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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

und deren teuerstes Eigenthum auf dem Spiel stand, die nahende Katastrophe ahnen konnten. Erst um drei Uhr nach Mitternacht, als die Flammen bereits Stunden hindurch in den todtstillen, verschlossenen Räumen gewühlt hatten, bemerkten die Wächter auf der Rheinbrücke einen falben Schein an der westlich gegen den Fluß vorspringenden Ecke des Schlosses. Unheimlich brach er durch das alte, graue Gemäuer, dämmerte wie eine schreckliche Ahnung vor den entsetzten Blicken auf, verbreitete sich, wuchs in die Höhe, bis endlich jede Fessel gesprengt war und Riesenfeuersäulen und sprühende Flammengarben zum Firmament emporstiegen.

Ehe noch Hülfe herbeigeschafft werden konnte, spielte sich das großartigste Feuerwerk ab, und um so schauerlich-prächtiger stellte es sich dar, als die breite Wasserfläche den Spiegel dafür abgab. Von vielfarbigen magischen Lichtern erhellt, in Tausenden von Facetten gebrochen, trieben die Wogen am Fuße des Schlosses dahin, eine kurze Zeit vergoldet, um dann unter der Stadt sich um so schwärzer hinabzuwälzen.

Währenddem verkohlten im Innern Gemälde, Cartons, Handzeichnungen, Studien, schmolz die Platte der Disputa von Keller zu einem Metallklumpen zusammen, sprangen in der Gluth die kolossalen von Professor Wittig ausgeführtes Steinmedaillons, mit deren Einfügung in die Rheinfaçade der Akademie Tags darauf begonnen werden sollte, waren die Gallerie, die Sammlungen, die schwer zu transportirenden Schätze der Bildhauerschule auf’s Höchste bedroht. Hätten unsere Ahnen nicht so felsenfest gebaut, so wäre schon jetzt Alles zur Ruine geworden. Erst am Morgen gelang es, die Sammlungen, den Inhalt der Bildhauer- und einiger Malerateliers zu retten, sowie das Galleriegebäude mit unserem letzten Juwel, dem kostbaren Rubens, nebst der eng anschließenden Landesbibliothek und dem selten werthvollen Archiv zu sichern. Bei dieser Gelegenheit machte die alte Sage sich in der Behauptung wieder geltend, Jacobe’s Geist habe sich, Unheil verkündend, am Vorabend des Brandes im Schlosse gezeigt.

Nachdem der Verlust übersehen werden konnte und die erste Bestürzung einigermaßen verwunden war, tauchte natürlich die Frage über den Neubau auf, und jetzt erst wurde man sich auch in weiteren Kreisen bewußt, wie unpraktisch eigentlich das alte Schloß zu Kunstzwecken gewesen sei, da es fast gänzlich des Nordlichtes ermangelte. Trotzdem wollte man, theils aus pecuniären Rücksichten, theils aus Anhänglichkeit an die alte Stelle, die Akademie wieder auf demselben Platze aufbauen. Erst in letzter Stunde gelang es dem dringenden Mahnrufe hervorragender Künstler, den gefaßten Entschluß umzustoßen. Ein geeigneter Platz am Sicherheitshafen, der eine lange Frontentwickelung nach Norden ermöglicht, ward für den Neubau ausgewählt, und reiche Mittel dazu wurden durch den Cultusminister Falk erwirkt. Als Architekt wählte man den Baumeister H. Riffhart, einen Schüler Professor Strack’s, Geh. Oberhofbauraths und Hofarchitekten des deutschen Kaisers. Bei der ihm hier gestellten Aufgabe bot sich dem einsichtsvollen Baumeister, der sich auf längeren Reisen im Orient, in Frankreich und Italien ausgebildet hat, die Gelegenheit, sich als selbstständig denkender Künstler zu zeigen. Gerade der Bau einer solchen Lehranstalt bietet besondere Schwierigkeiten, indem alle Räume viel Licht und gutes Licht haben müssen, und eine gewisse Monotonie ist dabei, besonders in der Anordnung und Größe der Fenster, schwer zu vermeiden. Muß doch jeder Ausbau, jeder größere Vorsprung, der Schatten giebt, vermieden werden. Hier gilt es nicht, die Phantasie zu entfesseln; hier gilt es, ihr Zügel anzulegen. Nur durch schöne Verhältnisse und richtige Verwerthung der wenigen erlaubten Hülfsmittel, um einige Abwechselung hervorzubringen, kann man wirken. Selbst die Unterbrechung der langen Façade durch ein Portal mußte sich der Architekt versagen, da der schmale Raum bis zu dem steil abfallenden Ufer des Sicherheitshafens keine Anfahrt von dieser Seite erlaubt.

Wie aber ein guter Dichter auch mit wenigen einfachen Worten seinen Gedanken auszusprechen und so einen großartigeren Eindruck hervorzubringen vermag, als Andere mit buntem Redeschwall, so ist auch hier die Idee ohne den ganzen Apparat von Thürmchen, hohen Dächern und Erkern, die oft das Auge mehr verwirren als erfreuen, zum Ausdruck gekommen. Die neue Akademie ist im reinen Renaissancestil erbaut. Die Hauptfronten sind mit Haustein geblendet. Die Mitte und die beiden Seiten treten (als „Risaliten“ mit größeren Bogenfenstern) aus der nach Norden gelegenen Façade von 158 Meter Länge hervor. Die Balustrade des flachen Daches ist mit Akroterien (Aufsätzen) gekrönt, und es sollen an den Ecken Statuen angebracht werden. Unter den Fenstern des ersten Stockwerkes zieht sich ein Fries hin, auf welchem die Namen bedeutender Künstler aller Zeiten, bis auf unsere Tage herab, eingegraben sind. Das Haupteingangsportal auf der Ostseite, zu dem eine prächtige Rampe hinaufführt, hat als besondere Zierde zwei ionische Säulen mit darüberstehenden Karyatiden, welche das Gebälk tragen. Für die Nischen der Mittelrisalite und die Blenden zwischen den Fenstern ist theils figürlicher und malerischer, theils ornamentaler Schmuck von gebrannten Thonplatten in Aussicht genommen, zu welchem Zweck auch schon verschiedene Proben angebracht sind.

Das Gebäude enthält große Ateliers für die Professoren der Malerei, der Sculptur und Kupferstecherkunst, Räume für das Museum der Gypsabgüsse, für die Elemenarclasse und die Hülfslehrer; ferner zahlreiche Ateliers für die Schüler, einen großen Antikensaal und Räume für den Unterricht in der Kunstgeschichte und Anatomie, sowie ein Thieratelier. Für allgemeine Zwecke dient ein Conferenzsaal nebst Geschäftszimmer, ebenso eine große Aula, in welcher die Gemäldesammlung Platz findet, und Wohnungen für die Beamter der Akademie.

Möchte in der neuen Heimstätte unser im Aufschwung begriffenes Kunstleben sich zur schönsten Blüthe entwickeln! An poetischer Anregung von außen fehlt es dazu nicht, denn die Lage des Gebäudes ist eine ungewöhnlich anmuthige und heitere. Nicht an einem ummauerten Platz, nicht im Innern einer düstern Stadt, nicht am geräuschvollen Markt ist es aufgerichtet, nein, frei blickt es auf den Strom der Ströme hinab, den Riehl so richtig „das Silberband, das die Völker verbindet“, die „Culturstraße Deutschlands“ genannt hat. Aus den Fenstern der Akademie sieht man auf den vielgewundenen Fluß, der sich in der Ferne, eine große Biegung machend, fast zum See erweitert. Zahlreiche Schiffe, brausende Schleppdampfer, ganze Flotillen von Kohlennachen nach sich ziehend, bunt angestrichene Personendampfschiffe, dazwischen kleine Boote, wie Forellen hin- und herschießend, beleben die Wasserfläche; weiße Segel ziehen, wie sehnsüchtige Gedanken, auf dem grünen Spiegel dahin. Fruchtbare Saatgefilde und Dörfer locken den Blick nach dem andern Ufer, indeß mehr in der Nähe die Bäume des Hofgartens und des Eiskellerberges herüberwinken. Nur die nächste Umgebung bedarf noch einiges grünen Schmuckes, damit der störende Durchblick in den alten Stadttheil verdeckt und der sonnige Aufgang beschattet werde.

Unter so günstigen Zeichen möge denn die neue Akademie am 20. October freudig ihre Pforten öffnen!

S. Hasenclever.




Unser Hund – ein Zugthier?
Eine Thierschutzfrage.

Wenn wir im Hinblick auf diese Frage dem Hunde und vornehmlich dem Hunde der civilisirten Welt das Wort reden, so geschieht es nicht etwa aus Sentimentalität, dem Superhumanismus mancher Thierschützler. Wir sprechen aus der lebendigen Erfahrung von fast fünf Jahrzehnten heraus, in welchen wir den Hund gezüchtet, abgerichtet, mit ihm gejagt und ihn gründlich kennen gelernt haben. Sehet den treuen Hüter der Heerden sein schweres Amt Tag und Nacht mit immer sich gleichbleibendem Eifer und rührender Genügsamkeit ausüben, den mächtigen Bullenbeißer oder die englische Dogge als unbestechliche Schildwachen den Großhof beschützen, beobachtet den Hühnerhund in seiner Bravour, mit welcher er den Schützen an das Wild bringt, steigt in die schneeigen Alpen und bewundert die Hünen des Hundegeschlechts in ihrem großen Dienste für die in Unwettern Verirrten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 719. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_719.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)