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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Gesicht draußen in die Nacht zurück; sie sah noch, wie sich die Brauen über den funkelnden Augen in finsterer Zurückweisung falteten, wie die großen, weißen Hände in wilder Hast das Tuch über den Kopf zogen – dann war die Fremde wie ein Phantom verschwunden.

Diesmal wollte und mußte Donna Mercedes Aufklärung haben. Sie eilte in die anstoßende Kinderstube; dort brannte kein Licht, und die Fenster standen offen. Sie bog sich weit hinaus, allein es war unmöglich, in der totalen Finsterniß irgend einen Gegenstand zu sehen; nur einen Augenblick später hörte sie das eiserne Gitterthor drüben an der Promenade leise klirrend zufallen.

„Nun weiß ich’s ganz genau – es war ein Mann –“ sagte plötzlich eine männliche Stimme ganz in ihrer Nähe.

„Daß Du doch immer streiten mußt!“ fiel eine andere ärgerlich ein – sie gehörte dem Bedienten Robert. „Willst Du nicht auch behaupten, es sei der todte Adam gewesen? – Eine Frau war’s, und dabei bleibt’s – hab’ ich sie doch vor ein paar Tagen beinahe erwischt.“ –

Das Fenster, an welchem Donna Mercedes stand, war das letzte der Zimmerreihe; es stieß an die Flurhalle und befand sich nahe der Hauptthür, in welche die Männer soeben getreten sein mußten.

„Wenn ich nur wüßte, was sie eigentlich will,“ fuhr der Bediente fort. „So viel steht fest, sie hat’s auf die Säulenhalle abgesehen und guckt in die Fenster.“ – Er lachte leise und höhnisch auf. „Na, dumm ist’s gerade nicht; Unsereiner thut’s ja auch!... Da drin ist’s gerade wie auf dem Theater – schwarze Mohrenfratzen, eine aufgeputzte Schlafstube, als sollte der Kaiser von Marokko drin schlafen, und falsche Edelsteine die schwere Menge.... Und die stolze Madame liegt auf den Knieen vor dem kranken Prinzen, und unser Herr sitzt dabei wie eine Schildwache und sieht sich die Knierutscherei an, als wollte er sie auf seine Bilder bringen. Er treibt’s zu arg; Tag und Nacht sitzt er drin, und die Dame muß auch keine Scham und Scheu im Leibe haben, daß sie das leidet und sich vor Unsereinem gar nicht genirt – das ganze Haus macht seine schlechten Witze darüber.... Ach ja, ich glaube, der wär’s schon recht, wenn die Gnädige gar nicht wieder käme – im Schillingshofe sitzt sich’s warm – aber Profit, damit ist’s nichts!... Guck, Fritz, ich lachte mich todt, wenn die Gnädige einmal unvermuthet heimkäme und sähe die Bescheerung durch’s Fenster.“

Er sprach in gedämpften Lauten fast flüsternd, und doch war es, als schlüge jedes dieser hämischen Worte wie ein tönender Hammer auf das Ohr der jungen Dame. Die Stimmen draußen schwiegen, und noch stand sie, die Unterlippe zwischen die feinen, scharfen Zähne geklemmt, wie zu Stein erstarrt.

Sie sah durch die offene Thür Deborah in das Krankenzimmer treten und ging hinüber, und als sie in den grünen Lichtschein trat, da erbebte die arme Schwarze – so hatte die verstorbene Herrin daheim ausgesehen, wenn sie zürnte; so dämonisch flimmernden Auges, so blaß, als rolle nicht ein Tropfen färbenden Blutes in dem schönen Leibe, hatte sie grausame Strafen über die Schuldigen verhängt und nie ein Jota von dem zurückgenommen, was sie einmal ausgesprochen.

Donna Mercedes wischte sich mit dem Taschentuch über die Lippen, die sie sich wundgebissen, und bedeutete schweigend der Negerin, sich an das Bett des schlafenden Kindes zu setzen, dann ging sie hinaus; hinaus in die Luft wollte sie – in diesem Hause mußte sie ersticken.




21.

Sie schritt an den hellbeleuchteten Steinbildern hin; die Gestalten der Liebe, der losen Schelmerei lächelten als Aphrodite und Eros von dem einen Piedestal auf die lautlos vorübergleitende schöne Frau nieder, die mit dem hartgeschlossenen Mund, den ausdrucksvoll geschwellten Nasenflügeln und dem sprühenden Blick unter den tiefgesenkten Brauen recht gut als Statue des Hasses da droben hätte stehen können.

Die Männer standen noch an der offenen Hauptthür; sie stellten sich unwillkürlich in Positur, als die schwebende, weiße Erscheinung um die Corridorecke kam, und der, welcher sie eben noch verlästert, der Bediente Robert, machte den tiefsten Katzenbuckel....

Donna Mercedes wandte sich nach dem Ausgang, der in den großen Garten führte; aber als sie die Hand nach dem Thürschloß hob, da hörte sie Männertritte draußen die Freitreppe heraufkommen; sie wich einen Schritt zurück, und gleich darauf öffnete sich die Thür, und Baron Schilling trat herein. Wie er so aus der hinter ihm lagernden tiefen Nacht auftauchte, das krause, dunkle Haar unbedeckt und den überraschten Blick auf die unerwartet vor ihm stehende junge Dame geheftet, da lag es wie eine hohe Freude auf dem gedankenvollen Gesicht – er war ja zum ersten Male nach so vielen bangen Tagen in seinem Atelier gewesen; er hatte ein Wiedersehen mit geliebten Gestalten gefeiert und sich offenbar neue Begeisterung vor den eigenen Meisterschöpfungen geholt.

Er hielt einige farbenprächtige, wohl eben erst im Glashause gepflückte Gloxinien in der Hand und bot sie der jungen Dame schweigend mit einer tiefen Verbeugung.

„Ich danke, mein Herr – ich liebe die Blumen nicht!“ sagte sie schneidend, ohne auch nur einen Finger der lässig herabhängenden Hände zu heben, und ihr feindselig funkelnder Blick glitt von seinem Gesicht auf die Blumen nieder. Sie trat noch um einige Schritte zurück, damit er vorübergehe und ihr den Weg nach dem Garten freimache; in demselben Moment jedoch erschien einer der Aerzte in der Flurhalle, um, wie stets in den späten Abendstunden, noch einmal nach dem kleinen Kranken zu sehen. Sie war gezwungen, im Haus zu bleiben und die Herren in das Krankenzimmer zu begleiten.

Baron Schilling sprach ruhig und höflich mit dem Arzt, und im Vorübergehen legte er sorgsam die verschmähten Blumen auf das kühle Steinpostament zu Füßen einer Ariadne.

„Und bis wann glauben Sie, daß José eine Uebersiedelung aus dem Krankenzimmer erträgt?“ fragte Donna Mercedes im Salon den Arzt, nachdem er mit Befriedigung constatirt hatte, daß all und jede Spur des Fiebers erloschen sei.

Er sah überrascht empor – er hatte diesen herben Metallklang noch nicht von den Lippen gehört, die, sonst fast immer schmerzhaft geschlossen, augenblicklich in leidenschaftlich drängender Ungeduld bebten. „Daran ist noch lange nicht zu denken,“ sagte er entschieden.

„Auch nicht, wenn ich das Kind, warm verhüllt, selbst auf den Armen hinaustrüge?“

„Hinaustragen?“ Er sprang förmlich zurück. „Darüber wollen wir in vierzehn Tagen sprechen, gnädige Frau. Vorläufig darf weder hinsichtlich des Zimmers, noch der Pflege irgend ein Wechsel eintreten – noch liegt Gefahr in der außerordentlichen Schwäche des kleinen Patienten.“

Er empfahl sich, und Baron Schilling, der ihn an die Thür begleitet, kehrte zurück.

(Fortsetzung folgt.)




Das Fest der heiligen Rosalie in Palermo.
Von Fl. Korell.


Das Foro italico ist zweifellos Palermos, der an schönen Aussichtspunkten so reichen Hauptstadt Siciliens, schönste Promenade. Von dort schweift der Blick ohne Schranken über das nimmer ruhende Wasser, das zu allen Stunden fesselnde Erscheinungen bietet. Zur rechten Seite dehnt sich die mit den weißen Häusern mehrerer Ortschaften bedeckte Küste weit in’s Meer hinaus, um mit einem flachen Vorgebirge zu enden, zur Linken aber, jenseits des mit Segel- und Dampfschiffen bevölkerten Hafens, hält der Monte Pelegrino mit seinen gewaltigen Felsmassen die ernste „Wacht am Meer“. Vom Foro steigt die Stadt eine sanfte Erhebung hinan, von deren höchstem Punkte der monumentale Bau des Palazzo reale das Ganze beherrscht. Im Hintergrunde schließt, gegen das Innere der Insel, ein gewaltiger Gebirgszug ab, scharfumrissen und in seinen einzelnen Häuptern die wechselvollste

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 468. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_468.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)