraft versehen, meinte sie; doch als sie den Trost empfing, sie solle keineswegs aus Amt und Würden verdrängt, sondern in ihren Leistungen nur unterstützt werden durch ein armes Kind, welches aus unerquicklichen Lebensverhältnissen in bessere zu kommen verdiene, da gab die gute Seele sich zufrieden.

Nach wenigen Stunden zog Angela mit ihren Habseligkeiten bei der neuen Herrschaft ein. Die Kammerfrau kam ihr mütterlich entgegen, klopfte ihr die Wangen und sagte:

„Sei nur immer recht artig gegen Hoheit! Sie verlangt nicht viel und ist nie schlechter Laune. Und wenn Du mit den Handreichungen in der ersten Zeit nicht Bescheid weißt, mein Töchterchen, so wende Dich getrost an mich! Ich werde Dich in Allem unterweisen.“

Angela fiel der alten Frau wie einer langjährigen Bekannten um den Hals, ließ sich ihr künftiges Zimmer zeigen, legte ihr Kleiderbündel ab, gönnte sich aber nicht Muße, es aufzuschnüren, bevor sie Erminia wiedergesehen. Die Kammerfrau begleitete sie, meldete sie an und blieb Zeugin der folgenden Begrüßung:

„Nun sei willkommen, Angela! Ich hoffe, Du wirst Dich bei uns wohl fühlen.“

„Ach, hier ist der Himmel, Hoheit. Mutter und Vater lassen Ihnen tausendfachen Dank für Ihre Gnade zu Füßen legen und werden täglich für Sie beten. Ich bringe auch eine große Neuigkeit mit.“

Erminia errieth, wen die Neuigkeit betraf, und entfernte die Kammerfrau mit einem kleinen Auftrage; dann befahl sie erwartungsvoll: Sprich!“

Angela’s Zunge ging wie ein Rädchen:

„Ich war unterwegs noch einmal im ‚Hôtel Danieli’. Habe ich Eurer Hoheit schon gesagt, daß es besonders das prächtige Haar der Gräfin ist, das dem Cavaliere Fabbris in die Augen gestochen? Ich weiß jetzt, wie seine Flamme zu löschen ist. Aber Hoheit müßten mir Urlaub geben, daß ich einmal in die Seebäder nach dem Lido hinausfahren kann.“

„Was schwatzest Du? Ich verstehe Dich nicht.“

„Ganz sollen mich Hoheit auch vor der Hand nicht verstehen; denn Sie werden sich nicht herablassen, eine Intrigue mitzuspielen.“

„Gewiß nicht!“ erklärte Erminia.

„Doch mich wollen Sie gewähren lassen?“

„Intriguen sind mir verhaßt – das merke Dir von vornherein!“

„Doch wenn es sich darum handelt, den Cavaliere vor Schaden zu bewahren?“

„Signor Fabbris steht in keiner Beziehung zu mir, die mich zu seiner Wächterin bestellte,“ entgegnete Erminia mit Haltung.

„Es kann Ihnen nimmermehr gleichgültig sein, wenn ein Freund Ihres Hauses und ein so edelmüthiger junger Herr Gefahr läuft.“

Hätte die Schwätzerin geahnt, wie sie der Hörerin aus der Seele sprach! Erminia ließ es nicht merken, wie ihr das Herz vor Freude darüber schlug, an ihrer Untergebenen ein Werkzeug zu gewinnen, das ihren Wünschen diente, ohne von ihr selbst dazu angeleitet zu werden. Scheinbar ruhig, ja kalt that sie die Frage: „Was willst Du auf dem Lido.“

„Das ist eben mein Geheimniß,“ lächelte Angela. „Der Portier bei Danieli, welcher das polnische versteht, hat ein Gespräch der Gräfin mit ihrer Dienerin belauscht. Der Cavaliere würde trotz seiner Schönheit doch kein Glück bei der Dame haben; denn sie

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 845. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_845.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)