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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

und That. Wie wohlthätig diese Einrichtungen wirken, erhellt wohl am besten aus dem unter den zahlreichen statistischen Erhebungen herausgegriffenen Nachweis, daß allein in dem Zweigverein Leipzig 51,184 Bücher gelesen wurden, während in der Fortbildungsschule zu Frankfurt am Main sich im Ganzen 645 Schüler an 29 Cursen betheiligten.

Trotz all dieser großartigen Unternehmungen Schulze’s ist derselbe eine jener seltenen Naturen, bei welchen der Mensch nicht im öffentlichen Leben aufgeht, sondern, so oft er es vermag, im Frieden seiner Häuslichkeit dem Freunde ein stets herzliches und gastfreies Willkommen entgegenruft.

In seinem nahe der russischen Colonie in Potsdam gelegenen Hause in der Spandauerstraße denkt und schafft der greise Volksfreund in unerschöpflicher Frische für das Wohl der kommenden Geschlechter. Wer ihn hier gesehen, wie er in dem prächtigen Garten sorgsam seine Blumen pflegt, wie er mit stolzen Augen den reichen Fruchtsegen betrachtet, der ihm von Baum und Strauch freundlich entgegen grüßt, wer ihn gesehen, wie er mit leuchtender Miene lauscht, wenn der ihm nahe befreundete Capellmeister Taubert dem Flügel die ergreifenden Töne einer Beethoven’schen Sonate entlockt – dem wird klar, was für den Forscher aus jeder Zeile seiner Werke, aus jedem Gedanken seiner Schöpfungen spricht, daß hier ein edler Mann, voll Empfänglichkeit für alles Gute, Wahre und Schöne, seine Stätte aufgeschlagen.

Und doch sind am 29. August 1878 schon siebenzig Jahre über sein im reichsten Schaffen ergrautes, vom edelsten Erfolg gekröntes Haupt dahingerauscht. Alle die Vielen, welche an diesem Tage dem durch plötzliches Leiden in die Krankenstube gebannten Vater der Genossenschaften ihre Liebe und Verehrung bethätigen wollten, konnten nur in Vereinen und Kreisen sein Ehrenfest feierlich begehen. Mit Stolz hörte dort das Volk, seine große Familie, von ihm, von seinem Schaffen und Wirken und ließ im Herzen das Wort des größten Briten wiederklingen:

„Er ist ein Mann – nehmt Alles nur in Allem.“

Max Ring.




Blätter und Blüthen.


Bitte für „Friederiken-Ruhe“. Von Albert Grün in Straßburg, dem alten treuen Freunde Ernst Keil’s und der „Gartenlaube“, ist uns eine „Bitte an die Deutschen“ zugesandt worden, welche offenbar dem Gefühl entsprungen ist, daß gern Jedermann etwas beitrüge, um durch freundliche Erinnerung gut machen zu helfen, was einst der stolze, prächtige Frankfurter Advocatensohn der armen Sesenheimer Pfarrtochter Leides angethan. Die Bitte lautet im Auszug so:

„Die Erinnerung an jene Idylle, welche Goethe in Sesenheim erlebt und später so wundervoll beschrieben hat, wird Jedem am Herzen liegen, der deutsche Dichtung kennt und liebt. Ihr ein angemessenes Denkmal zu weihen, ist schon vor mehr als zwanzig Jahren im Elsaß beabsichtigt worden. Es war der Plan, den Hügel, auf dem einst ‚Friederiken-Ruhe’ lag, anzukaufen und auf’s Neue durch eine Laube, der ehemaligen möglichst gleich, zu krönen. Wer das friedlich stille Dorf durchwandert, im Pfarrhause, dessen Abbildung wir beifügen, die dort treu gehegten Erinnerungen aufgesucht hat, wird auch nach jenem traulichen Plätzchen fragen, auf dem einst Goethe mit Friederike Hand in Hand saß; es wird ihn betrüben, an dieser Stelle nur ein Ackerfeld vorzufinden.


Das Pfarrhaus zu Sesenheim.


Wie anders, wenn ‚Friederiken-Ruhe’ wieder erstünde, die hier nach allen Seiten sich öffnende freundliche Aussicht in vier Laubrahmen faßte und zugleich im kühlen Schatten den Blick in die Vergangenheit zu werfen einlüde!

Jetzt, wo ja die Blicke der Deutschen mit anderen Augen nach dem Elsaß herüberschauen, ist es möglich, diesen Wunsch zu erfüllen. Der dankbaren Verehrung für den großen Dichter wird es um so leichter sein, die erforderliche Summe für den Ankauf des Grundstücks und die Herstellung der Anlagen (etwa dreitausend Mark) zu beschaffen, da ein Drittheil derselben bereits in früherer Zeit aufgebracht worden ist. Weitere Beisteuern bitten wir an den Kassier des Comités, Herrn Notar Haug in Niederbronn, einzusenden. Ueber die eingegangenen Beiträge wird seiner Zeit wohl auch die „Gartenlaube“ öffentlich Rechenschaft ablegen. [1] Sollte sich ein Ueberschuß ergeben, so wird er, den Vorschlägen des früheren Comités gemäß, als ,Friederiken-Stiftung’ der Gemeinde Sesenheim zum Besten armer Mädchen in derselben überwiesen werden.

Straßburg, im Herbst 1879.“




Goethe’s Frauenbekanntschaften. Wir führen unseren Lesern, wie die Unterschrift unter der Portraitgallerie auf Seite 797 anzeigt, einige „Frauengestalten aus Goethe’s Leben“ vor, welche in größerer Anzahl das dort erwähnte Düntzer’sche Buch schmücken. An der Spitze unserer liebenswürdigen Gesellschaft steht diejenige, welche im Leben den galanten Dichter allein haben wollte; und wohl eben deshalb wendet sie sich sogar noch im Bilde stolz von all den anderen ab: Frau Charlotte von Stein ist die Dame, diese Frau mit dem weitesten Herzen; denn es konnte einen Gemahl, sieben Kinder und noch den ganzen Goethe dazu in sich aufnehmen. Ihre Nachbarin zur Rechten ist das berühmte „Kind“ Bettina von Arnim, geborene Elisabeth Brentano. Als Dritte in der obersten Reihe erscheint Elisabeth Schönemann, die schöne Frankfurter Bankierstochter, die Goethe als seine „Lili“ feierte, mit der er sich am 23. April 1775 sogar verlobte; nach der Verlobung kam die gegenseitige Entfremdung und Goethe’s Abreise nach Weimar.

Die Mitte der zweiten Reihe nimmt das Schwesternpaar Oeser ein, deren frisches kunstbelebtes Wesen Goethe’s Leipziger Studentenzeit verschönte. Sein besonderer Liebling war Friederike, welche auf unserm Bilde ein Buch in der Hand hält; die Lautenspielerin war die Gattin eines Kupferstechers Geyser. Ueber Goethe’s Verhältniß zum Vater Oeser vergl. „Gartenlaube“ 1868, Nr. 9. Zur Linken und Rechten sind den Schwestern zwei Schönheiten ersten Ranges zugesellt: Corona Schröter und die Italienerin Marchesa Branconi, des damaligen Herzogs von Braunschweig „heimlich angetraute“ Gemahlin. In dem untersten freundlichen Gesichtchen links begrüßen wir das brave Käthchen Schönkopf, von welchem die „Gartenlaube“ 1865, S. 742 Ausführliches erzählt hat. Ihr gegenüber erinnert Charlotte Kestner, die als Lotte Buff eine Flamme des verliebten jungen Wetzlarer Juristen war, an Werther’s Leiden. Es bleibt uns zum Schluß nur noch die wohlconservirte Dame in der ovalen Umrahmung zu betrachten übrig. Das ist Christiane Vulpius, die in den überreichen, von glühendster Poesie strahlenden Liebesblumenstrauß des großen Dichters als ehrsame Kornähre gesteckt wurde, indem sie, die Dreiundvierzigjährige, dem Siebenundfünfziger, nachdem sie achtzehn Jahre dessen treue Geliebte gewesen, als Frau von Goethe angetraut wurde.




Die Pfirsichcultur in Nordamerika. Um die Anpflanzung des Pfirsichbaumes in den Vereinigten Staaten hat sich der verstorbene Dr. S. Hull, Präses des Horticulturdepartements im Staate Illinois, besondere Verdienste erworben. Sein gegenwärtig dem Sohne gehöriger Garten bei Alton, der einige hundert Acker umfaßt, lieferte in manchen Jahren eine Bruttoeinnahme von mehr denn 30,000 Dollars und beschäftigte das ganze Jahr hindurch eine nicht unbedeutende Anzahl von Arbeitern, zur Zeit, wenn die Frucht abgepflückt werden mußte, oft täglich mehr denn 150. Da seine Methode der Anpflanzung wie seine Art, die Pfirsiche auf den Markt zu bringen, in ganz Nordamerika als mustergültig anerkannt ist, so dürfte ein Bild seiner Fruchtfarm und der darauf herrschenden Thätigkeit auch für das Ausland nicht ohne Interesse sein.

Parallel laufende, etwa 100 Meter von einander entfernte, dicht an einander gepflanzte Edeltannen schützen gleich einer von Südwest nach Nordost gezogenen Mauer die dazwischen gepflanzten Pfirsichbäume gegen die rauhen, im Winter hier herrschenden Nordweststürme. Jeden Herbst, wenn die Ernte vorüber und so lange es die Witterung erlaubt, wird der Boden gepflügt, um erst kurz vor der Ernte abgeeggt zu werden. Ferner werden die Wintermonate dazu benutzt, die Bäume auszuästeln, die zur Verpackung und Versendung aus dünnen, von Fabriken schon in die passenden Längen und Formen geschnittenen Holztafeln zu Körben und Kisten zusammen zu nageln, wie überhaupt alle zur Ernte nöthigen Geräthschaften in Stand zu setzen. Gegen das Frühjahr, wenn der Boden noch gefroren ist, wird derselbe um die Bäume herum mit Sägemehl oder einem anderen, die Wärme schlecht leitenden Material bedeckt, um denselben so lange wie möglich gefroren zu erhalten; damit soll möglichst verhindert werden, daß der Saft vor Aufhören der Nachtfröste in die Knospen tritt. Später gilt es, den Baum vor Insecten und

  1. Soll gern geschehen.
    D. Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 810. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_810.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)