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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Tyrannei und Pfaffenthum hassen unsere öffentlichen, gemeinsamen Schulen; Einsicht, Freiheit und Fortschritt lieben sie als Stützen einer menschlich freien Bildung.“

Im Laufe der Zeit wurden die Knownothings reine Fremdenhasser; ihre engherzige Betonung der Geburtsrechte trat in geraden Gegensatz zu den humanen Freiheitsprincipien der großen nordamerikanischen Republik, die sich mit Recht rühmen konnte, ein Zufluchtsort für alle aus politischen und religiösen Gründen Verfolgte und Bedrückte zu sein. So kam es denn auch, daß der Knownothingismus immer mehr und mehr an Einfluß verlor, und, wenn er auch nicht ganz schwand, doch die Macht einbüßte, eine selbstständige politische Partei zu bilden.

Der Grundsatz nun, dessen Anwendung auf dem Gebiete der inneren Politik wesentlich das Knownothingthum charakterisirt, daß nämlich „Amerika den Amerikanern“ gehöre, bildet von Haus aus den Kern der so viel genannten Monroe-Doctrin, welche älter als der Knownothingismus ist und einen der vornehmsten Pfeiler der äußeren Unionspolitik bildet. Das Nächere über Ursprung und Geschichte dieser Doctrin ist Folgendes.

Im Beginn der zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts, als die spanischen Colonien in Amerika sich von dem Mutterlande losgerissen hatten und ihre politische Unabhängigkeit erkämpften, versuchte die spanische Regierung den Beistand der europäischen Großmächte zu erlangen, um diese Colonien zum Gehorsam zurückzubringen. Während Rußland, Oesterreich, Frankreich und Preußen nicht abgeneigt schienen, dem Verlangen Spaniens nachzugeben, verweigerte England jede darauf bezügliche Hülfe, weil es die Wiederherstellung der alten spanischen Monopole und die nicht geringen Nachtheile fürchtete, welche für den englischen Handel aus der Unterwerfung der Colonien erwachsen konnten. Der Minister Canning machte im August 1823 Herrn Richard Rush, dem damaligen Gesandten der Vereinigten Staaten am Hofe zu St. James, die Mittheilung, daß England dem beabsichtigten Einschreiten der europäischen Großmächte entgegentreten würde, wenn es dabei auf die Mitwirkung der nordamerikanischen Union rechnen könne. Selbstverständlich berichtete Herr Rush über diese wichtige Angelegenheit sofort an seine Regierung, und diese blieb nicht säumig. Wir haben, erzählt John C. Calhoun, der zu jener Zeit unter der Präsidentschaft James Monroe’s das Amt des Kriegsministers bekleidete, die Erklärung Englands im Ministerrathe mit Freuden entgegengenommen. Die Macht der Fürstenallianz schien so groß, daß wir in Washington nicht ohne Besorgniß blieben. Nach Durchführung der Pläne des monarchischen Absolutismus in Südamerika hätte sich die Allianz zweifelsohne auch gegen uns gerichtet. Wir versammelten uns wiederholt und berathschlagten lange und sorgfältig; schließlich wurde eine beifällige Antwort an England und selbst eine öffentliche Kundgebung in diesem Sinne beschlossen.“

Bevor jedoch Präsident Monroe in der beregten Angelegenheit eine officielle Erklärung abgab, wodurch die nordamerikanische Union mit den europäischen Mächten möglicher Weise in Mißhelligkeiten, vielleicht sogar in einen Krieg verwickelt werden konnte, beschloß er den Rath seines berühmten Freundes und Genossen in so manchen wichtigen und heiklen Regierungsfragen, des in Monticello lebenden achtzigjährigen Thomas Jefferson, einzuholen. Er legte demselben alle auf jene Angelegenheit bezüglichen Papiere, sowie seine eigenen Ansichten darüber vor, und Jefferson’s Antwort ging dahin, daß die in Rede stehende Frage eine äußerst wichtige sei, bei deren Lösung als leitender Gedanke für die Regierung der Vereinigten Staaten der Grundsatz gelten müsse: „Europa hat sich in amerikanische Angelegenheiten so wenig wie möglich einzumischen.“ „Großbritannien,“ so ungefähr fuhr Jefferson fort, „welches der nordamerikanischen Union gegenwärtig die Hand bietet, ist die einzige Nation auf Erden, die im Stande ist, uns großes Unheil zu bereiten. Wir sollten die Gelegenheit ergreifen, um eine aufrichtige Freundschaft mit ihm zu schließen. Im Bunde mit England sind wir der ganzen Welt gewachsen. Würde die Erklärung, daß Amerika zunächst und vor Allem den Amerikanern gehöre, auch einen Krieg zur Folge haben, so wäre dies nicht ein europäischer Krieg, nicht ein Krieg für Großbritannien, sondern für uns Amerikaner, für unsere eigene Erhaltung. Wir sollten ‚ein amerikanisches System’ begründen und aufrecht erhalten, alle fremden Mächte von unserem Lande entfernen und nimmer dulden, daß sich Europa in die Angelegenheiten unserer Völker einmische. Canning hat Recht, daß eine solche Erklärung, weit entfernt, einen Krieg hervorzurufen, vielmehr geeignet sei, den Krieg zu verhindern. Die Gelegenheit ist vortrefflich und darf nicht unbenutzt vorübergelassen werden.“

Durch die gewichtige Stimme Jefferson’s in seinen Ansichten bestärkt, fügte nun Präsident Monroe der Botschaft, mit welcher er im December 1823 den achtzehnten Congreß der Vereinigten Staaten eröffnete, die Erklärung bei, welche unter dem Namen der „Monroe-Lehre“ oder „Monroe-Doctrin“ (Monroe doctrine) eine historische Bedeutung erlangte und, etwas modificirt, wiederholt von der amerikanischen Regierung in Anwendung gebracht wurde. Den Ideengang Jefferson’s beibehaltend, erklärte Monroe in der genannten Botschaft:

„An den Kriegen der europäischen Mächte, an Fragen, welche sie selbst unter einander betreffen, haben wir niemals theilgenommen; diese liegen außerhalb der Sphäre unserer Politik. Nur wenn unsere Rechte angegriffen oder ernstlich bedroht werden, dann müssen wir die Beleidigung rächen und Anstalten zur Abwehr treffen. Bei den politischen Bewegungen in unserem Erdtheile sind wir nothwendig mehr betheiligt; die Gründe davon liegen jedem einsichtsvollen und unparteiischen Beobachter klar vor Augen. Das politische System der verbündeten Mächte Europas steht seinem innersten Wesen nach mit dem der nordamerikanischen Union im vollsten Widerspruch. Dies wird durch die Verschiedenheit der Regierungsgrundsätze bedingt. Zur Vertheidigung unserer Staatsform, welche mit Aufopferung von viel Gut und Blut erworben und durch die Weisheit der erlauchtesten Bürger unter glücklichen Auspicien zur Reife gebracht ist, steht die ganze Nation aus freiem Willen bereit. Wir sind es deshalb den auf offener Wahrhaftigkeit begründeten freundschaftlichen Beziehungen, die zwischen der Union und den alliirten Mächten obwalten, schuldig, zu erklären, daß wir jeden Versuch von ihrer Seite, ihr Regierungssystem in irgend einem Theile Amerikas einzuführen, als gefährlich ansehen, sowohl für unseren Frieden wie für unsere Sicherheit.

In die Verhältnisse der thatsächlich noch bestehenden Colonien und Besitzungen der europäischen Mächte auf unserm Erdtheile haben wir nicht eingegriffen und werden wir nicht eingreifen. Ganz anders verhält es sich aber in Betreff jener Länder, welche ihre Unabhängigkeit erklärten und behaupteten; deren Selbstständigkeit haben wir nach reiflicher Ueberlegung und mit gutem Grunde anerkannt und werden auch solche ferner anerkennen. Jeder Versuch, sie zu unterdrücken oder ihr Geschick gewaltsam zu bestimmen, müßte als ein unfreundliches Benehmen gegen die Vereinigten Staaten selbst betrachtet werden.“

Diese stolze, fast herausfordernde Sprache des Präsidenten Monroe rief wegen ihrer Kühnheit anfangs in der Union selbst vielfach Erstaunen und Verwunderung hervor. Auch das englische Cabinet fand sich durch die kräftige Entschiedenheit dieser Grundsätze keineswegs angenehm berührt, denn die Regierung zu Washington City war viel weiter gegangen, als Canning es gewünscht hatte, aber sowohl Großbritannien wie auch die anderen Großmächte Europas fügten sich, und die von Spanien losgerissenen Colonien behaupteten ihre Unabhängigkeit. Dem nationalen Selbstgefühl des amerikanischen Volkes schmeichelte nun natürlich das feste Auftreten des Präsidenten, der sonst, dem Beispiele seiner Amtsvorgänger folgend, bei auswärtigen Fragen sehr vorsichtig vorging. Und mag man immerhin von einem nüchtern kritischen Standpunkte aus die damalige Aufstellung der Monroe-Doctrin als eine jugendliche Selbstüberschätzung bezeichnen, die auswärtige Politik der Vereinigten Staaten strebte damals große und hohe Ziele an, und wenn sie dieselben nur in geringem Maße erreichte, so lag der Grund weniger darin, daß jene Ziele zu hoch gegriffen waren, als daß die amerikanischen Sclavenhalter jeder wahrhaft freiheitlichen Politik hemmend entgegentraten.

Daß die Monroe-Doctrin auch für die Zukunft kein todter Buchstabe bleiben, sondern praktisch in’s Leben eingeführt werden sollte, hat sich übrigens bei verschiedenen Gelegenheiten gezeigt. Noch unter der Präsidentschaft Monroe’s wurde bei den Verhandlungen mit Rußland über die Grenzen im nordwestlichen Amerika und bei den Verträgen, die mit den südamerikanischen Republiken abgeschlossen wurden, darauf zurückgegriffen.

Die spanisch-amerikanischen Republiken in Süd- und Mittelamerika, die sich freudig als die jüngeren Schwestern der nordamerikanischen Union proclamirten und von dieser ihre Verfassungen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 800. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_800.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)