Seite:Die Gartenlaube (1879) 843.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

der vornehme Javaner bedient sich desselben im Gespräch mit dem Geringeren, um diesem zugleich seine niedrige Stellung vorzuhalten. Die Eltern reden ihre Kinder in Niederjavanisch an, dagegen dürfen diese ihre Eltern nur in Hochjavanisch anreden. Einer aus Vermischung dieser beiden Sprachen entstandenen Mittelsprache bedienen sich die Javaner im geselligen Verkehr oder der Vornehme in der Unterhaltung mit einem Javaner niederen Standes, wenn dieser wegen seines höheren Alters oder wegen seiner gesellschaftlichen Stellung Anspruch auf eine bessere Behandlung machen kann.

Das Javanische stimmt in seinem grammatikalischen Bau vollkommen mit den übrigen Sprachen des malayischen Sprachstammes überein. Es entbehrt jeder Flexion, und der Plural wird durch Verdoppelung des Substantivs ausgedrückt. Der Unterschied zwischen Krama und Ngoko besteht darin, daß für jeden Begriff, der in der Sprache ausgedrückt werden kann, zwei durch ihre Vocale und Consonanten verschiedene Wörter existiren, von denen das eine nur in Krama, das andere nur in Ngoko gebraucht werden darf. Das Hochjavanische der späteren Hinduperiode, das viele Sanskritwörter enthält und längst ausgestorben ist, nennen die jetzigen Javaner Kawi, das ist die Sprache der Gedichte, da die altjavanischen Gedichte, die sie nur in neueren Bearbeitungen lesen, in dieser Sprache geschrieben sind; doch war die Kawisprache keineswegs auf die gebundene Rede beschränkt.

Seit der Niederlassung der Holländer auf Java ist die malayische Sprache die allgemeine Verkehrssprache in allen Hafenplätzen des Archipels geworden, und durch Vermischung der malayischen Sprache mit sundanesischen und javanischen Wörtern ist in Batavia eine eigenthümliche Sprache entstanden, die man „Batavia-Malayische“ nennen könnte.

Die Javaner wohnen meist in Dörfern, die in kleinen aus Obstbäumen oder anderen Nutzpflanzungen bestehenden Hainen so versteckt liegen, daß auch von einem erhabenen Standpunkt das Dorf nicht wahrzunehmen ist; dasselbe kündigt sich uns nur durch die es umgebenden Fruchtfelder an. Zu den Dörfern führen schattige Fußpfade oder von prächtigen Alleen eingefaßte Wege.

Die Häuser der Javaner sind fensterlose Hütten, welche die Bewohner selbst ganz von Bambus bauen und mit Alanggras oder mit Palmblättern bedecken. Die gewöhnlichen javanischen Häuser empfangen ihr Licht nur durch die Thür, frische Luft liefern außer dieser auch noch die zahlreichen Spalten und Risse der aus Bambus geflochtenen Wände. Die Bewohner halten sich nur selten im Innern ihrer Hütten auf, sondern verrichten ihre häuslichen Arbeiten auf der durch ein Dach geschützten Veranda (Pandoppo); auf derselben spinnen und weben die Frauen, und hier werden auch die Besuche empfangen. Das ganze Haus besitzt meist nur zwei Abtheilungen. Die Küche, gewöhnlich blos ein offener Herd, befindet sich neben dem Hause unter einem besonderen Dach. Der Werth, den das ganze Haus an Material und Arbeit repräsentirt, beträgt höchstens zwanzig bis dreißig Mark. Jede Wohnung nebst den Nebengebäuden ist von einem Garten umgeben, der von verschiedenen Sträuchern, z. B. dem Kaffeestrauch, eingezäunt ist. Hohe Palmen und andere Fruchtbäume schützen die Wohnung gegen die brennenden Sonnenstrahlen und liefern wohlschmeckendes Obst oder Zuspeisen zum Reis.

Im Hausgeräthe wird man natürlich auch keinen Luxus erwarten dürfen. Als Bett dient den ärmeren Leuten eine breite mit einer Matte belegte, aus Bambus verfertigte Bank, die zum Schutz gegen die lästigen Mücken mit einem Vorhang aus Kattun, den die javanischen Frauen selbst weben, versehen ist. Auf keiner Veranda wird man das Balé-Balé vermissen, eine Ruhebank, deren Rahmen aus Bambus verfertigt und deren Sitz meist mit spanischem Rohr geflochten wird. Andere Möbel, z. B. Tische und Stühle, sucht man vergebens in einem javanischen Hause. Die Speisen werden in irdenen Schüsseln auf den Boden gestellt, und der Javaner sitzt beim Essen mit über einander geschlagenen Beinen am Boden. Anstatt der Teller bedient man sich der Pisangblätter oder anderer großer Baumblätter. Messer werden selten gebraucht, und Löffel nur für flüssige Speisen. Die Stelle der Gabel versehen einfach die Finger. Unentbehrlich ist in der javanischen Wohnung die Betel- oder Sirihdose, welche in verschiedenen Fächern die zum Betelkauen erforderlichen Ingredienzen enthält, nämlich: Betelblätter, Tabak, Gambir und gebrannten Kalk. In Folge der üblen Gewohnheit des Betelkauens, die bei allen malayischen Völkern sehr verbreitet ist, werden Lippen, Zahnfleisch und Speichel blutroth, und die schönen weißen Zähne, die schon den Kindern mit Bimsstein abgefeilt werden, schwarz.

Die Javaner kleiden sich mit Kattunstoffen, welche theils von den Frauen verfertigt, theils nach javanischem Muster von der europäischen Industrie geliefert werden. Zwischen der Kleidung des männlichen und weiblichen Geschlechts ist in Ostjava kein großer Unterschied; denn beide tragen den Sarong, ein Kleid wie ein offener Sack, ähnlich einem europäischen Frauenrock; am Oberkörper haben die Männer eine kurze und die Frauen eine bis zu den Knieen reichende Jacke (Capaye). Was die Füße betrifft, so geht man meist barfuß oder trägt Sandalen.

Die Männertracht im westlichen Java weist ganz kurze Hosen und oft eine Jacke auf.

Beide Geschlechter tragen lange Haare; die Männer halten dieselben mit einem halbkreisförmigen Kamme fest und bedecken sie mit einem Kopftuche, welches sie so um den Kopf wickeln, daß die Enden nicht mit einander verknüpft, sondern eingesteckt werden. Diese Kopftücher scheinen die Javaner erst seit Einführung des Islam angenommen zu haben. Noch heute gilt es als ein Zeichen der Ehrerbietung in Gegenwart von Höheren, das Haar in langen Locken über Schultern und Nacken herabhängen zu lassen. Diese Haartracht ist Vorschrift, wenn Jemand vor dem Fürsten erscheint, aber zugleich muß der Kopf mit einer weißen oder blauen Mütze bedeckt sein. Zum Schutze gegen die brennenden Sonnenstrahlen bedienen sich die Javaner oft einer Mütze mit großem Schild ober eines breiten, flachen, hölzernen Hutes. Die Frauen benutzen eine Kopfbedeckung nur bei Feldarbeiten; ihre Haare vereinigen sie am Hinterkopfe, ohne sie zu flechten, zu einem Knäuel, und die kurzen Haare der Stirn werden meist abgeschnitten und gekräuselt.

Der gewöhnliche Schmuck der Javaner hat nur geringen Werth; die Fingerringe sind meist von Kupfer oder Eisen; doch sieht man nicht selten bei den Vornehmen auch Schmucksachen von Gold und Edelsteinen, und besonders schmücken sich die Brautleute am Hochzeitstage mit kostbaren Sachen, selbst wenn sie sich dieselben leihen müssen.

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.

Auch Eisbären haben ihre Schicksale. (Vergleiche das Bild auf Seite 833.) Mr. James Lamont von Keddon in Schottland ist ein englischer Polarreisenden, ein Mann, welcher sich das Vergnügen gönnen kann, auf eigene Faust eine Segeljacht auszurüsten, in den Regionen des ewigen Eises Forschungen anzustellen und nebenher Walrosse, Eisbären, Seehunde, Rennthiere und dergleichen zu jagen. Auf einer Expedition im Jahre 1859, auf welcher er das Eis der Nordküste von Spitzbergen bis zum achtzigsten Grad nördlicher Breite durchdrang, erbeutete er sogar einen weißen Walfisch. Seine Forschungen hat er in einem illustrirten Werke „Seefahrten im Eismeere oder fünf Jagd- und Entdeckungsreisen von J. Lamont“ (London, 1871) niedergelegt.

Es war am 23. Juli 1859. Lamont und sein Gefährte, Lord D. Kennedy, befanden sich in der Nähe von Whales Point, in der auf der Südküste Spitzbergens gelegenen Deeva-Bay. Sie schliefen nach einem ermüdenden Tagesausfluge bereits den Schlaf der Gerechten, als plötzlich die Schiffswache mit der Meldung erschien, daß drei Eisbären, wahrscheinlich eine Alte mit zwei Jungen, am westlichen Ufer des Fjords entlang wanderten. Rasch ging es in die Schaluppe; die Ruderer setzten ein, und das Fahrzeug bewegte sich, bei einem bitter kalten Nordwinde, uferentlang. Die Vermuthung Lamont’s, daß die Bären der Witterung eines erst vor Stunden geschossenen Individuums ihrer Gattung nachgingen, schien sich zu bestätigen: sie bekamen die Thiere, welche rasch aus dem Gesichtskreise verschwunden waren, in der vorausgesetzten Richtung bald wieder vor die Augen; dieselben saßen auf einem Streifen Landes, und nachdem Lord Kennedy ausgestiegen, um durch rasches Vorlaufen den Bären den Weg zu der nahen Bergkette abzuschneiden, fuhr Mr. Lamont mit dem Boote weiter in deren Nähe.

Als das Boot bis auf 500 Yards (1500 Fuß) herangekommen war, richtete sich die Alte auf den Hinterläufen in die Höhe, betrachtete das Boot einen Augenblick und flüchtete dann rasch, die Jungen hart auf der Ferse, am Ufer hin. Lord Kennedy gab die Verfolgung bald auf und stieg wieder in das Boot. Trotz äußerster Anstrengung schien es, daß man die Jagd werde aufgeben müssen – da kamen die Thiere an ein morastiges, von zahlreichen Wasserrinnen durchschnittenes Terrain. Mit rührender Geduld half die Alte den unbehülflichen Jungen bei dem mühseligen Marsche, aber die kleinen Dinger fingen bald jämmerlich zu

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 843. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_843.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)