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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Wie Aeschylus in den Persern, malt der Dichter die Größe der Siege, indem er aus französischer Phantasie heraus den überwältigenden Eindruck schildert, den die Sieger im unaufhaltsamen Vordringen auf die Bevölkerung des feindlichen Landes ausüben. Die ersten Schlachten sind geschlagen; die Armeen, welche so siegesgewiß auszogen, um den Rhein zu nehmen, ziehen sich in Trümmern zurück:

„– Das ist der großen unheilvollen Flucht Beginn,
Die durch des unglücksel’gen Frankreichs Fluren geht –
Der Sieger folgt. Im Wasgau, im Ardennerwald
Ist schon kein Paß mehr, wo nicht sein Geschütz erdröhnt;


Adolphe van Soust de Borckenfeldt.
Nach einer Photographie auf Holz gezeichnet von Adolf Neumann.


Von allen Seiten kommt er, vorwärts schreitend stets,
Durcheilt die Städte mit gefälltem Bajonnet –
Von Ort zu Ort getragen, tönt ein Schrei der Angst,
Vergrößernd der Verwirrung, des Entsetzens Noth,
Und Weiber, Kinder, Greis’ in athemloser Flucht,
Sie rufen bebend: ,Der Ulan kommt, der Ulan.’
Dem Blitze gleich, der durch die Wolken schneidend fährt,
Stürmt er durch Wälder, Weiler, wüster Felder Plan,
An Wildheit dem Centauren gleich, dem schrecklichen
Des droh’nden Sturmes unglücksschwangrer Bote nur.
Doch das ist schon kein Sturm mehr, nein, zum rasenden
Orkane schwillt’s, wahnsinnig heulend, fessellos,
Zermalmend scheucht sein Grimm in ihrer Wälle Schutz
Die Menschen fort und ihrer Hände kleinlich Werk.
Der Widerstand reizt seine Kraft, und wirbelnd steigt
Die Wettersäule, bricht und reißt, und Alles sinkt
Vom Doppelstoß der wandelnden Zerstörerin,
Die hinter sich nur Trümmer und Vernichtung läßt.“

Doch auch aus Frankreichs Lagern ziehen neue gewaltige Heeresmassen heran, um den Völkerstrom zu dämmen:

„Vergeblich Ringen! Ach, mit der Heroen Kraft,
Wie selbst die ferne Zeit Homer’s sie nicht gesehn,
Stehn sie im Kampf vom Frühroth bis der Abend sinkt.“

Dreimal sehen sie das Morgenroth über die blutigen Gefilde aufgehen, und immer noch tobt die Schlacht. Vergeblich ist der Heldenmuth der Söhne Frankreichs, nichts kann die Deutschen aufhalten – nirgends ein Widerstand, ein Entrinnen, und mit einer Anspielung auf die Katastrophe, die einst Rom traf, ruft der Dichter aus:

„Dein Schwert, o Brennus, ist in der Germanen Hand,
Und dieses Schwert, geworfen in die Wage, ließ
Auf Frankreichs Seite neigen das Verhängniß sich.“

Wenn Emanuel Geibel in jenen ruhmvollen Tagen seinen Hymnus erschallen ließt „Nun laßt die Glocken von Thurm zu Thurm“ etc., so stimmt der Dichter vom vlamischen Bruderstamme in das Tedeum Deutschlands ein, indem er singt:

„Nun soll von Thal und Höhen,
Wo nur ein Haus mag stehen,
In Süd und Nord
Von Deutschlands Kindern allen
Ein Dankeshymnus schallen
Zum Schlachtenhort.“

Die Idee eines gerecht waltenden Schicksals, das den Uebermuth zermalmt, ist in diesem schönen Gesange, wie in dem Chor der antiken Tragödie zum Ausdruck gebracht. Lange ruht der Blitz in der Hand des Allmächtigen, um endlich um so sicherer zu treffen. Vor seinem Hauche sind Fürsten und Völker verweht wie Blätter im herbstlichen Walde. Darum ruft der Dichter der gallischen Nation zu:

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 456. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_456.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)