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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

der Zunge und dem inneren Theil der Wangen in Form eines weißen schleimigen Beleges bemerklich macht. In verschiedenen Gegenden Deutschlands wird dieses sehr lästige Leiden der Säuglinge mit dem Namen „Schwämmchen“, „Mundfäule“ oder auch mit „Mehlkraut“ bezeichnet.


Fig. 4. Zahnpilze aus hohlen Zähnen.
(Vergr. 700 = 490,000fache Flächenvergrößerung.)


Es finden sich bei unreinlich gehaltenen Kindern ähnliche Belege auch an der Ausgangsöffnung des Mastdarms und verursachen hier einen gelblich weißen Ansatz, der eine empfindliche Entzündung hervorruft.

Auch die grün gefärbten, halbverdauten Abgänge der Säuglinge sind meist mit Pilzkeimen durchsäet, welche den Darmcanal durchwandert und die Verdauung beeinträchtigt haben.

Viele Mütter und Wartefrauen pflegen den Mund der kleinen Kinder mit Rosenhonig auszupinseln oder mit feingeriebenem Zucker auszureiben. Durch ein derartiges unsinniges Vorgehen machen sie sich einer unverzeihlichen Sünde gegen die Kleinen schuldig. Zuckerhaltige Stoffe mehren die Entwickelung der Pilzkeime, bezwecken demnach gerade das Gegentheil von dem, was erreicht werden soll. Einzig und allein Auswaschen des Mundes mit reinem oder vier bis fünf Tropfen einer Salicylsäurelösung (ein Gramm Salicylsäure auf dreißig Gramm Alkohol) enthaltendem Wasser ist die rationelle Methode zur Beseitigung des Soorpilzes und anderer Verunreinigungen der kindlichen Mundhöhle.

Einer der gefährlichsten Bewohner des menschlichen Mundes ist der Diphtheritispilz, ein Giftkeim, welcher leider nur allzu oft den kindlichen Organismus befällt und zerstört und dessen trauriger Existenz schon vielfach in diesen Blättern Erwähnung gethan wurde. Auch heute wollen wir seiner nicht vergessen, denn wir sind in der Lage, unsern Lesern eine vortreffliche Abbildung der Keime dieses Todfeindes des Menschengeschlechtes zu bringen. Der Pilz selbst ist bis jetzt noch nicht in seinen verschiedenen Entwickelungsformen ergründet, aber seine Abkömmlinge finden sich in Form von Milliarden punktförmiger Mikrokokken in der Schleimhaut der Rachenhöhle, auf den Mandeln und bei weiterer Verbreitung auf dem Kehlkopfe und der Innenseite der Luftröhre auf- und eingelagert. Die Pilzkeime durchwuchern hier nicht nur die berüchtigten Membranen, sondern auch die oberflächlichen Schichten der Schleimhaut, gelangen auf dem Wege der Blutbahnen in den Organismus, und rufen dann jene gefürchteten Erscheinungen der Diphtherie hervor, welche nicht mehr als eine locale Erkrankung, sondern als die gefährlichste aller allgemeinen Infectionskrankheiten zu betrachten ist.


Fig. 5. Diphtheritispilze.
(Vergr. 500 = 250,000fache Flächenvergrößerung.)


In der Abbildung Fig. 5 begegnet uns ein Stückchen einer solchen diphtheritischen Membran, eine jener gefürchteten Häute, welche die Luftröhre der Befallenen verschließen und zu den schrecklichsten Erstickungsanfällen Veranlassung geben. Wir sehen hier zwischen dem faserigen Gewebsnetze Millionen kleiner rundlicher Pünktchen eingestreut. Von hervorragenden Forschern auf diesem Gebiete sind dieselben als die dem Organismus so sehr feindlichen Pilzkeime oder Mikrokokken erkannt worden. Auch hier hat sich wiederum, wenn zu geeigneter Zeit und im ersten Stadium der Krankheit angewandt, die örtliche Anwendung pilzzerstörender Medicamente besonders heilsam und lebensrettend erwiesen.

Aus der Gesammtheit unserer Mittheilungen geht hervor, daß einzig und allein eine aufmerksame Pflege der Mund- und Rachenhöhle vor den lästigen Parasiten und den durch dieselben herbeigeführten, zum Theil sehr gefährlichen Krankheiten schützen kann. Ebenso wie man im öffentlichen Leben es jetzt als eine Hauptaufgabe der Gesundheitswirthschaft betrachtet, durch Reinhaltung der Städte, der Luft und des Bodens epidemische Krankheiten von der Gesammtheit fernzuhalten, ganz in gleicher Weise und nach gleichen Grundsätzen hat der Einzelne gegenüber seinem eigenen Ich zu verfahren. Vorkehrungen der Reinlichkeit setzen uns oft allein in den Stand, uns und die Unseren vor unsäglich schwerem Leid zu bewahren.

Dr. St.




Tunesische Studien.

Von Fritz Wernick.
II.

Die wenigen Europäer in Tunis, die zudem ebenfalls halbe Tunesier sind, wohnen in einem eigenen kleinen Stadttheile, nahe dem Marinethor. Dort flattern die Banner aller Nationen von den Häusern der Consuln; dort finden wir einen auf europäische Art eingerichteten recht guten Gasthof. Eine andere, gänzlich fremde Welt umfängt uns in der eigentlichen Stadt. Ein Gewirr enger Gäßchen mit verschlossenen kleinen Häusern, hügelan steigend – so stellt sich dieselbe äußerlich dar. Auf halber Höhe liegt der ausgedehnte Prachtbau der großen Moschee, oben krönt den Hügel die Kasba, die feste Burg, die einst das Land beherrscht hat, jetzt aber ebenfalls verfällt wie Alles hier, und unmittelbar darunter lagern sich die breiten Fronten des Dar el Bey, des Regentenschlosses, das aber niemals mehr bewohnt wird. Der Bey kommt nur höchst selten in die Stadt, vergnügt sich auf den Schlössern der Umgebung mit seinen jungen Gespielen und nimmt selbst die hohen Staatshandlungen draußen im Bardo oder im Strandschlosse von Goletta vor.

So schmal sind die Gassen, daß Wagen nur in sehr wenigen verkehren können, und selbst wenn ein Trupp beladener Kameele zu den Herbergen, Lagerstätten und Bazaren zieht, muß man sich fest an die Häuser drücken, um von den reihenweise dahertrottenden Höckerthieren nicht belästigt zu werden. Jede Gasse

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 508. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_508.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)