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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

das sich gegen Freiburg öffnet. Alle drei verfolgen die Richtung gegen Nordwesten. Von Nord nach Süd gerissen sind vorzüglich das Wiesenthal, das Wehrathal, das Albthal, im höchsten Theile des Gebirges, dem südlichen – durchweg Glanzpunkte des Schwarzwaldes. Während alle diese Gewässer unmittelbar dem Vater Rhein zuströmen, bricht das schmale, lange Nagoldthal von Süd nach Nord zum Neckar durch, nachdem es sich mit der Enz vereinigt hat. Wiederum gegen Südosten zu senken sich die behäbigen Thäler der Breg und Brigach hinab, die durch ihren Zusammenfluß bei Donaueschingen die Donau bilden.

Von Westen oder von Osten gesehen, ist der Anblick des Schwarzwaldes ein ganz verschiedener. Von Westen, der Rheinebene, her erblickt man ein hochaufragendes, langhin kuppenförmig geschwungenes Gebirge; in Vorstufen, durch welche schöne Thäler sich gegen die Ebene öffnen, fällt es steil ab. Dagegen dacht sich der Schwarzwald gegen Osten so allmählich in das württembergische Hügelland ab, daß ein von daher Kommender ganz unbemerkt in den Schwarzwald versetzt werden kann und vorher von seiner Annäherung an ein so gewaltiges Gebirgsland keine Ahnung hatte. Es sind hier lauter breite, kaum gewölbte Hochplateaus, zwischen welchen tief eingerissene Thäler liegen. Letztere sind in diesen Theilen des Gebirges denn auch die Schönheiten desselben, während von Fernsichten hier wenig die Rede ist.

Von einer Linie, etwas nördlich von Rastatt gegen Pforzheim zu gezogen, leitet nach Norden ein Hügelland gegen den Odenwald hinüber, das Kraichgauer, das nicht mehr zum Schwarzwalde zählt. Ebenso wenig zählt dazu das vulcanische, etwa anderthalb Meilen breite und lange, sehr pittoreske Gebirge, das nordwestlich von Freiburg aus der Ebene, am Rhein selbst, aufsteigt und das der Kaiserstuhl heißt. Südöstlich heißen die letzten gegen Schaffhausen zu auslaufenden Bergzüge das Randengebirge; auch sie gehören nicht mehr zum Schwarzwalde; sie haben Juraformation. Nordöstlich davon schließt sich das ebenfalls vulcanische und wieder sehr pittoreske Hochland mit Kuppen von Basalt und Klingstein an, der Höhgau.

Die Haupterhebungen des Gebirges liegen im nordwestlichen Theile des südlichen Schwarzwaldes, und zwar nicht in der Wasserscheide, sondern westlich derselben. Sie sind von Freiburg bald zu erreichen. Die höchste Kuppe mit dem umfassendsten Rundbild ist der Feldberg mit 1495 Meter; um ihn legt sich eine ganze Gruppe von Kuppen, die ihm an Höhe ziemlich nahe kommen und unter denen der Belchen 1415 Meter, der wohl am steilsten aufgekuppte von Allen, der Schauinsland 1286 Meter, und der Blauen 1166 Meter hoch ist. Im mittleren Theile des Gebirges ist der Kandel bei Waldkirch mit 1243 Meter, und im nördlichen Theile die Hornisgrinde mit 1196 Meter Höhe (hier der geheimnißvolle Mummelsee) die bemerkenswerteste Erhebung, beide sind zugleich sehr beliebte Aussichtspunkte. So viel über die Natur unseres Gebirges!

Werfen wir nun einen Blick auf das Volk des Schwarzwaldes!

Seit anderthalb Jahrtausenden ist das Volk durchweg deutsch, und zwar auf alemannischem Grundstock. Nicht nur unterworfen, sondern offenbar gründlich vertrieben wurden die ursprünglich das Land bewohnenden Kelten, als in den letzten Jahrhunderten der Römerherrschaft hüben wie drüben am Rhein die siegreichen Alemannen vorstürmten. Im Norden wurde dann dem Vordringen der Alemannen von den Franken ein Ziel gesetzt, als diese Gallien erobert hatten. Die Franken drangen von Nordwest her, friedlich einwandernd, weiter in’s Gebirge vor, während im Süden und Südwesten die Burgunder den Alemannen eine Mauer entgegensetzten, hin und wieder auch auf das rechte Rheinufer übergriffen. So z. B. soll das Hauensteiner Völkchen von burgundischer Abstammung sein, während neben ihnen das Wiesenthal gerade als der Typus rein alemannischen Wesens betrachtet wird. Von Osten her kam über die Alemannen die Einwanderung der Schwaben. Sie sind zwar im Grundstock auch Alemannen, aber schon vermischt mit den nördlicher entsprungenen Sueven. Diese Einwanderung ließ die Rheinebene unberührt, gab aber gerade dem Gebirgsvolke noch ein besonderes Gepräge, sowie den heute allgemeingültigen Namen der Schwaben.

Daß aus diesen Mischungen sich eine Anzahl Dialekte ergaben, welche, wie in anderen Gebirgsländern sich manchmal nur auf ein oder ein paar Thäler beschränken, wird nicht verwundern dürfen. Der Fremde bemerkt natürlich diese Abweichungen wenig. Er hört überall die alemannische, schwäbische Mundart, nur daß sie ihm im Norden heller, im Süden dunkler, im Flachlande weicher, im Gebirge härter klingt. Er wird die drei Hauptelemente, Burgunder, Schwaben und Franken, vielleicht besser an ihren Häusern herauserkennen, wenn er sein Auge beim Durchwandern der Schwarzwalddörfer prüfend auf der Bauart derselben ruhen läßt.

Zunächst fallen freilich nur die großen sogenannten „Schwarzwaldhäuser“ auf, welche den durchgehend gemeinsamen Zug aufweisen: hohe Dächer von Stroh oder Schindeln, unter denen meist sehr umfangreiche Bauten geschützt liegen, je nach dem von der Gegend bequem gebotenen Material aus Stein, Holz, oder (und dies meistens) gemischt. Die Stellung des Hauses und die Anordnung der Räume macht aber den Unterschied, und derselbe läßt sich kurz folgendermaßen bezeichnen: Der fränkische, sowie der burgundische Bauer wohnt stets neben dem Stall, der schwäbische auf demselben. Ferner baut der Franke Haus, Stall und Scheuer derartig in die eine Hälfte des Vierecks, daß der Hof neben diesen Bauten liegt, während der Burgunder Haus, Stall und Scheuer in ein und derselben Flucht unter demselben Dache aufführt, und zwar an der Straße, sodaß der Hof hinter das Ganze zu liegen kommt. Dabei liebt der Franke gegen seine vorzugsweise breit angelegte Gasse das Haus mit dem Giebel zu stellen; Burgunder und Schwabe stellen gern die lange Front an die Gasse, und haben den Eingang also auch meist von der Straße, welcher dagegen bei Jenem meist vom Hofe aus stattfindet. Für den Schwaben ist es bezeichnend, daß, während er seine Wohnung eine Stiege hoch über den Stall legt, er neben sich in gleicher Höhe die Scheuer aufführt.

Die richtigen „Wälderhäuser“ zeigen über dem niedrigen Steinfundament den reinen Holzbau, fest und gediegen, selbst natürlich schön gefugt; er ist sauber, geräumig und je nach den Vermögensverhältnissen außen und innen mehr oder minder zierlich; Decken und Wände sind mit Holzgetäfel verziert oder zu Schränken eingerichtet. Hier liegen Stube, Kammern, Küche, Stallung, Scheuer, Schuppen, alles im Viereck unter einem Dache, das, manchmal Außengallerien beschirmend, hochaufragt und tief hinabreicht und in seinem Giebelraum auch meist noch Kammern, kleine Stuben etc. birgt. Das Dach pflegt von Schindeln oder Stroh zu sein. Letzteres, weil es Alles warm hält, hat die Regierung gesundheitswegen den Schwarzwäldern gestatten müssen. Die Wetterseiten der Häuser sind oft mit Holzschindeln oder auch mit Schiefer bekleidet, was sowohl Feuchtigkeit wie Kälte abhält. Vermöge dieser Anordnung hat der Bauer das ganze Anwesen unter seiner unmittelbaren Aufsicht und kann trockenen Fußes in alle Theile desselben gelangen.

Selbstverständlich hat nun Einer vom Andern gelernt, sich das oder jenes nach Bedürfniß, Laune, Bequemlichkeit angeeignet. Der Einfluß studirter Architekten ist ebenfalls hinzugekommen und hat Manches aus dem Alten in verfeinerte Form umgesetzt.

Der Charakter der Schwarzwald-Bevölkerung hat sich im Laufe ihrer Geschichte als ein höchst achtungswerther erwiesen. Es ist wohlthuend, sich mit dem einfachen Mann zu unterhalten. Ein gesunder, kräftiger Menschenschlag, voll ruhigen Selbstbewußtseins, dessen heller Kopf aber beständig lerneifrig und bereit ist, das Gute sich anzueignen, stets offen und freundlich im Gespräch, zu sachlich eingehender Unterhaltung sehr geneigt, voll patriotischen, echt deutschen Sinnes, bei aller Treuherzigkeit gern schalkhaft – so stellt sich der Schwarzwäldler dem Besucher seiner Berge dar.

Die Einsicht, daß Alles, was für die Gemeinsamkeit geschieht, dem Einzelnen zum Nutzen gereicht, ist im Schwarzwald fast allerwärts die herrschende. Schulwesen, Kirchenbau, Wegebauten genießen die besonders in’s Auge springenden Früchte davon. Namentlich die Wegebauten bereiten dem Reisenden viele Freude. Denn prächtige Fahrwege, oft überraschend schöne Kunststraßen, gehen nicht nur von Ort zu Ort, sondern in die unbewohnten Wälder hinein, über die Kuppen des Gebirges fort, und erleichtern das Bergsteigen; ja, man kann fast zu allen höchsten Punkten, die besuchenswerth sind, selbst zum Feldberg hinauf, fahren.

Allerdings sind die Wegebauten auch von ganz besonderer materieller Bedeutung eben wegen des Holzreichthums im Lande, das aus diesem enorme Einkünfte zieht. Man darf den Werth

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 539. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_539.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)