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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

zum Glätten des Wachses bestimmt, wenn man die ältere Schrift verwischt hatte, um von Neuem zu schreiben. Mit Bezug hierauf sagt Horaz bezeichnend: „Saepe stilum vertas!“ (Kehre oft den Griffel um!) – wir würden sagen: „Feile fleißig an dem, was du schreibst!“ Einen ähnlichen Griffel zeigt die im Postmuseum befindliche Abbildung des lieblichen „schreibender Mädchens von Pompeji“ (Original in Neapel), das sinnend den Blick auf das vor ihr liegende Täfelchen richtet. Daß der Gebrauch des Siegelringes als Petschaft, sowie der kretensischen und asiatischen Siegelerde (malthe) zum Verschluß der Rollen und Diptychen in die ältesten Zeiten hinaufreicht, ist bekannt. Ein solches Siegel sieht man auf dem berühmten Wandgemälde eines antiken Papyrosbriefes in Pompeji, dessen Adresse wie folgt lautet: „M. Lucretio flam. Martis decurioni. Pompei,“ das heißt „An den Kriegshauptmann Lucretius in Pompeji.“

Zur Beförderung der Briefe bei den Alten dienten Läufer (Hemerodromen und Tabellarii). Eine interessante Erinnerung an einen griechischen Briefboten haben die deutscherseits ausgeführten Ausgrabungen in Olympia zu Tage gefördert. Dr. Treu fand dort die Basis einer Statue auf, welche zu Ehren des beim Wettlauf errungenen Sieges eines Kuriers und Briefboten Alexander’s des Großen, Philonides aus Kreta, auf dem geweihten Boden der Altis in Olympia aufgestellt worden war und deren auch der griechische Schriftsteller Pausanias bei seiner Beschreibung von Hellas erwähnt. Eine Nachbildung jener Basis, deren Inschrift den Philonides als „Durchschreiter Asiens“ feiert, ist, als denkwürdige Erinnerung an den glorreichen Sieg eines althellenischen Postbeamten bei den „Olympischen Spielen“, dem Postmuseum in Berlin einverleibt worden.

In ähnlicher Weise hat die Geschichte die That eines Straßburger Briefboten aufgezeichnet, dessen Figur, eine Copie des am Rathhause zu Basel befindlichen Originals, ebenfalls das Postmuseum ziert. Dieser Bote soll 1444 von Straßburg im Elsaß an den Rath von Basel abgesandt worden sein, um letzteren von dem drohenden Einfalle der Armagnacs zu unterrichten, die unter Ludwig’s des Elften Befehl nach Helvetien vordrangen. Der Bote hatte den Weg von Straßburg nach Basel in einem Laufe zurückgelegt, fiel aber, nach Abgabe seines Schreibens, daselbst todt nieder.

Ueberhaupt sind die „geschworenen“ Boten der Städte sowie die „Reisigen des Rathes“ und die „edlen Postjungen“ der Fürsten und Ritter nicht uninteressante Figuren in einem Culturbilde des Mittelalters. Bei dem Mangel an regelmäßigen Staatsposteinrichtungen, die in Deutschland erst 1517 und in den anderen Ländern noch später hergestellt wurden, waren die Boten die einzigen Verkehrsmittel. In oft malerischen, buntfarbigen Anzügen, mit Botenspieß und Wappenschildern, als Abzeichen ihrer Würde, versehen, zogen diese Boten von Stadt zu Stadt; überall gern empfangen, weil sie die neuesten Nachrichten überbrachten, sammelten sie, nach Ankündigung ihrer Ankunft durch Glockensignale, Briefe und Pakete ein.

Ein trefflicher Abdruck eines Kupferstichs im Postmuseum zeigt uns die behäbige Figur eines Nürnberger Postboten aus der zweiten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts, damals „Potten“ oder „Botten“, auch „allamodische Postpoten“ genannt; ein beigegebenes Lied charakterisirt in anschaulicher Weise den fahrenden Postritter der „guten alten Zeit“, in der es übrigens nach Garzonus’ Berichten nicht an zahlreichen Ueberfällen und Beraubungen der Postboten gefehlt hat.

Zahlreiche weitere Botenfiguren enthält die Glockendon’sche Bibel (in der herzoglichen Bibliothek in Wolfenbüttel), von deren Vignetten zu den Episteln hübsche Copieen sich im Postmuseum befinden; ebenso veranschaulichen die alten Botenordnungen, die von fast allen wichtigeren Städten, namentlich denen des Hansabundes, erlassen und veröffentlicht wurden, in getreuen Copieen den Botendienst und seine Attribute.

Ueber die Höhe des Portos im fünfzehnten Jahrhundert giebt die aufgefundene Rechnung des Guardians im Barfüßerkloster zu Frankfurt am Main vom Jahre 1487 Aufschluß. Damals kostete ein Brief von Frankfurt nach Mainz 4 Heller, während ein Huhn zu jener Zeit einen Werth von 7 Hellern, ein Buch Schreibpapier einen solchen von 9 Hellern und ein Hammel von 100 Hellern hatte.

Eine andere interessante Urkunde im Postmuseum belehrt uns über die Erfindung der Freimarken und Briefkasten, sowie über die Errichtung der ersten „Stadtpost“ zu Paris im Jahre 1653. Mr. Velayer, maitre des requêtes (Steuereinnehmer) in Paris, erlangte damals vom Könige das Privileg, Briefkasten in den verschiedenen Theilen der französischen Hauptstadt aufzustellen und zugleich ein Bureau zu errichten, in dem man für einen Sou Stempelmarken kaufen konnte, welche die Aufschrift „port payé le … jour du mois de … l’an 1653“ (das heißt: Porto bezahlt am … Tage des Monats … im Jahre 1653) enthielten. Diese Marken wurden den Briefen angeheftet, die man so frankirt in die Briefkasten Velayer’s hineinwerfen konnte, von wo die „Stadtpost“ sie täglich dreimal abholte, um sie in der Stadt zu bestellen. Anders eine zweite Ueberlieferung, welche die Erfindung der Briefkasten in die Jugendzeit Ludwig’s des Vierzehnten versetzt. Die Postbeamten, heißt es, trugen damals alle Briefe sorgsam in die dicken Postfolianten ein und zwar mit dem Namen des Absenders, weil der Polizeiminister Louvois dieser Angaben sich bediente, und so kam eine zärtliche Correspondenz des Königs zur Kenntniß Richelieu’s, welcher die Briefchen dem Könige am Morgen nach deren Absendung feierlich wieder zustellen ließ. Seitdem erhob sich ein wahrer Sturm in Paris wegen des Bruches des Briefgeheimnisses, und man setzte es durch, daß in den Straßen von Paris Briefkasten angebracht wurden, in welche Jedermann Briefe hineinlegen durfte, ohne seinen Namen bezeichnen zu müssen. – Das Postmuseum enthält übrigens eine hübsche Sammlung älterer und neuerer Briefkasten.

Während der ferne Orient, wie die von Herodot und Xenophon mit Recht gerühmten persischen Reitposten, sowie die seit uralter Zeit in China eingeführten reitende Kuriere der Regierungspost des himmlischen Reiches bekunden, die Briefbeförderung durch Verwerthung der Schnelligkeit des Pferdes bereits vervollkommnet hatte, fügte die von Augustus in’s Leben gerufene römische Staatspost, cursus publicus, ein neues Transportmittel in den öffentlichen Verkehr ein: die Wagen.

Meistentheils bedienten die Römer sich zum Reisen der zweiräderigen Wagen (birotae, bigae oder rhedae). Die vierräderigen (carpenta) dienten zum Gütertransport. Caligula ließ einmal seine ganze Hofhaltung mit dem cursus publicus nach Gallien senden; unter Constantin (361) wurden selbst große Heeresabtheilungen mit der Post von Rom aus nach dem Euphrat und Tigris befördert.

Bei der Wichtigkeit des Wagens als Beförderungsmittel ist es von Interesse, im Postmuseum zahlreiche Modelle und Abbildungen zu finden, welche den Gang der Entwickelung des Wagens und seiner Bestandtheile von den ältesten geschichtlichen Zeiten bis auf die Gegenwart veranschaulichen. Den Anfang machen die Kriegswagen der alten Assyrier und Babylonier nach Mustern der Reliefs aus Niniveh, wie sie Layard und Julius Oppert entdeckten, sodann Wagen der alten Aegypter nach Reliefs aus dem Palaste Medinet Abu, ferner Wagen der Phönicier, Hebräer und Perser. Zwei Modelle von Bronzerädern, die aus den unteren Erdschichten bei Arona in Oberitalien ausgegraben und von denen getreue Copien seitens des Turiner städtischen Museums mit freundlichem Entgegenkommen dem Postmuseum in Berlin gewidmet worden sind, vergegenwärtigen den Wagenbau aus altetruskischer oder altitalischer Zeit. Die Räder sind von einfachster Scheibenform gearbeitet, ähnlich wie die Räder der grusinisch-armenischen Arba, die noch heute im Kaukasus in der antiken, von Jahrtausend zu Jahrtausend überlieferten Form des Entdeckers der Räder, Erichthonius, benutzt wird. Auch die althellenischen Kriegswagen nach Mustern vom Fries des Pantheon in Athen zeigen noch die einfachste Kastenform der asiatischen Streitwagen, die natürlich der Federn entbehrten, sodaß der Kasten lediglich auf der Achse lag und beim Fahren in ähnlicher Weise die Insassen erschüttert haben mag, wie es die von Ochsen gezogenen Wagen im afrikanischen Caplande noch heutzutage mit vielem Erfolge leisten. Ein bei den Ausgrabungen in Pompeji aufgefundenes Wandgemälde, dessen Copie dem Postmuseum einverleibt ist, zeigt die Form des altrömischen vierräderigen Lastwagens, wie er beim Transport von Wein (in Schläuchen) etc. benutzt wurde.

Im frühen Mittelalter änderte sich die Form der Wagen nur unwesentlich, wie uns unter Anderem die Abbildungen aus Landsberg’s Hortus deliciarum (zwölftes Jahrhundert) und Brant’s Narrenschiff (1478) lehren. Der traurige Zustand der Wege zur Zeit des Mittelalters wird uns durch eine humoristische

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 755. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_755.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)