Seite:Die Gartenlaube (1879) 716.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

ich mich bezwungen zu haben, hoffte den langen Tag über, und wenn ich in Deiner Gegenwart dem Gedanken in’s Auge zu blicken suchte, in Dir meinen Gatten zu sehen, dann bebte mein ganzes Sein zurück. O mein Gott, ich bin ja schuldlos! Du darfst mich keiner Treulosigkeit zeihen; mein Herz blieb rein: so grauenvoll es ist, uns treibt etwas aus einander – wie soll ich es nennen? Hättest Du mich in meiner Blindheit gelassen, oder wärst leichtsinnig zu Werke gegangen – Unglück wäre Glück geblieben.“

„Werde ich es tragen?“ sagte er tonlos vor sich hin.

„Ich trage mit Dir.“

„Du?“

„Bleibe ich nicht lebenslang Deine treueste Freundin?“

„Warum hauchest Du nicht gleich in Versen,“ unterbrach er sie höhnend: „Ritter, treue Schwesterliebe – ah, der seufzte sich ja wohl zu Tode? Nun, darüber kann ich Dich wenigstens beruhigen; dergleichen wäre nicht mein Geschmack. Eher –! Aber das spukt wohl im Blute von den Vätern her – der Eine so, der Andere so; bleibt sich im Grunde gleich – was liegt an der Art?“

„Felix, ich beschwöre Dich: treibe uns nicht in Aeußerstes hinein! Ich fühle unerbittlich klar, wenn Du mich mir selbst untreu machen könntest, wenn Du mich zwängest, Dir nachzugeben – mit dieser Scheu, diesem Grauen in allen Sinnen, Deine Gattin zu werden, es wäre uns Beiden zu lebenslanger Qual. Finde ich doch Deiner Leidenschaft gegenüber nicht einen erwidernden Ton; ich erschrecke nur. Auch eben war es nur die namenlose Furcht vor der Zukunft, ein letztes Stück Selbstachtung, das mir den Muth gab, Dich endlich in mein Herz blicken zu lassen. Ich weiß noch nicht, ob ich recht gethan, und doch ist mir so; der Mann soll ja stärker sein als wir; er muß die Kraft finden, zu entsagen –“

„Einer Liebe, die er selbst geworden ist?“ rief Pranten wie in einem Aufschrei – „niemals! Wie wär’ es möglich! Ja: ich kann in mir gebrochen, vernichtet werden, und somit auch meine Liebe – nimmer anders! Wer entsagen kann, hat nie geliebt. Da sprechen sie, Liebe wäre das Höchste, das eigentliche Glück, welches die Erde zu vergeben hätte. Dich erschreckt meine Liebe. Und ahntest Du, wie demüthig sie ist, wie sie über all Deine Wege sich breiten möchte, daß Du einzig über sie hinschrittest! Josephine, jeder Deiner Blicke ist Gnade, der Hauch Deines Mundes mir Odem, meine Lebenslust. Und Du willst mich von Dir stoßen, härter als Fremde, härter als meine Mutter. Sie duldete mich doch auf Stunden in ihrer Nähe. Du glaubst nicht, was die Gewöhnung Alles vergessen lehrt; Du kannst noch nicht in Dir abgeschlossen haben; die Zeit war zu kurz. Laß uns wenigstens noch eine Frist setzen, bis dahin – bis dahin –“

Er stockte. Ueber Josephinens Züge – ihr unbewußt – war etwas hingeglitten, nur schattenhaft – es hatte der Verachtung täuschend gleich gesehen. Zu viel, allzu viel! Ein Rest von Mannheit war noch in Pranten; er wandte sich plötzlich mit stummem Neigen ab und schritt der Thür zu.

Josephine eilte ihm nach; ihre zitternden Finger umschlossen seine Arme.

„Ich lasse Dich nicht, so nicht, o, nur so nicht!“

Aus trocknen, heißen Augen blickte er auf sie herab; es that ihm wohl, sie so in Schmerz aufgelöst zu sehen. Ganz ungeliebt konnte er also doch nicht sein; vielleicht, und wäre es nach Jahren, gab es noch eine Lösung. Ihn erschütterte der Gedanke so sehr, daß er Josephinen unwillkürlich glühender an sich preßte.

„Du liebst mich; ich weiß es nun besser, als Du selbst; mich täuscht nichts mehr, nichts! Was zusammen gehört und in einander erst sein volles Sein findet, das möchtest Du trennen, weil etwas so Aeußeres, wie es unsere Erscheinung ist, Deinen Augen mißfällt? Was lieben wir denn? Den Gott im Menschen oder das Stück elender, in Fleisch und Blut verwandelter Materie? Durch einen Zufall mißrieth die Form, und um solchen Zufalls willen könntest Du mich verwerfen? Besinne Dich! Sage mir, daß Du nur wissen wolltest, wie unendlich Du geliebt würdest! Ich verzeihe Dir, und hätte bloße Eitelkeit die Prüfung gefordert, immer wüßte ich ja, wie es im Grunde Liebe gewesen, die mich geprüft, die ihr Weh schafft, um unaussprechlich lohnen zu können. Josephine! O Gott, in Deinen Augen steht nichts mehr.“

„Dankbarkeit steht darin,“ rief diese fassungslos, „glühende Dankbarkeit! Und die hat in ihnen gestanden, seit ich Dich zum ersten Male gesehen, und kann erst mit ihnen brechen. Sie auch trieb mich Dir nach; sie konnte Dich nicht im Zorn scheiden lassen; sie zwingt mich Dir zu Füßen und fleht: ein Wort der Vergebung!“

Pranten wollte sie emporziehen, doch sie rang sich los:

„Lasse mich! Hier muß ich liegen, bis Du es findest – das Wort. Felix, sei Mann, nicht dieses schreckliche Hinstarren! Was hälfe es, wenn ich Dir heuchelte? Dein Weib könnte ich doch nie werden; und ob Du mir Frist gäbest, es bliebe immer dasselbe – ich kann nicht.“

Langhin rollte der Donner; wie in tiefem Grollen brach er dann jäh ab, und der Himmel schien sich zu öffnen, eine klaffende Feuerschlucht. Josephine barg ihr Gesicht in den Händen; Pranten bemerkte es nicht. An die Mauer des Altans gelehnt, folgte er scheinbar völlig hingegeben dem Toben der Elemente. Nach einigen Augenblicken beugte er sich zu Josephinen nieder.

„Ich bitte!“ sagte er, indem er sie aufhob. „Zwar,“ fuhr er in rascher Wendung fort, „bin ich unsicher, was Du von mir gefordert hast. Dir, Dir vermöchte ich zu zürnen? Halte mich nicht für ärmer, als ich bin! Es ist wohl Schicksalswille, immer Gleich zu Gleich; das traf bei uns nicht zu, weiter nichts. Aber nun zu Ende – sonst überfällt mich noch das Wetter!“ Er lächelte in bitterem Hohn. „Innen Thränen, außen Thränen; es wäre überlächerlich, nicht wahr? So lache doch mit! Ich kann noch lachen. O Josephine!“

Er riß sie an die Brust; schon näherten sich seine Lippen den ihren, da bog er sich mit einem erstickten Schrei zurück und stürzte aus der Thür.

„Felix!“ hallte es ihm nach; er hörte es nicht mehr.

Pranten hätte kaum sagen können, wie und wann er heimgekehrt. Als er zu sich kam, fühlte er fröstelnd, daß er völlig durchnäßt war; doch ob er im Gewitter noch unterwegs gewesen, ob ihn der Regen am Fenster getroffen, darüber sann er umsonst. Nur Eines wußte er genau: er hatte lange mit dem Kopf auf dem Fensterbrett gelegen und immer gebetet, daß ein erlösender Strahl niederzucke.

Die Strahlen hatten Besseres zu thun gehabt: drüben in der Vorstadt, wo die Hütten der Armen anfangen, brannte es an zwei Stellen, und ein Mann wurde erschlagen, der Waisen hinterließ.

(Schluß folgt.)




Die neue Kunstakademie in Düsseldorf.


Die Düsseldorfer Kunst hat endlich eine ihrer würdige Wohnstätte gefunden. Das neue Akademiegebäude, das im Augenblick, wo die Leser diese Skizze zu Gesicht bekommen, bereits durch einen feierlichen Einweihungsact seiner Bestimmung übergeben sein wird (am 20. October), entspricht durchaus der Bedeutung dieser schon über ein Jahrhundert bestehenden Kunstschule. Die Anstalt wurde, wie bekannt, im Jahre 1767 von Karl Theodor, einem Kurfürsten aus der Sulzbach’schen Linie, dem Nachfolger des 1742 verstorbenen letzten Pfalz-Neuenburgers Karl Philipp, gegründet, wozu wohl die schon seit 1690 in Düsseldorf vorhandene berühmte Gemäldegallerie, das Erbtheil der Gemahlin Johann Wilhelm’s, einer Medicäerin, die erste Veranlassung dargeboten haben mag. Der kunstliebende Fürst Jan Wilhelm hatte die Gallerie nicht allein auf’s Beste ausgestattet, sondern auch noch durch neue werthvolle Ankäufe erweitert. Von ihm sagt das Düsseldorfer Kind Heinrich Heine in seiner naiv-pikanten Weise: „Er soll ein braver Herr gewesen sein und selbst sehr geschickt. Er stiftete die Gemäldegallerie in Düsseldorf , und auf dem dortigen Observatorium zeigt man noch einen überaus künstlichen Einschachtelungsbecher von Holz, den er selbst in seinen Freistunden – er hatte deren täglich vierundzwanzig – geschnitzelt hat. Auf dem Marktplatze steht eine kolossale Reiterstatue, die den Kurfürsten Jan Wilhelm darstellen soll. Er trägt einen schwarzen Harnisch und eine tief herabhängende Allongenperrücke.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 716. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_716.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)