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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Ellipsen um einen oder mehrere Mittelpunkte geringsten Luftdruckes (barometrische Minima) bilden. Rings um ein solches steigt der Luftdruck bis zu den Grenzen eines etwaigen zweiten oder dritten barometrischen Minimums.

Wollte man sich diese durch die Isobaren dargestellten Luftdruckverhältnisse plastisch vergegenwärtigen, so könnte man sich die Minima wie tiefe Einsenkungen, Kesselthäler in der Atmosphäre vorstellen, nach denen also die Luft von allen Seiten hinströmen müßte. Man kann sich eines solchen Bildes zur Veranschaulichung bedienen, obwohl es der Wirklichkeit nicht ganz entsprechen würde, denn der niedrige Luftdruck des Mittelpunktes wird wahrscheinlich hauptsächlich dadurch bedingt, daß dort ein stärkeres Aufsteigen erwärmter und oben abfließender Luft stattfindet. Je tiefer jenes Thal und je steiler die Aufsteigung der Wandungen erscheint, um so stärker wird, um bei unserem Bilde zu bleiben, das Zuströmen der Luft erfolgen. Da man sich gewöhnt hat, die Isobaren von fünf zu fünf Millimetern Luftdrucksunterschied zu zeichnen, so wird sich der steilere Abfall des Thales durch näheres Aneinanderrücken der einfließenden Isobaren kennzeichnen, dem natürlich lebhaftere Winde entsprechen werden.

Um nun eine Einheit für diese Verhältnisse zu schaffen, die mit einem Worte die Zunahme oder Abnahme des Luftdruckes bezeichnet, hat der norwegische Meteorologe Mohn, der sich um die Klarlegung dieser Verhältnisse in neuester Zeit besonders verdient gemacht hat, den Begriff der Gradienten eingeführt, das heißt des Schrittes, um welchen der Luftdruck auf den nach dem Minimum gezogenen Radien abnimmt, wenn man sich demselben nähert. Beträgt diese Abnahme für die geographische Meile weniger als 0,3 Millimeter, so sprechen wir von Windgradienten, beträgt sie mehr, so haben wir Sturmwind; die Gradienten der Cyclonen gehen bis zu vier Millimetern.

Man könnte nun glauben, daß die Luft von allen Seiten genau in den Richtungen der Radien nach dem Minimum hinströmen müßte, allein in Folge der Erddrehung findet hierbei eine ganz ähnliche Ablenkung statt, wie wir sie im vorigen Artikel bei den Wirbelstürmen kennen gelernt haben; die Luft strömt, statt in gerader Richtung, in Spirallinien nach dem Minimum und deshalb muß rings um dasselbe überall eine andere Windrichtung herrschen. Nach Buys-Ballot’s „Windregel“ geschieht diese Ablenkung auf unserer Erdhälfte stets nach rechts von der radialen Richtung, und zwar um so stärker, je schneller der Wind weht, oder je größer die Gradienten sind; auf der Nordseite des Minimums herrscht NO, auf der Westseite NW, auf der Südseite SW und auf der Ostseite SO. Man kann das auch so ausdrücken: wenn man (auf der nördlichen Halbkugel) irgendwo mit dem Winde geht, so hat man das Minimum stets zu seiner Linken, etwas nach vorn, zu erwarten.

Man ersieht hieraus, daß sich also auch das Gesammtbild der Witterung in irgend einem größeren Theile meist als ein Wirbel darstellt, von welchem die übrige Witterung insofern abhängt, als es die Südwestwinde sind, die bei uns Wärme, Feuchtigkeit, Wolken, Nebel, Schnee, Regen etc. bringen, die Nordostwinde dagegen, welche Kälte, Trockenheit, Klarheit etc. bringen das heißt, wenn sie Bestand erringen. Auch die übrigen, obwohl weniger wichtigen Wetterereignisse, pflegt man in die Isobarenkarten einzutragen, so die Richtung der Winde, durch Pfeile, die man durch die Beobachtungsstationen legt, wobei man durch die Zahl der Fiederungsstreifen die Stärke des Windes andeutet, sodaß etwa sechs oder acht Fiederungsstreifen den stärksten Sturm bezeichnen, dagegen ein einziger Streifen schwachen Wind. Auch die Temperaturen und Niederschläge pflegt man entweder hineinzuschreiben, oder letztere durch Schraffirung des Gebietes oder durch einen die Pfeilspitze vertretenden kleinen Kreis anzudeuten, der, wenn ganz weiß gelassen, klaren Himmel bedeutet, wenn zum vierten Theil, halb oder dreiviertel geschwärzt, entsprechende Bewölkung, und wenn ganz schwarz, Regen an dem betreffenden Orte anzeigt. Aehnliche Zeichen hat man für Schnee (Sternchen), Gewitter (ein Zickzack) etc. Manche dieser Zeichen sind allerdings nur in solchen Karten gebräuchlich, die für ein größeres Publicum bestimmt sind, denn ein Fachmeteorologe ersieht z. B. Richtung und Stärke der Winde meist unmittelbar aus der Lage der Isobaren.

Die Ausbreitung des Telegraphennetzes, welche das Entwerfen der synoptischen Karten auf den Centralstationen und damit überhaupt erst einen klareren Einblick in den Gang des Wetters ermöglichte, hat nun auch andererseits die tägliche Veröffentlichung der eingelaufenen Berichte aus dem ganzen Land- oder Erdtheile durch die Zeitungen ermöglicht. Da dies natürlich nur Werth hat, wenn es spätestens bis zum Morgen des nächsten Tages geschehen kann, so hat man die sinnreichsten Mittel und Wege erdacht, um die Witterungsverhältnisse irgend einer Station mit je einem Worte sowohl der Centralstation mitzutheilen, als von dieser weiter nach den kleineren Centren zu befördern. Die praktischen Amerikaner haben eine förmliche Wettersprache erfunden, um mit je einem kurzen Worte Barometerstand, Windgeschwindigkeit etc. zu bezeichnen. Es bedeutet z. B. nach diesem Wörterbuch:

Barometerstand. Thermometerstand. Windgeschwindigkeit.
28.60" Fallow 50° F Tory 20 Meilen Ready
28.61" False 51° F Total 21     "     Rebate
28.62" Falsify 52° F Touch 22     "     Rebel
28.63" Falstaff 53° F Toulon 23     "     Rebuff

Man sieht, für jedes Witterungselement braucht dem Namen der Station nur ein kurzes Wort beigefügt zu werden, dessen Anfangsbuchstabe sofort die Kategorie anzeigt. Da das Centralamt von Washington täglich die Berichte von 400 Stationen empfängt, so ist eine solche Abkürzung allerdings sehr wichtig. An dieser vom Staate glänzend ausgestatteten und der Leitung des General Myer unterstellten Centralstation werden nun seit 1870 nicht nur die Berichte alsbald weiter vertheilt, sondern auch nach ihrer Entzifferung dreimal täglich sehr detaillirte Karten entworfen, in mehreren Farben gedruckt und trotz dessen für den Preis von anderthalb Cent (sechs Pfennig) auf den Straßen verkauft. Diese Wetterkarten wurden, wie schon früher in der „Gartenlaube“ (1877, S. 92) erzählt wurde, während der Weltausstellung zu Philadelphia dorthin durch den zeichnenden Telegraphen übermittelt und sofort vervielfältigt. Eine regelmäßige Verbreitung auf diesem Wege hat sich indessen bisher nicht ausführen lassen, und man mußte, wie anderwärts, den Nebenstationen die Aufgabe überlassen, ihren Umkreis mit ähnlichen Karten zu versehen.

Der Großartigkeit dieser Organisation ist man in der alten Welt nur in so weit nachgekommen, daß einzelne Morgenzeitungen täglich die Witterungskarte des vorherigen, einige Abendblätter die desselben Tages bringen, seit April 1875 die „Times“ seit Mai 1876 „l'Opinion“, seit October 1876 die „Wiener alte Presse“, seit Juli und November 1877 die „Hamburgische Reform“ und der „Hamburgische Correspondent“. Natürlich sind nur Zeitungen, die am Orte einer Centralstation erscheinen, ohne allzugroße Opfer im Stande, rechtzeitig eine Wetterkarte zu bringen, denn andere müßten sich den Inhalt der Karte telegraphiren und dieselbe durch einen Meteorologen zeichnen lassen, was im Verhältniß zu dem Nutzen einen zu großen Geld- und Zeitaufwand erfordern würde.

Schon die alltägliche Veröffentlichung der Karte erfordert, wie man denken kann, eine sehr schnell arbeitende Organisation. Man hat dazu eine Form, welche die Umrisse der regelmäßigen Karte erhaben auf ebener Fläche zeigt, von welcher man Abgüsse in schwerflüssiger Metalllegirung gießt. Auf diesen Abguß werden dann die Isobaren der größeren Karte der meteorologischen Station mittelst eines Storchschnabels verkleinert copirt und eingravirt, die Zeichen, Buchstaben und Worte aber mit Stempeln eingeschlagen. Davon wird in leichtflüsigem Metall die erhabene Form für die Druckpresse durch neuen Abguß gewonnen.

Diese Karten, welche uns mit einem Blicke den Gang der Witterung auf den heimischen und Nachbargebieten zeigen, eignen sich nun auch außerordentlich für den Versuch einer Vorhersage (Prognose) von Fall zu Fall. Wenn man die Karten der letzten Tage vergleichend neben einander legt, so läßt sich die Tendenz des Wetters aus den Bewegungen der Minima der Isobaren bis zu einem gewissen Wahrscheinlichkeitsgrade vorauserkennen, zumal wenn die Minima in ihrer gewöhnlichen Richtung (von Westen nach Osten) vorwärts rücken, und es sich nicht um die Jahreszeit der Ueberraschungen (Nachwinter und Spätherbst) handelt, in welcher indessen die Vorherkenntniß der Witterung viel weniger wichtig ist, als z. B. im Sommer. Doch ist diese Wahrsagung aus den Karten durchaus keine leichte Kunst, die etwa Jeder üben könnte. Es gehört dazu vielmehr eine genaue Kenntniß der örtlichen Verhältnisse, namentlich in Gebirgsländern, und die Berücksichtigung vieler Einzelheiten, wie z. B. des

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 585. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_585.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)