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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

in jene tabakverräucherte Hauswirthschaft eines alten Soldaten zu bringen. Was damals geschehen konnte, Dir diese Beschämung zu ersparen, ich habe es opferwillig gethan – der Schillingshof war binnen wenigen Wochen ein standesgemäßes Heim für uns. Du hast das leider nur zu bald vergessen –“

„Nie! Dafür hast Du gesorgt! Wie hätte ich sonst so oft seufzen können: ‚Gott behüte jeden mittellosen Mann vor einer reichen Frau!’“

„Nun, solch ein unerträgliches Joch läßt sich ja abschütteln.“

„Es wird uns allerdings sehr leicht gemacht werden – ich weiß das. Die schwarze Dame drüben in der Beletage des Säulenhauses, ‚Deine treue, aufopferte Freundin’, hat die Lösung von Rom aus längst in der Tasche.“

„Das hättest Du gewußt und doch keine Hand gerührt, um diese willkommene Erlösung zu beschleunigen?“ triumphirte sie.

„Weil ich meine ehrliche Hand nicht in diesen klösterlichen Intriguen haben, mein Gewissen aber von dem inneren Vorwurf rein erhalten wollte, geholfen zu haben, Dich dem Kloster auszuliefern.“

„Arnold!“

Er wich zurück vor dem umgewandelten Ton, und diese unzweideutige Geberde erbitterte sie bis zur Wuth.

„Vielleicht hast Du Dir dann auch vergegenwärtigt, daß das Kloster Alles mitverschlingt, was dem Auftreten des Baron Schilling Glanz verliehen hat,“ sagte sie impertinent. „Glaubst Du ernstlich, man werde, wenn Du ohne mich wieder in unsere vornehmen Kreise trätest, den Mann ohne den Hintergrund eines großartigen Besitzthums noch ebenso auszeichnen, wie bisher geschehen?“

„Und meinst Du, ich habe auf diese sehr zweifelhafte Auszeichnung je auch nur den allermindesten Werth gelegt?“ unterbrach er sie. „Ich frage Dich, wer sind sie, die lediglich dem Rittergutsbesitzer – notabene in diesem Fall ‚dem Mann seiner Frau’ – ihre Auszeichnung zu Theil werden lassen? Ein Häuflein Standesgenossen, die in unserer den Reichthum nicht mehr in ihrem Sinn vertheilenden Zeit froh sind, einen Geldmächtigen mehr in ihren Reihen aufzählen zu dürfen. Sie machen die Welt nicht aus, die meinen Namen mit Ehren nennt, und wenn ich jetzt hinausgehe, ohne Dich –“

„Dann hast Du nicht einmal mehr einen heimischen Herd, an welchem Du zurückkehrend Deine Füße wärmen kannst –“

„Meinst Du? – Das alte, liebe Säulenhaus mit seinem Garten ist mein. Das Werk da“ – er zeigte nach dem Bild auf der Staffelei – „tilgt den Rest Deiner Hypothek auf meinem Vaterhause. Mehr will ich nicht. Es klebt nicht ein Heller der Steinbrücks daran, und kraft meines nunmehrigen unumschränkten Rechtes möchte ich Dich hiermit ersuchen, Alles, was Du zwischen die vier Wände des Schillingshofes gebracht, bis auf den kleinsten Bildernagel herab, möglichst rasch fortbringen zu lassen.“

„Arnold, verzeihe!“ rief sie plötzlich mit ausgebreiteten Armen.

„Fort!“ stieß er außer sich hervor; an dem kraftvollen Manne bebte jede Fiber. „Nach Allem, was Deine bitterböse Zunge mir angethan hat, giebt es kein Wort der Erde mehr, das uns versöhnen könnte. Gehe hin zu Denen, ‚welche die Arme sehnsüchtig nach Dir ausstrecken’! Gehe zu den Pflegerinnen Deiner Jugend! Mögen sie die Früchte ihres Erziehungssystems ernten und mit all den bösen Dämonen kämpfen, die mir das Leben vergiftet haben! Sie verfluchen das Theater mit seinem ‚teuflischen Blendwerk’ und bedenken nicht, daß sie mit ihrer heuchlerischen Erziehung der Mädchenseelen die Komödie in die Ehe, in das Heim des ahnungslosen Mannes tragen.“

Er schritt rasch nach der Wendeltreppe, während die Baronin zerknirscht neben dem Lehnstuhl in die Kniee gesunken war!

„Und bedenkst Du nicht, daß Du diesen Schritt gar nicht thun darfst, ohne alle die zu compromittiren, die in Eurem großen Saal von den Wänden herabsehen?“ rief sie ihm nach. „Bis jetzt wissen nur Wenige, wie schlimm es zuletzt um die Schillings gestanden hat, in dem Augenblick aber, wo die Kirche von Allem, was mir gehört, Besitz ergreift, wird es der Welt offenbar werden, daß der alte Freiherr Krafft von Schilling nicht mehr über einen Halm auf den Wiesen, einen Baum im Walde verfügte.“

„Mag die Welt es wissen! Wir haben nur selbst darunter zu leiden; kein anderer Mensch hat dabei auch nur einen Pfennig verloren – von Betrug ist unser Name vollkommen rein.“

„Aber der Fluch der Lächerlichkeit wird an dem Namen der Schillings haften,“ sagte sie, sich erhebend. Es war ihr gewesen, als habe seine Stimme geschwankt, seine Haltung einen Augenblick die imponirende Sicherheit verloren; sie meinte, den Boden wieder unter ihren Füßen zu fühlen. „Arnold, lasse dies das letzte Wort des Streites zwischen uns sein!“ sagte sie, mit ausgestreckten Händen auf ihn zueilend. „Ich verspreche Dir, daß ich diesen Punkt nie, nie mehr berühren will – nimm mich wieder auf!“

„Niemals! – Ich will nicht länger mein Leben so sonnenlos und gedrückt neben Dir hinschleppen.“

„Aber ich gebe Dich nicht frei. Ich weiche nicht von Deiner Seite – der Platz ist mein, mein!“ rief sie verzweiflungsvoll. „Arnold, ich bin erbötig, offen vor aller Welt zu erklären, daß ich Dein Weib bleiben will, daß ich Dich gebeten habe, mich neben Dir zu dulden – ist Dir auch das nicht genug?“

Ein Schaudern ging durch seine Glieder, und sein Blick funkelte sie vernichtend an.

„Zwinge mich nicht, im letzten Augenblick das Wort noch auszusprechen, das sich mir seit lange schon auf die Lippen drängt!“ stammelte er, seiner kaum noch mächtig.

„Sprich es aus! Es soll mich nicht beirren –“

„Das Wort ewigen, unvertilgbaren Hasses,“ sagte er und stieg die Treppe hinauf, um sich in seinen Zimmern einschließen.

Sie hielt sich taumelnd am Treppengeländer, ohne noch einen Versuch zu machen, ihm zu folgen.

„Haß, Haß!“ murmelte sie. „Ja, der schneidet wohl das Tischtuch entzwei.“ Sie stieß ein grelles Lachen aus. „Gut denn, immerhin! Er wird schon sehen, der Elende, was er gethan hat. Er wird schon sehen. Jetzt weiß er’s noch nicht – er weiß noch nicht, wie der Sturz von der Höhe des Reichthums und Ansehens schmerzt. Jetzt triumphirt er noch. O, wie das wurmt und – wehe thut! Könnte ich sterben!“

(Fortsetzung folgt.)




Die Beethovens in Bonn.
Eine biographische Skizze von Ludwig Nohl.


„Besonders nannte er seinen Großvater einen Ehrenmann.“

Goethe wußte sich nicht blos der „Statur“, sondern ebenso „des Lebens ernstem Führen“ nach von seinem Vater abstammend, und erbte und übte nach seiner Frau Mutter die „Frohnatur und Lust zu fabuliren“. Mozart eignete sich für das ganze Leben die schöne Ordnung und ernste Bemühung um das Rechte und Tüchtige an, die er von seinem geliebten Vater von den ersten Jugendjahren an in stets vertrauterer Nähe zu erkennen und zu würdigen gelernt hatte. So wird nach dem natürlichen Bestande der Dinge den weitaus Meisten im Leben gleicher Weise der eigene Vater das moralische Vorbild sein und den Weg der späteren Lebensführung gezeigt haben.

Bei dem großen Beethoven war es nicht der Vater, sondern der Großvater, und dieser Umstand rechtfertigt es, wenn wir hier einmal in sicherem Umriß und thunlichst vollständig die Gestalt dieses Mannes zeichnen, über den die sogenannte Fischhof’sche Handschrift aus der Berliner Bibliothek das schöne Wort enthält: „Ludwig van Beethoven, Großvater unseres Beethoven, war von Geburt ein Niederländer, wo fast Jeder ein ‚van’ vor seinem Namen führt; von Geburt war er nicht von Adel, besaß aber den Seelenadel als ein würdiger Mann.“ War doch sein vom Hofmaler Radoux gemaltes, in einer Nachbildung unserem Artikel beigegebenes Portrait das Einzige, was der Enkel sich, sobald keine Aussicht mehr war, nach Bonn zurückzukehren, in seine neue Heimath Wien nachschicken ließ, ein Besitz, der ihm bis zu seinem Tode Freude machte. Das Bild wanderte dort mit zu einer, zur anderen der zahllosen Wohnungen, welche der in seinem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 612. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_612.jpg&oldid=- (Version vom 21.4.2018)