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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

ist eben, daß er nicht nur ein großer Künstler, sondern vor allem auch ein großer Mensch war, ja, daß seine Werke gerade dadurch erst eine Bedeutung bekommen, die ihnen vermöge ihres specifisch künstlerischen Gehaltes niemals zuerkannt werden könnte, wie bedeutend auch immer derselbe sei.

Eine kurze Darstellung seines Lebens und Wirkens möge nachstehend das eben Ausgesprochene darthun.

Peter von Cornelius ist in Düsseldorf als der Sohn eines kurfürstlichen Gallerie-Inspectors und Lehrers an der dortigen Akademie am 17. September 1783 geboren. Er genoß also, abgesehen von der Vererbung des Talentes, den Vortheil, unter classischen Kunstwerken aufzuwachsen, und durchwanderte denn auch in früh hervortretender Neigung zur Kunst als Kind schon beständig die Gallerie und die Antikensammlung. In der ersteren soll ihn besonders Rubens angezogen haben, er ward aber vom Vater, welcher der damals fast allein herrschenden Mengs’schen eklektischen Schule angehörte, vielmehr auf Raphael hingewiesen. Sei es nun, daß sein Talent damals noch nicht ganz zweifellos war, möglich auch, daß er durch hartköpfige Selbstständigkeit sich das Mißfallen des Directors von Langer zuzog – kurz, nach dem frühen Tode des Vaters rieth dieser der mittellosen Mutter, den Jungen lieber ein Handwerk lernen zu lassen. Dazu hatten nun weder sie noch der Sohn Lust, der vielmehr sich bald durch Zeichnungen für Buchhändler, durch Portrait- und Kirchenfahnenmalerei u. dergl. so viel verdiente, daß er der Mutter mit ihrer zahlreichen Familie zu Hülfe kommen konnte. Leider verhinderte ihn diese Brodarbeit an einem gründlichen Studium der Technik seiner Kunst, ein Mangel, der ihm sein ganzes Leben hindurch anhaftete. Gänzlich unbefriedigt von dem, was er um sich her sah, eine inhaltslose Kunst ohne Ideal auf’s Tiefste verachtend, unentschieden und suchend, bewegte er sich nun einige Jahre in verschiedenen Richtungen herum, malte bald antikisirend, bald naturalistisch und zeigte dabei eine große Gewandtheit, sich in verschiedene Stilformen zu finden.

Wie mühselig aber das Fortkommen in einer Zeit war, wo des Krieges kein Ende ward und die Fremdherrschaft auf’s Furchtbarste speciell die Rheinlande bedrückte, das zeigt auf das Klarste das Leben unseres Künstlers. Beständig mit Noth und Armuth ringend, wird er nur durch den Glauben an seinen Beruf und die Kraft seines unbeugsamen Charakters aufrecht erhalten. Das Aufbäumen des Nationalgefühls gegen die fremde Vergewaltigung aber ist es andrerseits gerade, was ihn zum Wiederverjünger der nationalen Kunst macht. Er hatte sich bei vielen Gelegenheiten emporzubringen gesucht, so namentlich sich an den von Goethe ausgeschrieben Concurrenzen, wenn auch fruchtlos, betheiligt, hatte sogar die Kuppel von St. Quirin in Neuß mit Bildern von Aposteln und Engeln verziert, als er durch die Bekanntschaft mit den Brüdern Boisserée in das romantische Fahrwasser gerieth und durch sie auf die altdeutsche Kunst hingewiesen ward, die sein Patriotismus um so trotziger auf den Schild hob, als ihre Principien den Künstler in ihm sofort gefangen nahmen. Hieraus, und zugleich aus seiner eigenartigen poetischen Begabung – seine Briefe aus dieser Zeit zeigen bei seltener Gewandtheit des Ausdrucks eine tief innerliche und schwärmerisch-idealistische Geistesart – entsteht denn bald seine neue Richtung, welche einen entschiedenen Gegensatz zu den bisher in Deutschland herrschenden künstlerischen Anschauungen bildete. Ihm, wie einst Dürer und Holbein, ist die Kunst vor allem eine Sprache, um seine Gedanken auszudrücken, seine Weltanschauung in ihr niederzulegen; das Vergnügen an der schönen Form an sich kömmt bei ihm erst in zweiter Linie.

Eine eben erschienene neue Ausgabe von Dürer’s Gebetbuch Kaiser Maximilian’s ist es, die nunmehr seiner Formgebung als Leitstern dient; den ersten Stoff zur Anwendung des neugewonnenen Formprincips bietet ihm der eben erschienene Faust. Das war freilich etwas Unerhörtes im damaligen Deutschland, das gewöhnt war, sich an alle möglichen fremden Formen mit charakterloser Bewunderung anzulehnen, und nur von einer nationalen nichts wissen mochte.

Zu dieser Wendung kam Cornelius in Frankfurt, wohin er 1809 gezogen war, voll Hoffnung, in der Residenz des kunstliebenden Primas die beste Unterstützung zu finden. In der That kaufte ihm dieser auch ein Bild, eine heilige Familie, ab und bot ihm ein Stipendium nach Rom an. Als er aber die Bedingung daran knüpfte, daß der junge Künstler sich an die Manier des der David’schen Schule angehörigen Hofmalers Kaufmann halte, wies derselbe es stolz zurück. So stark war schon der Haß gegen alles Fremde in ihm, daß selbst nach zehnjährigem Leiden ihm dergleichen doch als eine nicht zu ertragende Demüthigung erschien. Dafür fand er jetzt aufopfernde Freunde an Xeller und Barth, und einen Verleger für seine Faust-Compositionen an dem wohlhabenden Kunsthändler Wenner. Das Hochstrebende, Ideale in dem jungen Manne übte offenbar eine Anziehungskraft, die weit über den Werth seiner damaligen Leistungen hinausging. Es malt sich am besten in den Worten, die er bei Uebersendung der ersten Blätter des Faust an Goethe schrieb: „Albrecht Dürer’s Randzeichnungen habe ich von dem Tage an, wo ich mein Werk begann, in meiner Werkstätte. Damals, wo ich das Wesen dieser Kunstgattung zu ergründen strebte, schien es mir nöthig, in einer Zeit, wo man so gerne alle Höhen und Tiefen ausgleichen möchte, nicht im mindesten mit dieser schlechten Richtung unseres Zeitgeistes zu capituliren, sondern ihm streng und mit offener Stirn den Krieg zu erklären.“

Er zeigt hier bereits jenes starke ethische Element, jenes bewußte Wollen, welches seine Kunst fortan durchaus von der bis dahin herrschenden eklektischen oder dem leeren Pathos der auch in Deutschland überall eindringenden David’schen Richtung unterscheidet. Sein „Faust“ ist denn auch die completeste Kriegserklärung gegen beide, die man sich denken kann, überall setzt er das Dürer’sche Streben nach rücksichtsloser Charakteristik und Wahrheit an die Stelle der sentimentalen oder gespreizten Phrase. Dabei glaubt man auf manchen Blättern das Studenten- oder Turnerthum jener Tage sporenklirrend einherschreiten zu sehen, voll echter Kraft, aber auch ein wenig ungeschlacht und lärmend, ganz und gar nicht nach dem Geschmack des alternden Geheimraths Goethe, der hier offenbar dieselben widerwärtigen Eindrücke empfing, wie sie ihm dreißig Jahre früher Schiller’s „Räuber“ bereitet. Er verhielt sich daher auch sehr kühl dagegen.

Cornelius aber machte sich noch vor dem Erscheinen der ersten Blätter mit Unterstützung Wenner’s 1811 nach Rom auf den Weg, zu Fuße, mit allen Leiden und Mühen der Armuth ringend. Land und Volk in Italien, das ihm doch bald zur zweiten Heimath werden sollte, gefallen ihm denn auch anfangs ganz und gar nicht, noch ein halbes Jahr später schreibt er aus Rom, daß ihm das Wesen der deutschen Kunst erst hier recht in seiner Glorie erschienen, und wie er es mit Schmerz und mit Freude fühle, daß er ein Deutscher bis in’s innerste Lebensmark sei. Das spiegeln nun die rasch nach einander fertig werdenden weiteren Blätter des „Faust“ wider; sie sind in manchem Sinne noch deutscher als die ersten. Allerdings sind sie doch zugleich mächtig gehoben und veredelt durch den Einfluß der classischen Kunst. Dasselbe gilt auch von den „Nibelungen“, zu denen er kurz nach dem „Faust“ gegriffen, als zu den beiden großartigsten und nationalsten Stoffen, die wir überhaupt besitzen. Wo wäre dergleichen seinen Vorgängern, auch einem Carstens oder Wächter, eingefallen? Mußte doch selbst der schon vor ihm nach Rom gekommene Rauch erst durch den Krieg von 1813 und die Begeisterung für dessen Helden in die nationale Bahn förmlich gedrängt werden, durch deren Einschlagen er zum Regenerator der deutschen Bildhauerkunst ward!

Gerade jetzt aber schien Cornelius einen ganz anderen Weg einschlagen zu wollen. Er hatte in Rom Overbeck getroffen, der, ihm in vieler Beziehung richtungsverwandt, als fertiger und abgeschlossener Charakter großen Einfluß auf ihn ausübte, sodaß er sich sogar eine Zeitlang zu der von Overbeck gegründeten Künstlergenossenschaft der „Klosterbrüder von St. Isidoro“, den sogenannten Nazarenern, hielt. Lange dauerte es freilich nicht, denn mittlerweile brach das Jahr 1813 herein, und Cornelius wollte voll Begeisterung zurück, um in die Armee einzutreten; nur schwer war er angesichts der Unmöglichkeit, durchzudringen, davon abzuhalten. Wie richtig er unsere nationale Aufgabe damals schon beurtheilte, sieht man am besten aus seinen an Wenner geschriebenen Worten: „Wenn die Freiheit, die jetzt gewiß und wahrhaft errungen werden wird, würdig soll genossen und den künftigen Zeiten gesichert werden, so muß der Genius der Nation durchdringen in allen Dingen bis zum untersten Glied. Denn nicht große Armeen sind der Schutz eines Volkes, sondern sein Glaube, seine Gesinnung! Daß beinahe Alles in unserem Vaterlande

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 486. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_486.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)