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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

waren in der That eine Macht geworden, mit der Alle, welche in Niederdeutschland Politik trieben, zu rechnen hatten. Der Erzbischof von Bremen, Gerhard, welchem sie schließlich zum Siege verhalfen, war ihnen zu Danke verpflichtet, und so schlossen die Wirren mit einer für die Stedinger günstigen Lage der Dinge, die freilich nur so lange Bestand hatte, wie jener lebte.

Das Stedinger-Denkmal auf dem Schlachtfelde von Altenesch.

Im Jahre 1219 starb er, und sein Nachfolger, der bisherige Probst zu Paderborn, Gerhard, Edelherr von der Lippe, ein energischer, schlauer Prälat, kam rasch genug mit dem bäuerlichen Gemeinwesen in Conflict, welches so dicht vor den Thoren seines Bischofssitzes jedem Schritte, um die kirchliche Macht im niederdeutschen Gebiete auszubreiten und zu festigen, ein Hemmniß war. Ueberdies brauchte er Geld; den Bremern gegenüber war er mit dem Versuche einer Zollerpressung auf der Weser übel angekommen – und gerade in dieser Hinsicht boten die Stedinger ihm eine Handhabe zum Eingreifen.

Das Schlachtfeld von Altenesch.

Hatten die Stedinger Zehnten und Zinsen dem Erzbischof früher schon mit Widerstreben gegeben, so unterblieb dies ganz unter dem Regimente des verstorbenen Bischofs.

Jetzt trat Erzbischof Gerhard mit der Forderung der Zehnten an die Stedinger heran, welche als Antwort darauf seine Boten einfach vor die Thür warfen. Das wollte der Erzbischof nur – er rüstete zum Angriff, zog seine Ministerialen heran und rief seinen Bruder Hermann von der Lippe zu Hülfe. Die Stedinger hatten keine Bundesgenossen; nicht einmal die Friesen, ihre Nachbarn und natürlichen Verbündeten, rührten sich – doch sie sollten auch keine Bundesgenossen nöthig haben. Es war am Weihnachtsabend 1229 – da trafen die Heere auf einander – zum ersten Male hoben die Stedinger im Kampfe um ihre Existenz die Hand gegen die Macht der Kirche auf – und mit aller Schwere sollte der Bischof sie auf sein Haupt niederfallen sehen. Die Stedinger siegten glänzend, nicht nur wurde das Heer vernichtet, sondern auch der Bruder des Erzbischofs, Hermann zu Lippe, lag erschlagen auf dem Schlachtfeld. Die Stedinger hatten den Sieg, zugleich aber einen Kirchenfürsten zum gefährlichen Todfeinde gewonnen.

Doch tritt bei diesem ersten Zuge gegen die Stedinger jener widerliche brutale Mißbrauch kirchlicher Institute noch nicht, wie später, hervor – es ist eben ein Kampf, wie er zwischen Herren und Bauern um diese Zeit allenthalben ausgefochten wurde.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 805. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_805.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)