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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

waren uns zwar nicht ausgesprochen feindlich gesinnt, doch bin ich überzeugt, daß sie unsern Abmarsch stets lieber sahen als unsern Einzug. Am vierten Tag jedoch sagten uns die Führer, daß wir diese Nacht in einem Kampong zubringen müßten, wo das Stammesoberhaupt, ein aufrichtiger Freund des holländischen Gouvernements, es sich zur besonderen Ehre rechnen würde, uns Gastfreundschaft zu erweisen. Auf der Marschroute war das Kampong als das entfernteste Ziel unserer Patrouille bezeichnet; von dort aus sollten wir auf einem anderen Wege den Rückmarsch nach Simboga antreten.

Gegen fünf Uhr des Nachmittags kamen wir denn auch vor dem sehr ausgestreckten und regelmäßig gebauten Kampong an, dessen Einwohnerzahl der Sergeant auf 7000 bis 8000 Seelen schätzte, eine Berechnung, welche durch unsere Führer bestätigt wurde. Wir warteten außerhalb des Orts einige Zeit, bis das betreffende Oberhaupt Kenntniß von unserer Ankunft bekommen hatte. Nach Empfang derselben ließ er nicht lange auf sich warten; er kam uns in Begleitung seiner Würdenträger entgegen und richtete in den gewähltesten Ausdrücken die Bitte an uns, diesen Tag oder so lange wir wollten, bei ihm zuzubringen. Ein so freundliches Anerbieten abzuschlagen, lag durchaus nicht in unserer Absicht, um so weniger, als wir die Versicherung erhielten, daß für die javanischen Soldaten ein großer Schuppen disponibel sei, welcher unmittelbar an das Haus grenze, welches wir bewohnen sollten, und als dieses Haus mit der Wohnung unseres Gastherrn identisch war.

Beim Einmarsch in das Kampong fiel uns Allen sofort das rege Leben auf, welches darin herrschte und welches unmöglich allein durch unsere Gegenwart veranlaßt sein konnte; Gruppen festlich geputzter Menschen standen plaudernd vor den Häusern oder gingen fröhlich scherzend von einem Theil des Kampong zum andern; vor den meisten Wohnungen standen oder saßen die Frauen um die Feuerherde, auf denen dampfende Kessel standen.

Der Sergeant theilte mir und dem Lieutenant seine Vermuthung mit, daß wir wahrscheinlich zu einer ungelegenen Zeit gekommen seien, da allem Anschein nach ein Fest gefeiert werde, für dessen Fortgang unsere Anwesenheit störend erscheine. Der Lieutenant war derselben Meinung und fragte den neben ihm gehenden Häuptling nach der Ursache des ungewöhnlichen Lebens, zugleich den Wunsch ausdrückend, daß, wenn die Bevölkerung ein Fest feiern wolle, sie sich durch uns davon durchaus nicht sollte abhalten lassen. Höflichst dankend für die Zuvorkommenheit des Lieutenants, erzählte uns nun das Stammeshaupt, daß heute allerdings ein besonderer Festtag für das Kampong und besonders für ihn selbst sei, da ein neues Haus, welches er für sich und die Seinigen habe bauen lassen, seit gestern vollendet sei und heute Abend durch ihn mit Familie eingeweiht werden solle.

Für mich war diese Mittheilung höchst interessant, da ich hoffen konnte, dabei einige besondere Wahrnehmungen machen zu können, ein Blick jedoch auf die Gesichter meiner Begleiter brachte mich auf die Vermuthung, daß hinter der harmlosen Festlichkeit wohl etwas Besonderes stecken müsse. Ich bat um Aufklärung, und der Sergeant gab mir zu verstehen, daß die Einweihung eines neuen Hauses zu den größten Festlichkeiten der Batakvölker gehöre, bei jeder Festlichkeit jedoch seien einige Leckereien unumgänglich nothwendig, welche sowohl die europäische Civilisation wie auch das gewöhnlichste menschliche Gefühl verabscheue. Bevor ich jedoch weitere Erklärungen erhalten konnte, zeigte der Häuptling auf ein sehr stattliches Gebäude hin, welches, mit Gallerien und starken hölzernen Pfeilern versehen, festlich geschmückt war, und lud uns ein, ihm zu folgen und auf kühlen Matten unter der Veranda Platz zu nehmen.

Der Lieutenant ging zuvor mit dem Sergeanten nach dem etwas abseits gelegenen großen Schuppen, überzeugte sich, daß die Mannschaften gut untergebracht waren, gab die nöthigen Ordres für die Schildwachen, und bald saßen oder vielmehr lagen wir auf den bequemen Matten, unsere zusammengerollten Decken als Kopfkissen gebrauchend. Unser Sergeant schien heute besonders unruhig zu sein; kaum hatte er sich ein wenig ausgeruht, so begann er mit der Nase in den Wind zu schnüffeln wie ein gut dressirter Jagdhund; er schlenderte scheinbar harmlos längs der Vorgallerie herum und schien die Absicht zu haben, sich durch eine zufällige Wendung bis nach der Küche hinzuschlängeln, aber so schlau er auch dieses Manöver auszuführen versuchte, mißglückte es doch vollständig; die inländischen Damen, welche daselbst mit Kochen und Braten beschäftigt waren, schienen diese Topfguckerei für vollständig überflüssig zu halten und verschwanden mit den ganzen Küchengeräthschaften hinter einer Schutzwand von Bambus. Dorthin zu folgen schien nicht räthlich, und so kam er denn mit einem höchst mißvergnügten Gesicht zu uns zurück, das sich jedoch sofort aufhellte, als unsere Diener mit einigen Flaschen Portwein anlangten und er auf unsere Einladung an deren Vertilgung theilnehmen konnte.

Unser Gastherr hatte sich inzwischen durch seinen ältesten Sohn bei uns entschuldigen lassen, da die Vorbereitungen zum Feste seine Gegenwart erforderten. Nach kurzer Dämmerung war inzwischen vollständige Dunkelheit eingetreten, und vor der Gallerie waren verschiedene Eingeborene mit dem Einrammen von Bambuspfählen beschäftigt, um daran die nöthigen Beleuchtungsgegenstände anbringen zu können. Diener in einer Art von Galalivrée hatten für uns ein Ding wie einen Tisch hergerichtet und kleine geflochtene Rohrsessel darum gestellt; Schüsseln mit gedämpftem Reis und dazu gehörige Sauce, in welcher verschiedene Gemüse gekocht waren, sowie einige gebratene Hühner und Fisch mit dem nöthigen spanischen Pfeffer bildeten unsere Abendmahlzeit, und als Dessert gab es Pisang, Ananas und andere Früchte; für Getränk hatten wir wohlweislich selbst gesorgt.

Nie werde ich jedoch die verlegenen Gesichter vergessen, mit welchen Alles um mich der Nöthigung unseres inzwischen zurückgekommenen Gastherrn folgte, um seinem Mahle Ehre anzuthun; ein Verschmähen wäre arge Beleidigung gewesen, welche leicht unangenehme Folgen für uns hätte haben können. Der Sergeant war der Erste, welcher das peinliche Schweigen unterbrach und eines von den Hühnern auf seinen Holzteller nahm. „Lieutenant,“ begann er, „ich glaube mit vollständiger Sicherheit annehmen zu können, daß der gebratene Gegenstand, welchen ich hier vor mir auf meinem Teller habe, im Leben ein veritables Huhn und nichts Anderes gewesen ist. Knochenbau und Fleisch lassen mich diese Behauptung als unzweifelhaft aufstellen, wäre dies nicht der Fall, so würde ich wahrhaftig lieber verhungern, als nur einen Bissen davon zu mir nehmen.“

Da Niemand von uns einen gegründeten Gegenbeweis beibringen konnte, so wurde stillschweigend angenommen, daß der Sergeant Recht habe; wir folgten seinem Beispiel, ließen uns die wirklich sehr gut zubereiteten „Backhändl“ bestens schmecken und würzten dieselben durch den Genuß eines guten Glases Porto blanco. In Indien ist jedoch der Reis das Hauptnahrungsmittel, und die gefüllte Schüssel stand noch immer vor uns, und zwar deswegen, weil trockener Reis allein nicht zu genießen ist, sondern den Gebrauch der gleichfalls auf der Tafel stehenden Sauce nothwendig macht, Aussehen sowie Geruch derselben jedoch uns starkes Mißtrauen einflößte. Niemand wollte indessen seinem Argwohn Worte geben.

„Sergeant,“ begann diesmal der Lieutenant, „wollen Sie keinen Gebrauch von Reis und Sauce machen? Mich dünkt, der Reis ist von bester Qualität.“

„Gewiß, Lieutenant, ich zweifle nicht im Geringsten daran, daß dieser Reis ausgezeichnet ist. Was hingegen die Sauce betrifft, so möchte ich vorher gern von Ihnen die Versicherung hören, daß Sie nicht den geringsten Argwohn haben mit Bezug auf den Ursprung der Bouillon und die verschiedenen Fetttheile, welche ich darin herum schwimmen sehe.“

„Sergeant,“ entgegnete der Lieutenant, „was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß; ich glaube annehmen zu können, daß die von Ihnen angezweifelten Fleischtheile sicher von einem fetten Büffel herrühren, welcher zur Ehre des Festes geschlachtet wurde, und keineswegs, wie Sie zu vermuthen scheinen, von einem aufrechtgehenden Geschöpfe Gottes.“

„Meine Herren,“ mengte ich mich jetzt in das Gespräch, „ich gebe Ihnen die heilige Versicherung, daß ich von dieser Sauce, nach dem eben von Ihnen geführten Discours, keinen Tropfen genießen werde, um so weniger, da ich bestimmt gesehen habe, daß unser Theil aus derselben Schüssel genommen wurde, welche dort soeben zum Gebrauch für unsern Gastherrn mit Familie aufgetragen wird.“

Stillschweigend legten wir unsere mitgebrachten Messer und Gabeln nieder; auch der Fisch fand keine Gnade mehr vor unseren Augen, dagegen begann eine lebhafte Attaque auf Pisang und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 489. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_489.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)