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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

kommen, indem er die Störerin fing und in’s Freie versetzte. Irrthümlich ergriff er aber statt derselben das alte Weibchen, welches sofort seinen Flug wieder zum Neste nahm und dasselbe so energisch vertheidigte, daß das untreue Paar sich genöthigt sah, einen Neubau in der Nähe des alten Nestes anzulegen. Das verstoßene Weibchen, welches fortan seine Heimstätte nur auf Augenblicke verließ, wenn die anderen Beiden fort waren, sah dem still trauernd zu. Andere Schwalben fanden sich ab und zu ein, um die Situation zu beaugenscheinigen. Nach einigen Tagen der Einsamkeit indeß schien die anfängliche Energie von dem trauernden Weibchen gewichen zu sein; es wurde von dem neuen Paare angegriffen, jämmerlich zugerichtet und vollständig besiegt aus Nest und Zimmer getrieben, worauf die Sieger die Fortsetzung des Neubaues aufgaben und von dem alten Neste Besitz nahmen. Die neue Frau legte bald darauf Eier.

Wie viel schöner, als dieser untreue Schwalbengatte, benahm sich jener junge Tauber, über welchen Fr. Münch in der „Westlichen Post“ vom 26. September 1877 berichtet, und dessen Treiben er in dem Taubenschlage seines Elternhauses zu beobachten Gelegenheit hatte. Man hatte diesen Tauber mit einer bereits ältlichen Täubin gepaart, welche nach einiger Zeit unfähig zum Eierlegen wurde. Aber anstatt sie zu verlassen, fuhr er, ohne sich um andere Schönen zu kümmern, fort, seine Gattin zu schützen und zu pflegen, bis dem Tod der Alten das schöne Band löste.

Einen noch auffallenderen Beweis von Gattentreue legte die von Bennet in Macao beobachtete chinesische Ente ab, deren Gatte während der Nacht gestohlen wurde. Sofort konnte man an dem Weibchen die unverkennbarsten Zeichen des Schmerzes gewahren; es verkroch sich in eine Ecke und weigerte sich, Nahrung zu sich zu nehmen. Als ein anderes Männchen sich ihr näherte und sie zu trösten versuchte, stieß sie den neuen Liebhaber rauh zurück und fuhr fort, sich ihrer Trauer hinzugeben. Mittlerweile wurde ihr alter Gefährte wiedergefunden und zurückgebracht. Ueberraschend waren die lauten Freudenbezeigungen, womit das Paar seine Wiedervereinigung feierte, und, was mehr ist, das Männchen schien erfahren zu haben, daß es während seiner Abwesenheit einen Nebenbuhler gehabt, denn es suchte diesen auf und tödtete ihn.

Dem gegenüber fehlt es auch nicht an Fällen von Bigamie oder Doppelehe, wobei sich die beiden Nebenbuhlerinnen ganz gut mit einander vertragen. Dr. R. Meyer („Zoolog. Garten“ 1868, S. 77) sah eine solche Doppelehe einer männlichen Rauchschwalbe, welche um so bemerkenswerther ist, als bekanntlich Schwalben sonst jahrelang in sehr strenger Einehe leben. Die beiden Weibchen, deren jedes nicht weit vom andern in einem besonderen Neste brütete, vertrugen sich gut mit einander. Solche Fälle sind indessen Ausnahmen. In der Regel wissen die in Einehe lebenden Thiere ganz genau, daß fremder Umgang jedenfalls nicht unter den Augen der rechtmäßigen Ehehälfte betrieben werden darf.

Was die Gattenliebe und eheliche Anhänglichkeit der übrigen Thiere betrifft, so fehlt es auch hier nicht an zahlreichen Beispielen, welche zeigen, daß das von den Vögeln Berichtete auch von jenen in vielen Fällen erreicht, in einzelnen sogar noch übertroffen wird.

Interessant und belehrend ist, was der berühmte Löwenjäger Gérard über das Benehmen des Löwengatten in der Wildheit beobachtet hat. Nach ihm verläßt der König der Thiere seine Gattin niemals ohne die dringendste Noth und zeigt ihr fortwährend die größte Liebe und Rücksicht. Gehen sie zusammen auf Raub aus, wobei der Gatte stille steht, so oft es der Gattin gefällt, so bringt er ihr, indem er in den Douar eingebrochen ist, während sie sich niedergelegt hat, das Beste, was er finden konnte, und sieht ihr mit dem größten Behagen zu, während sie frißt. Erst wenn sie gesättigt ist, denkt er auch an sich. (Menault, „Die Mutterliebe der Thiere“.)

Männchen und Weibchen des Meerschweinchens behandeln sich überaus zärtlich, lecken sich gegenseitig und kämmen sich mit den Krallen der Vorderfüße das Haar glatt. Schläft das eine, so wacht das andere für seine Sicherheit. Währt es ihm zu lange, so weckt es den Gefährten mit Lecken und Kämmen und schläft dann seinerseits ein. Namentlich sucht das Männchen dem Weibchen auf jede Weise seine Liebe und Anhänglichkeit zu beweisen.

Den Nashörnern wohnt, wie Noll mittheilt, eine wahrhaft rührende Zuneigung gegen einander inne. Legt sich das eine nieder, so streckt sich auch das andere daneben hin, oft so, daß sein Kopf auf dem Leibe des Genossen ruht; steht das erste auf, so erhebt sich auch das zweite, geht dieses im Käfig auf und ab, so thut es auch jenes; beginnt das Männchen zu fressen, so verspürt auch das Weibchen Bedürfnis, etwas zu sich zu nehmen; ruft letzteres, so antwortet ersteres, und umgekehrt.

Einen merkwürdigen Fall von Gattentreue des Fuchses verzeichnet O. von Corvin. Ein Förster in der Nähe von Hanau, der bei einem Fuchsbau lauerte, schoß dem Fuchs absichtlich die Hinterläufe entzwei, um seinem noch jungen Hühnerhund Gelegenheit zu geben, einen Fuchs zu würgen, ohne durch dessen vielleicht zu großen Widerstand abgeschreckt zu werden. Kaum geriethen aber die beiden in Kampf, als auch sogleich die Füchsin herbeikam und ihrem Manne beistand, ohne sich durch die Anwesenheit des Jägers abschrecken zu lassen. Als derselbe näher hinzutrat, lief die Füchsin wohl etwas bei Seite, blieb aber sitzen und sah mit Angst dem Kampfe ihres verwundeten Mannes mit dem Hunde zu, bis der Jäger wieder geladen hatte und sie todt schoss.

„Hätte,“ setzt O. von Corvin hinzu, eine Frau so gehandelt, man würde ihren Namen in Gedichten feiern, allein die Füchsin trieb nur – der Instinct! Denn hätte sie Verstand gehabt, sie würde Hals über Kopf davon gelaufen und froh gewesen sein, daß sie einen verkrüppelten Mann los geworden.“

Auffallende Beispiele von ehelicher Liebe und Treue liefert unter den Vierfüßlern auch das dem Menschen so nahestehende Geschlecht der Affen, deren inniges Familienleben und große Kinderliebe ebenfalls sprüchwörtlich geworden sind. Beide Geschlechter halten bei den in Einehe lebenden Arten eng zusammen, trennen sich fast nie und schlafen auch gemeinschaftlich. Daß auf der andern Seite bei dem leidenschaftlichen Temperament der Affen auch die Eifersucht keine kleine Rolle in ihrem ehelichen Leben spielt, braucht kaum versichert zu werden.

Eine kostbare Eifersuchtsscene bei Affen hat O. von Corvin einst in einer Menagerie beobachtet. Hinter einem kleinen, sehr muntern Affenpärchen saß ein großer, melancholischer Affe, welcher seine kleine Nachbarin (sie war wohl fünf Mal kleiner, als er) ohne Einwand von Seiten ihres Gatten öfter in seine Arme nahm und zu erwärmen suchte. Was zu dieser Nachsicht vielleicht nicht unwesentlich beitrug, war der Umstand, daß der Gatte selbst eine Intrigue mit der kleinen koketten Frau seines Nachbars zur Rechten hatte, welcher letztere leichtsinnig genug war, mehr auf die Freßgeschirre seiner Nachbarn, als auf seine Ehehälfte zu achten. Als nun eines Mittags der Herr Beobachter in der Thierbude war und die kleine Frau in den Armen ihres großen Liebhabers schlief, unschuldig wie ein Kind an der Mutter Brust, war der naschhafte Mann der Frau Nachbarin beschäftigt, eine Birne wegzukapern, welche ein Besucher so hingelegt hatte, daß er nur mit Mühe zu ihr gelangen konnte. Diesen günstigen Augenblick benutzte der ungetreue Gemahl der kleinen schlafenden Frau, um seine Intrigue mit der koketten Nachbarin zum Austrag zu bringen, und beide begegneten sich einander auf halbem Wege, was um so nöthiger war, als sie Beide angekettet waren. Ihr Glück schien gesichert; aber –

„Zwischen Lipp’ und Kelchesrand
schwebt der finstren Mächte Hand!“

Wie ein Blitz stürzte plötzlich die kleine Frau aus den Armen ihres kolossalen Liebhabers auf das liebetrunkene Paar, maulschellirte – echt weiblich – zuerst die Nebenbuhlerin, nahm dann ihren Benedict am Ohre, schleppte ihn in’s häusliche Hauptquartier und demonstrirte ihm hier ad hominem oder vielmehr ad simiam, daß es für ihn gerathener sei, seine Liebe nicht an irgend eine Fremde zu vergeuden.




Blätter und Blüthen.


Schiller-Vereine und Schiller-Feste. Das „Mahnwort“, welches wir im vorigen Jahre „zum 10. November“ an die deutsche Nation richteten, ist nicht überhört worden, es hat, wie uns brieflich und mündlich vielfach versichert wurde, in gar manchen Herzen gezündet und gute Entschlüsse angeregt, und wenn überall sogleich Jemand zur Hand gewesen wäre, der dieselben hätte zur That machen helfen, so würde ohne Zweifel Vieles geschehen sein. Die That ist es, vor welcher bei uns selbst die größten Massen sich scheuen, wenn es ihnen an einem Führer gebricht.

Sollte es aber denn wirklich an Führern zu einem so nahen Ziele fehlen? Wir wiederholen hiermit, daß es sich um weiter Nichts handelt, als um die Stiftung von Schiller-Vereinen, welche alljährlich des Dichters Geburtstag mit einem Feste feiern und sich, wenn sie ihren Bestand gesichert fühlen, als Zweigvereine der „Schiller-Stiftung“ anschließen.

Unser Vorschlag vom vorigen Jahre hat diesen Weg, der hartbedrängten Casse der Schiller-Stiftung frische Hülfsquellen zu eröffnen, ausdrücklich nur darum gewählt, weil in allen Classen unserer Nation die Mehrzahl leichter für einen Fest-, als für einen bloßen Beisteuer-Verein zu gewinnen ist. Haben aber die Verehrer des großen deutschen Dichters – und sie fehlen nirgends, von der großen Stadt bis zum kleinsten Orte – sich zu einer Feier seines Andenkens zusammengefunden, so wird auch überall sich ein Mann finden, welcher im Stande ist, seiner Versammlung den höheren Zweck einer solchen Feier an’s Herz zu legen, den Zweck: zur Ehre des gefeierten Dichters Derer nicht zu vergessen, welche, treu wie er, Jeder nach dem Maße seiner Kraft, zur Förderung deutscher Bildung, zur Veredelung und Verschönerung des deutschen Lebens, zum Ehre des deutschen Namens mit ihren Werken beigetragen haben – ohne daß ihnen das Glück zu Theil geworden, den Lohn zu finden, der ihre eigenen Tage erhellt und sie in den Stand gesetzt hätte, für die Zukunft ihrer Lieben zu sorgen. – Man lese die Namen der vielen Wittwen und Waisen, welche jährlich die Listen der Schiller-Stiftung füllen, und es müßte traurig um das deutsche Ehrgefühl stehen, wenn nicht die Schamröthe so manche Wange färben sollte vor der Thatsache, daß schaffende Geister, deren Werke heute noch Tausenden erhebende Stunden edelsten Genusses bereiten, so arm im Leben da standen und daß ihre Nachkommen so karg vom Dank des Volkes bedacht werden, wie dies jetzt von Seiten der Schiller-Stiftung leider geschehen muß.

Wir haben in unserer vorjährigen „Mahnung“ den damaligen Stand der Mittel der Schiller-Stiftung und die Ansprüche, die an sie gestellt worden sind, dargethan. Nach beiden Seiten hin hat sich seitdem nichts gebessert; ja es mußten noch weit mehr Bittende zurückgewiesen werden, um für die in die Listen Aufgenommenen durch immer weitere Beschneidung der Unterstützungen die Ehrengabe nicht völlig zum Almosen hinabsinken zu lassen. Die Zahl der Beisteuernden war die alte geblieben.

Unter den bei uns eingegangenen Zuschriften in Folge jener „Mahnung“ fanden sich mehrere, welche auf andere Hülfsquellen hinwiesen; die meisten vereinigten sich in dem Antrag: der Vorstand der Schiller-Stiftung möge die sämmtlichen Hof- und Stadttheater deutscher Zunge aufordern, alljährlich die volle Einnahme für die Aufführung eines Schiller’schen Stückes der Schiller-Stiftung zuzuwenden. Der Gedanke ist nicht neu. Wir geben auch zu, daß sämmtliche Theater aus den Stücken unserer Classiker, deren Autorrechte verjährt sind, bedeutende Einnahmen ziehen, ja daß dies selbst von Dramen solcher Dichter geschieht, deren Werke nicht mehr tantiemeberechtigt sind und deren Nachkommen die Hülfe der Schiller-Stiftung in Anspruch nehmen müssen; wir geben zu, daß die Bühnendirectionen wohl die Verpflichtung zu einem solchen Opfer fühlen und anerkennen dürften, und daß eine solche

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