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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

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aufgesucht. Diese abgelegene Gegend wurde vom Räuberwesen, von dem wir in Montefiascone nur wenig kennen gelernt hatten, damals sehr unsicher gemacht, und unsere Abtheilung hatte eben die Aufgabe, den Räubern energisch das Handwerk zu legen.

Man wundert sich in Deutschland oft, daß es in Italien und speciell auch im ehemaligen Kirchenstaate so lange und zum Theil bis heute noch nicht gelungen ist, dem Räuberwesen den Garaus zu machen. Wer aber die Verhältnisse einigermaßen zu beurtheilen versteht, der wird hierin wenig Befremdliches finden. Ich habe die unbeschreiblich elende Lage des Volkes bereits mit einigen Strichen geschildert, und wenn sich auch unter der jetzigen italienischen Regierung Vieles gebessert hat, so sind die Grundlagen der Ordnung und Sicherheit, die socialen und besonders die Grundbesitzverhältnisse noch heute so ziemlich die alten. Die ungeheure Mehrzahl der Landbevölkerung hatte keinen Quadratfuß eigenen Grundbesitzes, sondern bestellte die Besitzungen der Grundherren mit vorsündfluthlichen Ackerwerkzeugen, wofür sie entweder einen jämmerlichen Tagelohn, größtentheils aber einen Theil der Ernte erhielt – ein Viertel bis zu einem Drittel. Dieser Lohn reichte aber kaum zur Ernährung, geschweige denn für die sonstigen unumgänglichen Bedürfnisse, besonders die unmäßigen Steuern an Kirche und Staat aus. In Folge dessen befand sich das arme Volk auch noch in der beständigen Schuldunterthänigkeit der Wucherer, welche gegen hohe Zinsen Vorschüsse auf die künftige Ernte gaben; häufig besorgten dieses einträgliche Geschäft die Grundbesitzer selbst.

So mußten denn die armen Landarbeiter in allen Besitzenden Feinde erblicken, und wer die Verwegenheit und Gewandtheit besaß, einem Grundherrn, Pächter, Wucherer oder sonst einem ihrer Unterdrücker und Aussauger durch einen kühnen Gewaltstreich Schaden zuzufügen, erfreute sich ihrer Sympathien, und ihm wurde jeder Vorschub geleistet. Die Bauern verriethen den Briganten die Gelegenheit zu Beutezügen, erhielten ihren Antheil an dem Fange und halfen den Verfolgten, den Nachforschungen der Polizei und der Truppen zu entgehen. Unter den verderbten besitzenden Ständen der Städte aber, und selbst unter den geistlichen und weltlichen Würdenträgern, bis in die höchsten Kreise hinauf, fanden die Banditen gegen Geld und sonstige Gefälligkeiten stets Helfershelfer und Beschützer in Menge.

Wie schwierig unter solchen Umständen die Bekämpfung des Räuberwesens war und ist, kann man sich leicht vorstellen, und ebenso erklärt sich daraus die fast unglaubliche Frechheit und Verwegenheit mancher Brigantenchefs, die sich beim Volke desto größerer Popularität, ja man möchte fast sagen, Verehrung erfreuten, je gefährlicher sie waren. Die Popularität schützte sie am wirksamsten gegen die Steckbriefe der Regierung, welche oft sehr hohe Belohnungen auf ihre Ergreifung aussetzte.

Die Bande nun, welche in der Umgegend von Bagnarea ihr Wesen trieb und gegen welche man uns geschickt hatte, war eine der gefährlichsten, welche seit Langem der Behörde zu schaffen gemacht. An ihrer Spitze stand ein gewisser Liberi, ein noch junger Mensch, der allein und in Verbindung mit seinen zahlreichen Spießgesellen die verwegensten Brandschatzungen und Blutthaten ausführte und seit Monaten die ganze Grenzgegend in Furcht und Schrecken hielt. Wohl hatte die Regierung schon früher Truppen gegen ihn geschickt, aber diese, weil Eingeborene, thaten ihre Schuldigkeit

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 689. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_689.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)