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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Die Bergveste Hochosterwitz und Margarethe Maultasch.
Von A. C. Wiesner.

Wir führen den freundlichen Leser nach dem herrlichen Alpenlande Kärnten. Es ist reich an entzückenden Landschaften, großartigen Gebirgsscenerien, klaren, lieblich gelegenen Bergseen und überaus interessanten historischen Erinnerungen, zu denen namentlich eine stattliche Reihe einst mächtiger, theilweise noch wohlerhaltener Burgen und Schlösser zählt. Wer von dem obersteiermärkischen Städtchen Bruck an der Mur mittelst der Kronprinz Rudolf-Bahn seinen Einzug in Kärnten halten will, dem rathen wir, sein Billet nur bis zur Eisenbahnstation Launsdorf zu lösen, die man hinter St. Veit, der einstigen mittelalterlichen Residenz der Herzöge Kärntens, erreicht.

Wenn der Reisende in Launsdorf den Bahnzug verläßt, wird er zur Linken durch ein Bild überrascht, das jedenfalls nicht zu den gewöhnlichen oder alltäglichen gehört. Die hohen Waldrücken treten halbkreisförmig zurück, eine Thalmulde begrenzend, in deren Mitte ein kolossaler, fast senkrecht abfallender Felskegel sich erhebt; sein Gipfel ist mit einer mächtigen Bergveste gekrönt, deren Mauern, Wälle, Thürme und Thürmchen terrassenförmig emporsteigen. Diese Bergveste ist Hochosterwitz, die schönste, mächtigste Burg Kärntens, würdig, auch über dessen Grenzen hinaus bekannt zu werden.

Die Veste ist von hohem Alter und stammt, wie schon ihr Name andeutet, aus der altslavischen Geschichtsperiode Kärntens. Osterwitz, Ostrowitz, richtig Ostrowice (sprich: Ostrowize) enthält das allen Slaven verständliche Wurzelwort ostro, ostroj, welches scharf, kantig, steil abfallend bedeutet, eine Bezeichnung, die also auf die Lage der Veste vollkommen paßt. Die Endsilbe wice, woraus das deutsche witz entstanden, kehrt bei vielen slavischen Ortsnamen wieder. Die Bezeichnung hoch (Hochosterwitz) entstand nur zur Unterscheidung der Veste von der am Fuße des Felskegels im Thale liegenden Besitzung Osterwitz, die, wie die Bergveste, seit Jahrhunderten und noch heute sich im Besitze des alten Khevenhüller’schen Grafengeschlechts befindet.

Genaues über das Alter der Veste läßt sich nicht historisch feststellen. Die ersten Anfänge zu ihrem Baue scheinen aus dem siebenten oder achten Jahrhundert zu stammen; bestimmt erwähnt wird Hochosterwitz schon 890 von salzburgischen Chroniken. Zu Anfang und in der ersten Hälfte des Mittelalters spielte die Veste in den Fehden und Kriegen Kärntens eine hervorragende Rolle. Was uns davon überliefert worden, scheint indeß mehr dem Gebiet der Sage, als dem der Geschichte anzugehören. Nur von einer Belagerung, richtiger Berennung, im Laufe des vierzehnten Jahrhunderts haben wir genauere Kunde; bevor wir aber diese Episode erzähle, möchten wir unsere Leser zum richtigen Verständnisse jenes Eroberungsversuches mit der Wehrhaftigkeit und dem Umfange der Veste näher bekannt machen. Ersteigen wir also Hochosterwitz!

Der einzige Weg, der zur Zeit ihrer Wehrhaftigkeit nach dem Gipfel des Felsens und in das Burginnere führte, beginnt an der Nordseite des Berges. Er ist seiner Anlage nach mehr ein breiter Reit- als Fahrweg und läßt vermuthen, daß im Mittelalter die Vorräthe und Bedürfnisse für die Bewohner der Burg durch Saumrosse hinaufgeschafft wurden. Indeß konnten wohl auch nicht allzu große Wagen, freilich mit einiger Anstrengung, den Gipfel des Felsens erreichen.

Dieser Weg, in vielen, oft plötzlichen Krümmungen ansteigend, führt durch die Thore von vierzehn Thürmen, die sämmtlich wohl erhalten sind. Jeder dieser Thürme, deren Bau ein massiver, war mit Graben und Zugbrücke versehen. Die hölzernen Spitzdächer, mit denen gegenwärtig die Thürme zum Schutze des Mauerwerks gegen die Witterungseinflüsse bedeckt sind, waren zu jener Zeit nicht vorhanden. Jeder Thurm hatte vielmehr eine offene Plattform, die zur Aufnahme der Vertheidiger eingerichtet war. Dieselben konnten sich durch die dicken, crenelirten Mauern decken und durch die Schießscharten am obersten Mauerrande den Wegabschnitt vor dem Thurme und bei manchen auch seine Flanken bestreichen. Im Inneren der Thürme waren längs den Mauern stockwerkförmig steinerne oder auch hölzerne Gallerien angebracht, von der modernen Fortificationswissenschaft Banquettes genannt; sie dienten gleichfalls zur Aufnahme von Schützen, welche durch die in halber Mannshöhe eingeschnittenen Schießscharten die Annäherung des Feindes verhindern konnten.

So waren mehr oder minder sämmtliche vierzehn Thürme der Veste Hochosterwitz zur Verteidigung hergerichtet. Sie mußten alle von dem Angreifer genommen werden, wenn er auf den Gipfel des Berges in das eigentliche Innere der Burg gelangen wollte. Jede andere Annäherung an die Veste und ihre Außenwerke war durch den hohen, auf allen Seiten steil abstürzenden Felskegel völlig unmöglich. An seiner Westseite, deren Profil im Bilde dem Beschauer sichtbar ist, steigen überdies noch drei hohe Wälle terrassenförmig empor, die gleichfalls mit Thürmen und Thürmchen zur Vertheidigung oder zum Ausspähen der umliegenden Gegend, der Bewegung des Feindes versehen sind. Manche Seiten, dieser Wälle flankiren Abschnitte des Weges, welcher durch die vierzehn Thürme nach der Veste führt. Die Besatzungen der Thürme konnten also von denen der Wälle in der Abweisung des feindlichen Angriffs unterstützt werden.

Nachdem der Besucher die Thore der vierzehn Thürme passirt, gelangt er, fast sechshundert Fuß hoch, auf den obersten Wallgang, der unmittelbar unter der Burg um den Felsen läuft. Hier erblickt man in weiter Ferne die kahlen Gipfel der majestätischen Alpen, herrliche, über Berg und Thal gestreckte Wälder, grüne Matten, dazwischen in der Sonne glitzernde Flüßchen und Bäche nebst vielen durch das Grün malerisch verstreuten Flecken, Dörfern, Schlössern und verfallenen Burgen. Die Luft auf diesem hohen Walle ist überaus klar und von würzigem Dufte erfüllt, den uns die in der Tiefe liegenden Nadelholzwälder heraufschicken. Von diesem wundervollen Naturbilde wenden wir uns in das Innere der Burg. Sie ist ein massiver, zwei Stockwerke hoher Bau, mit an seinen Ecken vorspringenden Thürmen. Im Burghofe befindet sich ein bemerkenswerther Brunnen, der noch heute vortreffliches Wasser giebt. Mit diesem war also die Veste wohl versehen und brauchte nicht zu besorgen, daß es der Belagerer ihr entziehen könne. Der Brunnen ist nämlich mitten durch den Fels gebohrt und stößt in der respectablen Tiefe von fünfzig Klaftern – gerade die Hälfte der ganzen Berghöhe – auf die Quelle.

Im Inneren der Burg sind manche Säle und Gemächer noch ziemlich wohlerhalten. Einige sind leider modernisirt, was zu dem stilvollen Ganzen sowie den alten an den Wänden hängenden Ahnen-Ritterbildern einen unerfreulichen Abstich ergiebt. In einer Kammer sieht man noch die Handmühle, welche Besatzung und Bewohner der Burg mit Mehl versorgte, ferner die Reste einer einst reichen, interessanten Waffensammlung, einen alten, hohen Filzhut und ein durch die Zeit arg mitgenommenes Stierfell. An die letzteren beiden Gegenstände knüpft sich eine Sage, die wir später erwähnen wollen. Die Capelle, die am obersten Walle, außerhalb der Burgmauern sich befindet, enthält die Grabdenkmäler mehrerer Besitzer der Burg, zumal solcher aus dem Geschlechte der Khevenhüller.

Sonst ist noch ein Steinbild Maximilian’s des Zweiten vorhanden, der ein Freund und Beschützer der Burgherren von Hochosterwitz gewesen sein soll. An einigen Thoren und Außenseiten der Mauern befinden sich Bibelsprüche, die indeß halb verwischt und wegen der Höhe, in der sie angebracht, nicht gut leserlich sind. Vom Hauptthore endlich schauen zwei in Stein gehauene Ritterbilder und das angebliche Conterfei der wilden, kriegerischen Gräfin von Tirol, Margarethe Maultasch, herab, die 1335 Hochosterwitz auf das Hartnäckigste belagerte.

Margarethe Maultasch, nicht, wie manche Historiker irrthümlich meinten, wegen eines großen, unförmlichen Mundes, sondern vom Schlosse Maultasch in Tirol so genannt, war die Erbtochter des Herzogs Heinrich von Kärnten, gleichzeitig regierenden Grafen von Tirol, und der Herzogin Adelheid, geborener Prinzessin von Braunschweig. Im Jahre 1331 vermählte sie sich mit dem böhmischen Prinzen Johann, Bruder des nachmaligen Kaisers Karl’s des Vierten, aber das stille, fast schüchterne Wesen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 651. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_651.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)