Seite:Die Gartenlaube (1879) 584.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

eine Weinwirthin wird wegen ihres ganz „erbärmlichen Gesöffes“ an den Pranger gestellt.

Am wenigsten zeichnet sich Pompeji durch Reichthum an plastischen Kunstwerken aus, denn die Ueberreste bestehen größtentheils in Mittelgut: Statuen, Götterbildern, Portraitstatuetten, Brunnenfiguren, Genrebildern aus Marmor, Bronze, Terracotta und Stuck. Eine Ausnahme davon machen nur wenige Meisterwerke meist von griechischen Künstlern.

Viel zahlreicher und bedeutender sind die kunstgewerblichen Werke von Meisterhand, die ein Zeugniß ablegen von dem fein ausgebildeten ästhetischen Sinne der Pompejaner für schöne, ja ideale Formen und auch von dem so löblichen Triebe, selbst triviale Dinge, wie Küchengeräte, kunstgemäß zu verzieren. Dort könnten unsere deutschen Kunsthandwerker viel lernen! Wie schön sind diese Mobilien, Geräthe, Gefäße und Schmucksachen aus Bronze, Eisen und edeln Metallen, aus Glas und Thon! Wie gut ist das Material verwendet, wie fein die Form ausgearbeitet, wie graziös der Aufbau und die Ornamentation wie stilvoll! Die größte Mannigfaltigkeit von pompejanischen kunstgewerblichen Ueberresten besitzt das Museo nazionale in Neapel und unter diesen als ein vielgepriesenes Meisterwerk eine in einem Grabe gefundene, mit prächtigem Laubwerke und Reliefs umrankte Amphora von blauem und weißem Glase. Wer solche Kunstschönheit betrachtet, wird gewiß das Schiller’sche Wort bestätigen:

„Damals war Nichts heilig, als das Schöne,
Wo die keusch erröthende Camöne,
Wo die Grazie gebot...“

So ist denn das alte Pompeji, dieser Weihealtar der Kunst, zum Segen der Künstler wieder auferstanden, gleichsam ein Dornröschen, das, vom Prinzen der Gegenwart aus seiner Versteinerung befreit, nun dem warmen Hauche des Lebens zurückgegeben worden ist, obwohl es den Anschein des Todes behält. Getreu hat Alles die Erde bewahrt, Nichts ist verloren gegangen, Nichts für die weitere Forschung und gelehrte Combination abhanden gekommen. Wurde bisher auch nur ein Theil des Verschütteten zu Tage gefördert, so ist doch der hohe Werth des bereits Vorhandenen so unschätzbar, weil es uns einen tiefen und klaren Einblick in das ganze antike Leben gestattet, mehr als alle Traditionen, Schriften und sonstige gelehrte Hülfsmittel.

Und in der That, unsere trotz alles geistigen Fortschrittes phantasie- und freudenarme moderne Zeit gewann viel durch die pompejanischen Alterthümer, denn sie haben uns hochbedeutende Anregungen gebracht. Dennoch wird beim Anblick dieser nach achtzehn Jahrhunderten wieder gefundenen Lebensspuren auch das wehmüthige Gefühl, daß jene Welt von Schönheit und Poesie für immer dahin geschwunden, zu seinem Rechte kommen.

„Aus der Zeitfluth weggerissen, schweben
Nun die Götter auf des Pindus Höh’n –
Was unsterblich im Gesang soll leben,
Muß im Leben untergeh’n!“ –

Aber das Schöne und Große, das in Pompeji trotz so langer Einsargung in Asche und Lava nicht untergegangen ist, das wird für immer der kunstbegeisterten Menschheit zur Erbauung und nachdenklichen Betrachtung dienen.[1]

Th. v. Huber-Liebenau.



Zum zweiten September 1879.[2]

Wir grüßen dich, du Tag voll Jubelschall,
Du Ehrentag am Thor der neuen Zeiten!
Heut’ mahne uns dein Siegesglockenhall:
Seid allbereit zu neuem Kampf und Streiten!
Des Friedens Ruh’ ist nicht mit heimgekehrt
Vom großen Krieg; wir fanden sie nicht wieder.
Doch deutsche Freiheit, deutsche Ehre, deutsche Lieder –
Sie wahrt mit Gott des Volkes Geist und Schwert.

Vor Allem bringt des Vaterlandes Dank
Den Tapfern dar, die einst den Kampf bestanden!
Wir rufen laut: Herbei, die – arm und krank –
Der Thaten Lohn noch nicht im Reiche fanden!
Die schwere Zeit erhebt des Mannes Werth,
Des Mannes Muth – sie drücke ihn nicht nieder!
Und deutsche Freiheit, deutsche Ehre, deutsche Lieder –
Sie wahrt mit Gott des Volkes Geist und Schwert.

Dem Kaiser Heil, und Heil dem deutschen Reich!
Sei dieser Tag die Mahnung aller Treuen,
Für Recht und Pflicht, darin wir Alle gleich,
Für’s höchste Gut nicht Noth und Tod zu scheuen!
Ein freies Reich nur ist des Lebens werth;
Vom Fels zum Meere tön’ der Hochruf wider:
Hoch deutsche Freiheit, deutsche Ehre, deutsche Lieder –
Sie wahrt mit Gott des Volkes Geist und Schwert.

Friedrich Hofmann.



Die Wetterprophezeiung einst und jetzt.
Von Carus Sterne.
3. Karten-Wahrsagung.

Durch Verbesserung der Beobachtungsinstrumente, als da sind Windrichtungs- und Windstärkemesser, Luftfeuchtigkeits- und Regenmesser und viele andere Hülfsmittel, hat man den Meteorologen die mechanische Arbeit der Beobachtung mehr und mehr erleichtert, ja hier und da völlig abgenommen, denn man hat den Beobachter durch eine Art von Automaten ersetzt, der unermüdlich Tag und Nacht Alles, was im Luftkreise seiner Aufstellung vor sich geht, getreulich zu Papiere bringt. Der unlängst verstorbene Pater Secchi in Rom hat einen solchen Meteorographen construirt, der beständig Luftdruck, Temperatur, Niederschläge, Windrichtung und Windstärke in verschiedenen Rubriken eines langen Papierstreifens zeichnet und nur alle zehn Tage aufgezogen zu werden braucht, Wilde in Bern gar einen solchen, der gleich auf ein ganzes Jahr mit Schreibmaterial versehen wird.

Die Ausdehnung des elektrischen Telegraphennetzes gab ein anderes Mittel zur Vervollkommnung. Hatte man bisher erst nachträglich die Einzeichnung der einzelnen Beobachtungselemente in Karten vornehmen können, so wurde damit der Versuch nahe gelegt, auf Grund der bei den Centralstationen eingehenden Berichte, sofort ein kartographisches Bild des andauernden Wetters zu entwerfen, um daraus eine klarere Vorstellung von dem Gange und den Veränderungen desselben zu gewinnen. So entstanden die sogenannten synoptischen Wetterkarten, das heißt Landkarten, in welche die auf einer großen Anzahl von Stationen beobachteten gleichzeitigen Temperaturen, Barometerstände, Windrichtungen, Niederschläge etc. eingezeichnet wurden. Ein besonderer Fortschritt wurde ferner im Verständnisse der Witterungserscheinungen erreicht, als man begann, die Orte mit zur selben Zeit gleichem Barometerstande durch Linien gleichen Luftdruckes (Isobaren) mit einander zu verbinden. Es ergab sich hierbei nämlich, daß, wenn man die Isobaren für ein größeres Gebiet, z. B. für Europa, zeichnete, dieselben gewöhnlich einander umschließende Kreise oder

  1. Wir machen die Besitzer der früheren Jahrgänge der „Gartenlaube“ darauf aufmerksam, daß sie im Jahrgang 1856, Nr. 1, Overbeck’s „Vogelansicht von Pompeji“, im Jahrgang 1861, Nr. 49, eine bildliche Darstellung der Ausgrabungsarbeiten und im Jahrgang 1869 eine Wiedergabe von R. Riffe’s Oelgemälde nach E. L. Bulwer’s berühmtem historischem Roman „Die letzten Tage von Pompeji“ mit den dazu gehörigen Texten finden.                D. Red.
  2. Wird am Sedantage als officielles Festlied nach der Melodie „Hinaus, hinaus, es ruft das Vaterland“ auf dem Marktplatz in Leipzig gesungen.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 584. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_584.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)